Freitag, 15. Mai 2020
Gewagte Assoziationen?
Der „Spiegel“ bringt in seiner aktuellen Ausgabe einen lesenswerten Gastbeitrag des ehemaligen Bundestagsabgeordneten der Grünen, Gerhard Schick – aktuell als Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende aktiv. Sein Titel: „Raus aus der Dauerkrise“. Er blickt darin über den Tellerrand der Corona-Krise und hebt auf sinnfällige Gemeinsamkeiten mit der Banken- und Finanzkrise sowie der globalen Klimakrise ab. Kluge Gedanken, nichts erscheint weit hergeholt, vieles machbar. Zudem spiegelt der Beitrag keine Einzelmeinung wider, sondern verweist auf eine Stellungnahme mehrerer Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler im Rahmen des Projekts "Transformative Responses to the Crisis": https://transformative-responses.org/.
Ich will den Beitrag hier nicht wiederholen – man lese ihn an originaler Stelle nach: https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/raus-aus-der-dauerkrise-a-23802028-a123-45ad-b1da-ef7ade43803d?sara_ecid=soci_upd_wbMbjhOSvViISjc8RPU89NcCvtlFcJ.

Dies aber sei gesagt: Besonders anregend finde ich im Fazit des Beitrags von Gerhard Schick das Ziel einer "zukunftsfähige(n) Politik der Resilienz" mit einem grundlegend umgebauten Wirtschafts- und Finanzsystem. Das wäre tatsächlich was! Eine wirklich und endlich andere Weichenstellung, die nach Schick nicht nur möglich, sondern unausweichlich sei! Aber woher sollen die dafür erforderlichen Mehrheiten kommen? Trotzdem unterschreibe ich das gern.
Allerdings ist mein aktueller Eindruck, dass die anfängliche, wenn auch zaghafte Bereitschaft, angesichts von Corona über wirkliche Veränderungen und Neuausrichtungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik nachzudenken, längst wieder verflogen ist. Nun geht es den meisten um ein Zurück in die Zukunft und weiter wie bisher. Und das hieße, nach Corona sei vor Corona, nur besser, schneller, mehr…

Ein sicher gewagter Vergleich: im Herbst 89 dominierte im Osten noch der Wunsch nach einer Alternative, die gegenüber der bisherigen DDR etwas wirklich Neues hätte sein können. Im Frühjahr 90 implodierte dieser Wunsch zugunsten des Rufs nach D-Mark und Deutschland. Da sollte es dann nur noch genauso werden wie bei denen da drüben. Bloß nichts Neues mit all seinen Unwägbarkeiten! Und so scheitern die Utopien, die kurzzeitig durchaus Strahlkraft besitzen, offenbar an unserem Unvermögen, nicht nur über die Schuhspitzen hinaus zu denken, sondern dann auch loszugehen. Auf wessen Befehle warten die Weichensteller? Also wir???

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