Mittwoch, 22. Januar 2014
Die Zukunft beginnt. Heute...
Da sitze ich in unserer erfreulich analogen Wohnung und werde heimgesucht von Visionen. Keineswegs von düsteren, eher vom Gegenteil: Sie sind hell, sauber, chromblitzend vielleicht und beinahe lautlos. So soll es sein, wenn die Computernetzwerke in den Haushalt hineinwachsen und den Chip des Handelns in den eigenen Host nehmen. Auf einschlägigen Messen wird darüber informiert, Fach- und Frauenzeitschriften berichten exklusiv, und was hinter prozessorverschlossenen Türen in echten Expertenkreisen dazu bereits abgeht, das möchte ich gar nicht erst wissen. Denn ich will das alles nicht! Ich will mich noch ärgern dürfen, wenn ich vergessen habe einzukaufen und der Kühlschrank leer ist. Ich will die Heizung dann aufdrehen, wenn ich nach Hause komme, und mich daran erfreuen, wie ich allmählich von ihr erwärmt werde (mit einem Glas heißer Honigmilch in der Hand). Ich will noch mit dem Staubsauger selbst in die Ecken fuchteln und auch nicht anschließend vom Gerät gesagt bekommen, ich hätte dabei genau siebenunddreißigkommasechs Kilokalorien verbraucht (und mir also ein Extrastück Schokolade verdient). Falls ich (was einmal im Jahr vorkommt) mir aus Heißhunger eine Pizza Napoli bestellt habe, sollen sich nicht im Anschluss die Kartons in meinem Tiefkühlfach stapeln, nur weil mein digitaler Hausfreund glaubt, mein Geschmack habe sich geändert. Und meine Unterhose muss mir auch nicht mit metallener Stimme mitteilen, wann sie gewaschen werden will. „Wearable Technologies” seien der neue Trend: Der Körper wird zur Fernbedienung. Brille, Watch, Implantate, Sensoren… - RoboCop meets Terminator. Sagte ich schon, dass ich noch immer einen Röhrenfernseher habe? Freilich hat mein Enkel (18 Monate) auch schon ausprobiert, ob es sich dabei um einen Touchscreen handelt – Fehlanzeige! Hier werden keine Bilder weggewischt, sondern nur die Spuren der Digital Natives. Übrigens ein LOEWE, genau, aus der beinah plattgemachten Edelschmiede; den gab‘s vor einigen Jahren fast neu zum Spottpreis, weil alle Welt nur noch die flachen Scheiben wollte. Und jetzt staunen meine Freunde, was für ein natürlich schönes Bild mein Kasten zaubert…
Zurück zum vernetzten Haus. Das könne die Raumtemperatur regeln in Abhängigkeit von der Wärme, die dort anwesende Menschen selbst produzieren, indem sie Kohlenhydrate oder Körperfett verbrennen. Muss ich das gut finden? Brauche ich das? Ich stelle mir vor, wie das Netz reagiert, wenn ich beim gelegentlichen Liebesspiel mit meiner Holden mal etwas transpiriere (und sie womöglich auch): Flugs wird das Zimmer runtergekühlt, und aus dem schönen Kuschelabend wird eine Polarexpedition. Nein, danke! Oder die angepriesene Gesichtserkennung als Türöffner?! Manchmal erkenne ich mich ja selbst nicht mehr im Spiegel. Clevere Kriminelle aber fischen aus dem Netz, das nichts vergisst, irgendein altes Foto von mir, drucken es aus in Hochglanz und mit 600dpi und halten es vors wachsame, aber dumme Auge: Schon springt die Tür auf, irgendwo aus dem Raum raunt den Einbrechern gar ein einprogrammiertes herzliches Willkommen zu, und flugs schleppen sie die fette Beute (beispielsweise meinen LOEWE als gesuchte Antiquität) hinaus. Diese Entwicklung birgt also Gefahren, wohin man auch surft.
Woher ich das alles weiß? Na, das hab ich grad‘ mit meiner News-App auf meinem Tablet gelesen...

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