Freitag, 15. Januar 2021
Sprachkapriolen
Dass das Orwellsche Neusprech aus 1984 durchaus einige Gemeinsamkeiten mit dem übertriebenen Gender-Sprech unserer Zeit zu tun hat, dürfte manchem Zeitgenossen schon aufgegangen sein (die Zeitgenossinnen inbegriffen). Die „Gesellschaft für deutsche Sprache“ hat dazu eine klare Position, die ich als Germanist und Literaturwissenschaftler vollkommen teile – Näheres möge man/frau dort nachlesen…😉
Dabei habe ich gar nichts dagegen, im konkreten Falle Studentinnen und Studenten zu begrüßen oder eben Damen und Herren (als Mittsechziger darf ich wohl durchaus ein wenig konservativ klingen). Um den inzwischen (mindestens) drei Geschlechtern gerecht zu werden, kann es meinetwegen ruhig mal etwas länger dauern mit den Begrüßungsformeln. Kein Verständnis dagegen habe ich für die künstliche Sprechpause des (neudeutsch) „Gender-Gaps“ – wenn ich höre, es gebe Lehrer innen, dann frage ich mich stets, was Lehrer wohl außen machen. Nun gut.
Wie weit der sprachliche Unsinn geht, durfte ich heute früh auf D-Radio Kultur erleben: Ein Moderator war im Gespräch mit der jüngsten Delegierten des heute beginnenden virtuellen CDU-Parteitages, der den neuen Vorsitzenden (es stehen nun mal nur Männer zur Wahl) bestimmen soll. Offenbar im Bestreben, sich bei Frau Fischer aus Erfurt beliebt zu machen, sprach dieser Journalist mehrfach von CDU-Mitgliederinnen und -Mitgliedern. Herrgott! Was ist nur los im gebührenfinanzierten Qualitätsjournalismus?! DAS Mitglied ist sächlich, Neutrum, Punkt um! Da gibt es nun mal keine Mitgliederinnen. Es sei denn, man spräche von einem Mitglied mit Glied. Dann wären die CDU-Mitglieder mit Glied sehr wohl zu unterscheiden von den CDU-Mitgliedern ohne Glied. Aber ich glaube, das hat der Moderator so nicht gemeint. Es hätte ihm wahrscheinlich ohnehin einen Sexismus-Vorwurf eingebracht.

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