Sonntag, 10. Juni 2012
Zeitsprung – Rolle rückwärts
10. Juni

Gut, wir haben gewonnen. Am Ende fragt keiner, wie ein Eins zu Null zustande gekommen ist. Bei zwei Mal Latte (ohne Kaffee) und etlichen portugiesischen Chancen hatten wir zudem mächtig Glück. Das hatten die Dänen vorher ja auch gegen die Niederlande, aber da würde ich noch vom Glück des Tüchtigen sprechen, denn die haben wirklich geackert. So richtig tüchtig fand ich die DFB-Auswahl dagegen nicht: Standfußball über weite Strecken ohne zwingenden Zug zum Tor (man sieht, man kann auch klug über das Thema Nr. 1 des deutschen Mannes daherschwatzen, ohne wirklich Ahnung davon zu haben… - ich geb’s ja zu).
Eigentlich wollte ich auch etwas anderes sagen. Hat mal jemand auf die deutschen Fangesänge im Hintergrund geachtet, dort im Stadion der ukrainischen Stadt Lwiw, die früher mal Lemberg hieß? Kaum war das Gomez-Tor gefallen, hallte rhythmisches „Sieg - …! Sieg - …!“ durchs Stadionrund. Für das ausgesparte „Heil“ wurde genau die angemessene Pause eingehalten. Und als Manuel Neuer kurz danach einen Nahschuss in großer Manier parierte, folgte ein zackiges dreifaches „Hurra! Hurra! Hurra!“, das einer Wochenschau des Herbstes 1941 entsprungen sein könnte, die den Einmarsch deutscher Truppen in die ukrainischen Kornkammern bejubelt.
Der Stadionsprecher hatte mehrfach das Publikum gebeten, keine Kugeln aus Knüllpapier auf den Rasen zu schmeißen. Zu den verbalen Entgleisungen teutscher Fans sagte er nichts. Vielleicht hat Yogi Löw dafür ein offenes Ohr gehabt und äußert sich noch. Ich möchte jedenfalls nicht, dass ein deutsches Team unter derartigem Zuspruch irgendeine europäische Krone erobert…

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