Montag, 2. Januar 2012
Die Lösung von Problemen
2. Januar 2012

Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber vielen deutschen (zumal ostdeutschen) Städten sieht man noch heute die Folgen des letzten Krieges an. Die Amis und die Briten haben mit ihren Bombenteppichen seinerzeit keineswegs für eine wohnliche Atmosphäre gesorgt: Halberstadt, Dessau, Magdeburg, Dresden… - nee, keine Sorge, ich will hier nicht in alten Wunden bohren oder neuen Nazis zum Munde reden. Und Halle an der Saale, die Stadt, in der ich seit 35 Jahren lebe, ist diesbezüglich doch eine besondere Stadt: Hier sind in 40 Jahren DDR nämlich weit mehr Häuser zu Bruch gegangen als im 2. Weltkrieg.
Dank beherzter Bürger wurde Halle in den letzten Kriegswochen kampflos an die Amerikaner übergeben, die schon von Westen her alle Rohre auf die fünf Türme gerichtet hatten. Glück gehabt, könnte man meinen (mal abgesehen davon, dass das Alte Rathaus trotzdem weggebombt wurde und das Hotel Weltkugel, aber was ist das schon gegen Dresden?). Was danach kam, passierte zwar nicht so plötzlich wie durch eine Zehn-Zentner-Bombe, dafür war es ein schleichender Verfall, der der Stadt an der Saale hellem Strande das denkwürdige Attribut der „Diva in Grau“ einbrachte. Viele lebten bis vor zweiundzwanzig Jahren tatsächlich im drohenden Abriss (ich damals auch mit meiner kleinen Familie), und wo es dann wirklich zusammenfiel, blieb es eben liegen. Der Sozialismus hat eher rundherum gebaut: Halle-Neustadt (ursprünglich Halle-West), die Südstadt, die Silberhöhe, Heide-Nord… Arbeiterschließfächer. Und dennoch: Wo nicht aufgrund zunehmenden Leerstands in den letzten Jahren abgerissen, erfreuen sich diese Block-Haus-Siedlungen einer erstaunlichen Beliebtheit… Aber erzählen wollte ich was ganz anderes.
Laufe ich doch heute durch mein Viertel. Vornehmlich Gründerzeit-Altbauten, zum großen Teil nach der Wende ansehnlich renoviert, mit entsprechenden Mieten. Da haben Alteigentümer investiert – oder verkauft an potente Neubesitzer. Find ich prima! Allerdings klaffen dazwischen Lücken. Das heißt, am Anfang sind es noch unbewohnte Häuser, deren Fensterhöhlen und Türöffnungen irgendwann zugemauert werden. Dann wird die Fassade gesichert, doch vom Dach fallen die Ziegel. Und je bunter und ordentlicher das Umfeld wird, desto unansehnlicher erscheinen diese Schandflecken, deren Eigentümer sich offensichtlich nicht kümmern, oder sie sind nicht auffindbar oder aber als Erbengemeinschaft unheilig zerstritten. Kann man nichts machen in einem freiheitlichen Rechtsstaat, in dem es zur persönlichen Freiheit gehört, sein Eigentum verfallen zu lassen, solange der Fußweg davor ordentlich abgesperrt wird.
Dann aber (und nun komme ich endlich zum Kern meiner Beobachtung) tritt die nächste Phase ein: Irgendwann sind die Mauern nicht mehr zu halten, der Einsturz droht, und Bagger und Planierraupen haben ein Einsehen. Eine Woche lang Lärm, Staub und Trümmer, emsiges Treiben, Schwerlaster, gelbe Rundumleuchten – dann ist der Spuk vorbei. Und siehe da: Nach drei Wochen ist das Areal sauber eingezäunt, wird noch sauberer betoniert, und ein Schild an der sperrenden Schranke verrät: Parkplätze zu vermieten!
So löst man hier zwei Probleme mit einem Schlage. Und mir fällt ein, wie ich manchmal nachts rumkurve, ehe ich einen Parkplatz in fußläufiger Nähe meiner Wohnung ergattere. Nun warte ich also, dass unser Nebenhaus umfällt. Dann werde ich aber ganz schnell sein mit dem Telefon…

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