Donnerstag, 30. August 2012
Kleine Baumkunde
So, so: Eine teutsche Eiche wurde abgesägt, über Nacht, und zwar von links. Das sagte eine Polizeisprecherin in Rostock, noch bevor im Internet eine Bekennerbotschaft auftauchte, die die Ausrichtung des Sägeblattes (ein Fuchsschwanz war es offenbar) bestätigte. Ansonsten wäre es wohl auch schwierig gewesen, die Aussage zu verifizieren: Ein Baumstamm ist bekanntlich rund, und da zu entscheiden, wo links sei und wo rechts, ist abhängig vom jeweiligen Standpunkt. Hier aber hat die „AG Antifaschistischer Fuchsschwanz“ ganze Arbeit geleistet, um „dieses Symbol für Deutschtümelei und Militarismus“ von seiner Wurzel zu trennen, auf dass es sein Hoffnungsgrün nicht weiter entfalte. Ein klarer Standpunkt.
Ich gebe zu, ich bin da selbst etwas gespalten (allerdings nicht ganz so wie eine vom Blitz getroffene Eiche): Die skandalösen Ereignisse in Rostock-Lichtenhagen haben mich seinerzeit tief empört, die Bilder des fanatisierten Mobs im nächtlichen Feuerschein haben sich tief eingebrannt. Daran auch nach 20 Jahren zu erinnern ist nicht nur legitim, sondern demokratische Pflicht. Ob nun gerade eine Eiche das für diesen Anlass angemessene Zeichen ist, darf allerdings bezweifelt werden: Der von seiner Natur her freilich zunächst unverdächtige Baum mit dem markanten Laub ist in der Vergangenheit zu häufig missbraucht und diskreditiert worden, von Bismarck über Hindenburg bis Hitler. Und ich gebe es zu: Wenn es geht, vermeide ich sogar den Besuch von Gasthöfen, die sich „Zur Deutschen Eiche“ nennen. Das mag übertrieben sein, aber mir ist der Lindenbaum am Brunnen vor dem Tore nun mal lieber. Und die verspielte Birke, die zitternde Espe und der duftende Flieder sowieso. Aber mit Symbolen ist das ja oft so eine Sache.
Nun war also der Fuchsschwanz am nächtlichen Werk und hat mit geschärftem Sägezahn darauf aufmerksam gemacht, „dass der Aufarbeitungsprozess noch längst nicht abgeschlossen ist“ (O-Ton Rostocks Sozialsenatorin Melzer), wie sich das die Rostocker Lokalpolitiker sicher gewünscht haben. Eine riesige Sonnenblume blüht ja schon an der Hauswand des gebrandmarkten Wohnblocks, gut. Und es wird wieder diskutiert, auch gut. Und wenn unbedingt gepflanzte Symbole gebraucht werden, plädiere ich für eine international, besser noch interkontinental zusammengestellte Baumgruppe. Vorbild könnte das Wörlitzer Gartenreich des aufgeklärten Fürsten Franz sein, in dem sich europäische, asiatische, afrikanische und amerikanische Gehölze seit Jahrhunderten gut vertragen – so ein kleiner dendrologischer Friedenspark in Rostock-Lichtenhagen (meinetwegen sogar mit Eiche). Da könnte dann wirklich was zusammenwachsen, nicht wahr?!

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