Samstag, 31. März 2012
Was uns behindert
zirkustiger, 13:38h
30. März
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – auch mir liegt das Wohl von Kindern und Jugendlichen mit Handicap durchaus am Herzen. Sie sollten die bestmöglichen, konkret auf ihre jeweiligen körperlichen oder auch geistigen Defizite ausgerichteten pädagogischen Förderangebote erhalten, dargeboten von entsprechend ausgebildetem und motiviertem Fachpersonal in einem dafür optimal ausgestatteten Umfeld. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sagt ihr? Na ja, ganz so einfach ist es nicht, denn dafür käme noch ein Erfordernis hinzu, das ich als die „Kultur des gesellschaftlichen Umgangs mit gehandicapten Menschen“ bezeichnen möchte. Klingt ein bisschen umständlich, zugegeben, meint aber nichts anderes als die grundsätzliche Art und Weise, wie Behinderungen und Behinderte in einer Gesellschaft wahrgenommen und akzeptiert werden.
Bei den edlen Rothäuten (so viel Karl-May-Reminiszenz seit in dieser Zeit gestattet) wurden gerade geistig Behinderte als etwas Besonderes und Behütenswertes von der Gemeinschaft getragen, heißt es. Das kann ich nicht beurteilen, aber wie es zum Beispiel in Skandinavien läuft, das schon: Beim Bildungssystem des PISA-Klassenbesten Finnland verblüfft es ja viele, dass dort Sonder-, Förder-, Hilfs- oder wie auch immer benannten Extra-Schulen für gehandicapte Kinder und Jugendliche schlichtweg fehlen. Nicht, dass es in Finnland keine Hör- oder Sehgeschädigten gäbe und der IQ aller stets über der ominösen 70 (oder 80) läge, nein, das sicher nicht, aber es gibt dort eine lange Tradition der unmittelbaren und sozusagen organischen Einbeziehung dieser Menschen in den Alltag der finnischen Gesellschaft. Und die Lehrerbildung des kleinen Landes berücksichtigt die zweifellos vorhandenen Besonderheiten des Umgangs mit ihnen von vornherein und vermittelt in Studium und Weiterbildung allen Pädagogen die erforderlichen Kompetenzen (müßig zu erwähnen, dass man in Finnland eine Eignungsprüfung und ein Vorpraktikum absolvieren muss, wenn man Lehrer werden will, denn das Pädagogikstudium ist dort nicht – wie hierzulande oft genug – das Auffangbecken für jene, die nicht wissen, was sie sonst machen sollen, sondern Ausdruck eines echten Wunsches, vielleicht sogar einer „inneren Berufung“). Zudem sind die Schulen entsprechend vorbereitet, also mit den für bestimmte Behinderungen erforderlichen Technologien ausgestattet, mit geeigneten Räumen und zusätzlichem pädagogischem Personal. Und all die tollen Begriffe von „Integration“ oder „Inklusion“, die unser Bildungswesen braucht, um gehandicapte Schülerinnen und Schüler in die Regelschulen zu bringen, sind dort überflüssig, wo eine Gesellschaft in ihrer grundsätzlichen Verfasstheit bereits integrativ funktioniert. Das also meine ich mit der Art und Weise, wie Behinderung wahrgenommen wird – eine Frage der gesellschaftlichen Kultur.
Die OECD fordert nun auch vom deutschen Bildungssystem diese Inklusion. Scheinbar sehr human und fortschrittlich, nicht wahr. Aber wie sieht die Realität aus? Quasi über Nacht sitzen nun plötzlich in den „normalen“ Grund- und Sekundarschulklassen Kinder und Jugendliche mit ganz unterschiedlichen Handicaps vor überforderten Lehrkräften, die darauf nicht ansatzweise vorbereitet sind. Es fehlen technische Lese- und Hörhilfen; Klassengröße und Raumsituation können nicht befriedigen, die Umgangsformen unter den Gleichaltrigen sind - da nicht geübt - oft genug problematisch, Eltern nicht behinderter Kinder laufen Sturm gegen diese formal herbeigeführten Maßnahmen, und der unterstützende Einsatz der bisherigen Förderschul-Lehrkräfte funktioniert bestenfalls auf dem Papier. Kein Wunder, dass der Unmut wächst. Erziehungswissenschaftler prophezeien inzwischen, dass die Anzahl der Schulversager in Sachsen-Anhalt unter diesen unausgegorenen Rahmenbedingungen deutlich ansteigen werde (sie ist ohnehin der traurige Spitzenwert bundesweit). Das Kultusministerium beeilt sich zu versichern, dass es das keineswegs glaube – es klingt wie das Pfeifen im Walde. Denn den Personalmangel kann man auch in Magdeburg nicht leugnen. Und das Problem des gerechten und angemessenen Umgangs mit förderbedürftigen jungen Menschen ist nicht am grünen Tisch zu lösen. Dazu bedürfte es im engeren Sinne deutlicher Bewegungen in der Lehrerbildung, der Schulausstattung, der transparenten Kommunikation in Bildungsfragen – im weiteren Sinne jedoch einer grundsätzlich veränderten gesellschaftlichen Kultur. Und ich gestehe, dass mir bei diesem Thema jegliche humoristische Pointe fehlt, denn – Leute – es geht hier um die Kinder!
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – auch mir liegt das Wohl von Kindern und Jugendlichen mit Handicap durchaus am Herzen. Sie sollten die bestmöglichen, konkret auf ihre jeweiligen körperlichen oder auch geistigen Defizite ausgerichteten pädagogischen Förderangebote erhalten, dargeboten von entsprechend ausgebildetem und motiviertem Fachpersonal in einem dafür optimal ausgestatteten Umfeld. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sagt ihr? Na ja, ganz so einfach ist es nicht, denn dafür käme noch ein Erfordernis hinzu, das ich als die „Kultur des gesellschaftlichen Umgangs mit gehandicapten Menschen“ bezeichnen möchte. Klingt ein bisschen umständlich, zugegeben, meint aber nichts anderes als die grundsätzliche Art und Weise, wie Behinderungen und Behinderte in einer Gesellschaft wahrgenommen und akzeptiert werden.
Bei den edlen Rothäuten (so viel Karl-May-Reminiszenz seit in dieser Zeit gestattet) wurden gerade geistig Behinderte als etwas Besonderes und Behütenswertes von der Gemeinschaft getragen, heißt es. Das kann ich nicht beurteilen, aber wie es zum Beispiel in Skandinavien läuft, das schon: Beim Bildungssystem des PISA-Klassenbesten Finnland verblüfft es ja viele, dass dort Sonder-, Förder-, Hilfs- oder wie auch immer benannten Extra-Schulen für gehandicapte Kinder und Jugendliche schlichtweg fehlen. Nicht, dass es in Finnland keine Hör- oder Sehgeschädigten gäbe und der IQ aller stets über der ominösen 70 (oder 80) läge, nein, das sicher nicht, aber es gibt dort eine lange Tradition der unmittelbaren und sozusagen organischen Einbeziehung dieser Menschen in den Alltag der finnischen Gesellschaft. Und die Lehrerbildung des kleinen Landes berücksichtigt die zweifellos vorhandenen Besonderheiten des Umgangs mit ihnen von vornherein und vermittelt in Studium und Weiterbildung allen Pädagogen die erforderlichen Kompetenzen (müßig zu erwähnen, dass man in Finnland eine Eignungsprüfung und ein Vorpraktikum absolvieren muss, wenn man Lehrer werden will, denn das Pädagogikstudium ist dort nicht – wie hierzulande oft genug – das Auffangbecken für jene, die nicht wissen, was sie sonst machen sollen, sondern Ausdruck eines echten Wunsches, vielleicht sogar einer „inneren Berufung“). Zudem sind die Schulen entsprechend vorbereitet, also mit den für bestimmte Behinderungen erforderlichen Technologien ausgestattet, mit geeigneten Räumen und zusätzlichem pädagogischem Personal. Und all die tollen Begriffe von „Integration“ oder „Inklusion“, die unser Bildungswesen braucht, um gehandicapte Schülerinnen und Schüler in die Regelschulen zu bringen, sind dort überflüssig, wo eine Gesellschaft in ihrer grundsätzlichen Verfasstheit bereits integrativ funktioniert. Das also meine ich mit der Art und Weise, wie Behinderung wahrgenommen wird – eine Frage der gesellschaftlichen Kultur.
Die OECD fordert nun auch vom deutschen Bildungssystem diese Inklusion. Scheinbar sehr human und fortschrittlich, nicht wahr. Aber wie sieht die Realität aus? Quasi über Nacht sitzen nun plötzlich in den „normalen“ Grund- und Sekundarschulklassen Kinder und Jugendliche mit ganz unterschiedlichen Handicaps vor überforderten Lehrkräften, die darauf nicht ansatzweise vorbereitet sind. Es fehlen technische Lese- und Hörhilfen; Klassengröße und Raumsituation können nicht befriedigen, die Umgangsformen unter den Gleichaltrigen sind - da nicht geübt - oft genug problematisch, Eltern nicht behinderter Kinder laufen Sturm gegen diese formal herbeigeführten Maßnahmen, und der unterstützende Einsatz der bisherigen Förderschul-Lehrkräfte funktioniert bestenfalls auf dem Papier. Kein Wunder, dass der Unmut wächst. Erziehungswissenschaftler prophezeien inzwischen, dass die Anzahl der Schulversager in Sachsen-Anhalt unter diesen unausgegorenen Rahmenbedingungen deutlich ansteigen werde (sie ist ohnehin der traurige Spitzenwert bundesweit). Das Kultusministerium beeilt sich zu versichern, dass es das keineswegs glaube – es klingt wie das Pfeifen im Walde. Denn den Personalmangel kann man auch in Magdeburg nicht leugnen. Und das Problem des gerechten und angemessenen Umgangs mit förderbedürftigen jungen Menschen ist nicht am grünen Tisch zu lösen. Dazu bedürfte es im engeren Sinne deutlicher Bewegungen in der Lehrerbildung, der Schulausstattung, der transparenten Kommunikation in Bildungsfragen – im weiteren Sinne jedoch einer grundsätzlich veränderten gesellschaftlichen Kultur. Und ich gestehe, dass mir bei diesem Thema jegliche humoristische Pointe fehlt, denn – Leute – es geht hier um die Kinder!
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Sonntag, 26. Februar 2012
Margots späte Rache
zirkustiger, 12:26h
26. Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich befürchte inzwischen eine Wiederauferstehung des sattsam bekannten Ungeistes der sozialistischen DDR-Schule! Ja, ja, doch, doch! Und: Nein, keineswegs im Geheimen, sondern gefordert und gefördert von Verwaltungen, Institutionen und sogar Ministerien! Ob man nun die Volksbildungs-Mafia dahinter vermutet, ewig gestrige Hortnerinnen im Vorruhestand, die ihr ehrenamtliches Engagement dahingehend missbrauchen, sich erneut wendende Wendehälse oder Jungfunktionäre, die auf geheimnisvolle Weise mit alten Ideologien indoktriniert werden konnten, sei dahingestellt. Fakt ist jedenfalls: Die DDR-Volksbildhauerei feiert fröhliche Urstände, und das unter unser aller Augen. Ein Skandal, nicht wahr?!
Ich sei nun aber den Nachweis für meine Behauptungen schuldig, sagt ihr? Nun gut. Ich will mich da auch kurz fassen. Zum einen wird also plötzlich mal wieder über längeres gemeinsames Lernen geredet. Mit umständlich demografischen Begründungen werden Gemeinschaftsschulen aus dem Hut gezaubert und mit ebenso innovativen wie überraschenden Konzepten einer Ganztagsschule verquickt. Entstehen sollen daraus pädagogische Anstalten, die auch am Nachmittag was zu bieten haben (Arbeitsgemeinschaften, Zirkel, Projekte auf kulturellem, künstlerischem oder sportlichem Gebiet) und die nicht schon die konkurrierenden Zehnjährigen in Gymnasiasten, Real- und Hauptschüler trennen. Skandalös, findet ihr nicht? Da muss doch einer den bösen Wolf (sprich: die Polytechnische Oberschule nach DDR-Prägung mit Schulhort und umfangreichen Nachmittagsangeboten) einfach in einen neuen Schafspelz gekleidet und so fast unkenntlich ins öffentliche Bewusstsein geschmuggelt haben. Ich weiß auch, welche Verfremdungen dazu führen, dass der Wachhund unserer politischen Aufmerksamkeit nicht gleich angeschlagen hat – genau: Die Verfechter dieser ungeheuer neuen Schulkonzepte verzichten auf Fahnenappelle, FDJ-Nachmittage und Bilder von Frau Merkel im Speiseraum. Aber wie lange noch? Wehret den Anfängen, sage ich nur!
Und weiter: Die Kultusministerien in Sachsen und Sachsen-Anhalt haben sich soeben auf einen gemeinsamen Modellversuch verständigt. Es geht – man höre und staune – um die „Berufsausbildung mit Abitur“. Das stellt doch die Margot H. glatt auf den Sockel! Immerhin ist diese Erfindung vor langer Zeit in der DDR getätigt worden (als Wiederentdeckung reformpädagogischer Ideen eines praxisbezogenen Unterrichts übrigens). Nun wird also mal gründlich erprobt, ob das funktioniert und welche Wirkungen es auf die Probanden hat. Den Schulforschern seien bereits jetzt einige bedenkliche Beispiele für Spätfolgen einer derartigen BAmA aufgezeigt: Der hallesche Lyriker Wilhelm Bartsch (geb. 1950), zweifellos eine der bedeutendsten literarischen Stimmen dieser Generation, hat dereinst die Berufsausbildung zum Rinderzüchter mit dem Abitur verbunden dürfen. Genauso wie André Schinkel, Vertreter der nächsten Generation und ebenfalls bereits mit zahlreichen Literaturpreisen geadelt. Offensichtlich hat die frühe Begegnung mit diversen Hornochsen und Rindviechern äußerst förderliche Effekte auf das ästhetische Empfinden und die künstlerische Kreativität. Liebe Kultusministerien, jetzt verstehe ich auch den Hintergrund des Modellversuchs: Deutschland soll so wieder zum Land der Dichter und Denker werden! Welch verteufelt schlauer Gedanke, Hut ab!
Und zu guter Letzt noch der entlarvende Hinweis, dass in Halle-Neustadt an einem Schulhort (der sich an den Ideen des französischen Reformpädagogen Celestin Freinet – bekanntermaßen überzeugter Verfechter einer sozialistischen Demokratie – orientiert!) die Zehn-, Zwölfjährigen ein Buchprojekt auf der Freinet‘schen Druckerpresse realisiert haben, das den Titel „Wenn Mutti früh zur Arbeit geht…“ trägt. Ist das nicht der Gipfel? Haben diese Sprösslinge des 21. Jahrhunderts etwa dazu auch jenes Lied gelernt, das ich vor einem halben Jahrhundert trällerte, während mir Mutti, bevor sie früh zur Arbeit ging, das blaue Halstuch ordentlich verknotete?
Wie gesagt – bleibt wachsam! Die Zeichen mehren sich, dass die Prinzen recht haben könnten: „Es war nicht alles schlecht…“!
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich befürchte inzwischen eine Wiederauferstehung des sattsam bekannten Ungeistes der sozialistischen DDR-Schule! Ja, ja, doch, doch! Und: Nein, keineswegs im Geheimen, sondern gefordert und gefördert von Verwaltungen, Institutionen und sogar Ministerien! Ob man nun die Volksbildungs-Mafia dahinter vermutet, ewig gestrige Hortnerinnen im Vorruhestand, die ihr ehrenamtliches Engagement dahingehend missbrauchen, sich erneut wendende Wendehälse oder Jungfunktionäre, die auf geheimnisvolle Weise mit alten Ideologien indoktriniert werden konnten, sei dahingestellt. Fakt ist jedenfalls: Die DDR-Volksbildhauerei feiert fröhliche Urstände, und das unter unser aller Augen. Ein Skandal, nicht wahr?!
Ich sei nun aber den Nachweis für meine Behauptungen schuldig, sagt ihr? Nun gut. Ich will mich da auch kurz fassen. Zum einen wird also plötzlich mal wieder über längeres gemeinsames Lernen geredet. Mit umständlich demografischen Begründungen werden Gemeinschaftsschulen aus dem Hut gezaubert und mit ebenso innovativen wie überraschenden Konzepten einer Ganztagsschule verquickt. Entstehen sollen daraus pädagogische Anstalten, die auch am Nachmittag was zu bieten haben (Arbeitsgemeinschaften, Zirkel, Projekte auf kulturellem, künstlerischem oder sportlichem Gebiet) und die nicht schon die konkurrierenden Zehnjährigen in Gymnasiasten, Real- und Hauptschüler trennen. Skandalös, findet ihr nicht? Da muss doch einer den bösen Wolf (sprich: die Polytechnische Oberschule nach DDR-Prägung mit Schulhort und umfangreichen Nachmittagsangeboten) einfach in einen neuen Schafspelz gekleidet und so fast unkenntlich ins öffentliche Bewusstsein geschmuggelt haben. Ich weiß auch, welche Verfremdungen dazu führen, dass der Wachhund unserer politischen Aufmerksamkeit nicht gleich angeschlagen hat – genau: Die Verfechter dieser ungeheuer neuen Schulkonzepte verzichten auf Fahnenappelle, FDJ-Nachmittage und Bilder von Frau Merkel im Speiseraum. Aber wie lange noch? Wehret den Anfängen, sage ich nur!
Und weiter: Die Kultusministerien in Sachsen und Sachsen-Anhalt haben sich soeben auf einen gemeinsamen Modellversuch verständigt. Es geht – man höre und staune – um die „Berufsausbildung mit Abitur“. Das stellt doch die Margot H. glatt auf den Sockel! Immerhin ist diese Erfindung vor langer Zeit in der DDR getätigt worden (als Wiederentdeckung reformpädagogischer Ideen eines praxisbezogenen Unterrichts übrigens). Nun wird also mal gründlich erprobt, ob das funktioniert und welche Wirkungen es auf die Probanden hat. Den Schulforschern seien bereits jetzt einige bedenkliche Beispiele für Spätfolgen einer derartigen BAmA aufgezeigt: Der hallesche Lyriker Wilhelm Bartsch (geb. 1950), zweifellos eine der bedeutendsten literarischen Stimmen dieser Generation, hat dereinst die Berufsausbildung zum Rinderzüchter mit dem Abitur verbunden dürfen. Genauso wie André Schinkel, Vertreter der nächsten Generation und ebenfalls bereits mit zahlreichen Literaturpreisen geadelt. Offensichtlich hat die frühe Begegnung mit diversen Hornochsen und Rindviechern äußerst förderliche Effekte auf das ästhetische Empfinden und die künstlerische Kreativität. Liebe Kultusministerien, jetzt verstehe ich auch den Hintergrund des Modellversuchs: Deutschland soll so wieder zum Land der Dichter und Denker werden! Welch verteufelt schlauer Gedanke, Hut ab!
Und zu guter Letzt noch der entlarvende Hinweis, dass in Halle-Neustadt an einem Schulhort (der sich an den Ideen des französischen Reformpädagogen Celestin Freinet – bekanntermaßen überzeugter Verfechter einer sozialistischen Demokratie – orientiert!) die Zehn-, Zwölfjährigen ein Buchprojekt auf der Freinet‘schen Druckerpresse realisiert haben, das den Titel „Wenn Mutti früh zur Arbeit geht…“ trägt. Ist das nicht der Gipfel? Haben diese Sprösslinge des 21. Jahrhunderts etwa dazu auch jenes Lied gelernt, das ich vor einem halben Jahrhundert trällerte, während mir Mutti, bevor sie früh zur Arbeit ging, das blaue Halstuch ordentlich verknotete?
Wie gesagt – bleibt wachsam! Die Zeichen mehren sich, dass die Prinzen recht haben könnten: „Es war nicht alles schlecht…“!
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Donnerstag, 19. Januar 2012
Freud lässt grüßen
zirkustiger, 12:17h
Siebzehnter Januar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich hab immer noch meine Probleme mit diversen Formen des so genannten E-Learning. In einem bestimmten Umfeld – etwa der beruflichen Weiterbildung oder auch bei Schülern, die länger erkrankt sind – mögen derartige Angebote (zumeist als Ergänzung anderer Lernformen) ja ihre Berechtigung haben. Und Studenten bewegen sich auch schon ganz gern auf den Lernplattformen der Unis und Hochschulen (die Begeisterung der Hochschullehrerinnen und -lehrer ist übrigens nach meiner Beobachtung weitaus geringer), die allerdings eher Materialsammel- und -verteilstellen sind als wirkliche Orte des Lernens.
Suspekt sind mir aber vor allem die Versuche, diese Lernformen in der allgemeinbildenden Schule zu etablieren, verbunden mit euphorischen Heilsversprechungen (auch in Richtung der Lehrerschaft, für die dann alles leichter und besser würde). Ich vermute (bin ich zu argwöhnisch?) dahinter zunächst mal wirtschaftliche Interessen: SMART will Whiteboards vertickern, APPLE seine iPads und INTEL seine Prozessoren. Gut, die sollen ja auch leben, aber dabei bitte schön nicht so tun, als hinge das Heil der Pädagogik von ihren Segnungen ab. Jetzt geht ja der angebissene Apfel gerade in den USA in die Offensive: Man werde digitalisierte Schulbücher kostenfrei auf den eigenen Geräten (sprich: im geschlossenen Apple-Universum) anbieten und damit das gute alte Schulbuch zur Makulatur freigeben. Schon jubeln Gesundheitsexperten, wie leicht dann die Schultaschen werden, und die Kinder könnten sich dann noch ein paar Muffins und Burger mehr hineinstecken, um über die Runden zu kommen. Na ja, gut, nicht alles, was die Amis machen bzw. zulassen, machen wir unbesehen nach – die Zeiten sind zum Glück vorbei. Dennoch gibt es auch hierzulande naive und unbewiesene Vorstellungen, digitale Lernplattformen (allen voran die Open-Source-Allzweckwaffe „moodle“) könnten den Lernerfolg steigern und die Lehrkräfte dazu bringen, sich ihr Lehrmaterial in Kursen und Modulen selbst zu kreieren… Und diese Lernmodule und Moodlekurse – so die hochgesteckten Erwartungen – könnten dann unter den Lehrern verschiedener Schulen ausgetauscht werden, sodass in Bälde ein gewaltiger Pool an multimedialen Unterrichtseinheiten zum fröhlichen Tausch- und Nachnutzgeschäft bereitstünde… Hat das schon mal jemand ausprobiert? Ein Aufwand ohnegleichen; ich weiß, wovon ich rede. Und die Adaptierbarkeit durch andere Kolleginnen und Kollegen hält sich in engen Grenzen, das garantiere ich. Von den zahlreichen Urheberrechtsfragen mal ganz abgesehen, deren Verletzung bei unbedarftem Draufloswursteln droht (darauf spezialisierte Anwaltskanzleien dürften sich bereits heimlich die Hände reiben).
Ich habe jüngst an einer Arbeitstagung innerhalb eines derartigen Modellversuchs teilgenommen. Ich habe dabei vieles gezeigt bekommen, was durchaus hübsch anzusehen war. Allerdings hatte ich an keiner Stelle die erhellende Erkenntnis, den jeweiligen Stoff nicht auch auf die ach so verpönte traditionelle Weise vermitteln zu können (wer mit „traditionell“ immer gleich „veraltet“ meint, der sollte mal echte pädagogische Traditionen suchen – in der Reformpädagogik zum Beispiel von Freinet bis Reichwein, von Dewey bis Neill – und diese daraufhin abklopfen, was sie unserer heutigen Schule an zeitgemäßen Impulsen zu geben vermögen!).
Natürlich – die teilnehmenden Lehrer waren stolz auf das, was sie geleistet haben. Und das ist ja auch ihr gutes Recht. Der Aufwand dafür aber ist sehr hoch, wie alle zugaben. Unverhältnismäßig hoch – nach meiner unmaßgeblichen Meinung. Und eine Lehrerin brachte es in ihrem Vortrag ungewollt auf den Punkt, als sie im Brustton der Überzeugung verkündete: „Sicher kann man nicht jeden Lehrer damit begeistern, aber es gibt bereits ganz viele Kollegen, die dem E-Learning ganz aufgeschlossen entgegen stehen…“!
Diese Aufgeschlossenheit lob ich mir – und grüße Freud ganz herzlich zurück.
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich hab immer noch meine Probleme mit diversen Formen des so genannten E-Learning. In einem bestimmten Umfeld – etwa der beruflichen Weiterbildung oder auch bei Schülern, die länger erkrankt sind – mögen derartige Angebote (zumeist als Ergänzung anderer Lernformen) ja ihre Berechtigung haben. Und Studenten bewegen sich auch schon ganz gern auf den Lernplattformen der Unis und Hochschulen (die Begeisterung der Hochschullehrerinnen und -lehrer ist übrigens nach meiner Beobachtung weitaus geringer), die allerdings eher Materialsammel- und -verteilstellen sind als wirkliche Orte des Lernens.
Suspekt sind mir aber vor allem die Versuche, diese Lernformen in der allgemeinbildenden Schule zu etablieren, verbunden mit euphorischen Heilsversprechungen (auch in Richtung der Lehrerschaft, für die dann alles leichter und besser würde). Ich vermute (bin ich zu argwöhnisch?) dahinter zunächst mal wirtschaftliche Interessen: SMART will Whiteboards vertickern, APPLE seine iPads und INTEL seine Prozessoren. Gut, die sollen ja auch leben, aber dabei bitte schön nicht so tun, als hinge das Heil der Pädagogik von ihren Segnungen ab. Jetzt geht ja der angebissene Apfel gerade in den USA in die Offensive: Man werde digitalisierte Schulbücher kostenfrei auf den eigenen Geräten (sprich: im geschlossenen Apple-Universum) anbieten und damit das gute alte Schulbuch zur Makulatur freigeben. Schon jubeln Gesundheitsexperten, wie leicht dann die Schultaschen werden, und die Kinder könnten sich dann noch ein paar Muffins und Burger mehr hineinstecken, um über die Runden zu kommen. Na ja, gut, nicht alles, was die Amis machen bzw. zulassen, machen wir unbesehen nach – die Zeiten sind zum Glück vorbei. Dennoch gibt es auch hierzulande naive und unbewiesene Vorstellungen, digitale Lernplattformen (allen voran die Open-Source-Allzweckwaffe „moodle“) könnten den Lernerfolg steigern und die Lehrkräfte dazu bringen, sich ihr Lehrmaterial in Kursen und Modulen selbst zu kreieren… Und diese Lernmodule und Moodlekurse – so die hochgesteckten Erwartungen – könnten dann unter den Lehrern verschiedener Schulen ausgetauscht werden, sodass in Bälde ein gewaltiger Pool an multimedialen Unterrichtseinheiten zum fröhlichen Tausch- und Nachnutzgeschäft bereitstünde… Hat das schon mal jemand ausprobiert? Ein Aufwand ohnegleichen; ich weiß, wovon ich rede. Und die Adaptierbarkeit durch andere Kolleginnen und Kollegen hält sich in engen Grenzen, das garantiere ich. Von den zahlreichen Urheberrechtsfragen mal ganz abgesehen, deren Verletzung bei unbedarftem Draufloswursteln droht (darauf spezialisierte Anwaltskanzleien dürften sich bereits heimlich die Hände reiben).
Ich habe jüngst an einer Arbeitstagung innerhalb eines derartigen Modellversuchs teilgenommen. Ich habe dabei vieles gezeigt bekommen, was durchaus hübsch anzusehen war. Allerdings hatte ich an keiner Stelle die erhellende Erkenntnis, den jeweiligen Stoff nicht auch auf die ach so verpönte traditionelle Weise vermitteln zu können (wer mit „traditionell“ immer gleich „veraltet“ meint, der sollte mal echte pädagogische Traditionen suchen – in der Reformpädagogik zum Beispiel von Freinet bis Reichwein, von Dewey bis Neill – und diese daraufhin abklopfen, was sie unserer heutigen Schule an zeitgemäßen Impulsen zu geben vermögen!).
Natürlich – die teilnehmenden Lehrer waren stolz auf das, was sie geleistet haben. Und das ist ja auch ihr gutes Recht. Der Aufwand dafür aber ist sehr hoch, wie alle zugaben. Unverhältnismäßig hoch – nach meiner unmaßgeblichen Meinung. Und eine Lehrerin brachte es in ihrem Vortrag ungewollt auf den Punkt, als sie im Brustton der Überzeugung verkündete: „Sicher kann man nicht jeden Lehrer damit begeistern, aber es gibt bereits ganz viele Kollegen, die dem E-Learning ganz aufgeschlossen entgegen stehen…“!
Diese Aufgeschlossenheit lob ich mir – und grüße Freud ganz herzlich zurück.
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