Mittwoch, 20. Juni 2012
Über Medien und Wirklichkeit
zirkustiger, 09:07h
Also, dass Jogi Löw zu Zeiten einer EM immer für Schlagzeilen gut ist, wird niemanden verwundern. Zumal sein Team – also unsers – nun gegen die Griechen ran muss, die auf dem grünen Rasen ja mindestens genauso unbequem sind wie in der globalen Finanzpolitik. Aber in diesem Falle boten nicht die Ballkünste seiner Jungs (die ohnehin bisher nur selten aufblitzen) den Anlass für mediale Diskurse, sondern ein kleines Kabinettstückchen, das er selbst fabrizierte im Spiel gegen Dänemark: Millionen Fernsehzuschauer sahen in der 22. Minute (es stand noch nullzunull und damit gar nicht so gut für Deutschland) seinen kecken Lupfer, mit dem er einem Balljungen von hinten das runde Leder unterm Arm wegstupste. Verschmitzt lächelte er dabei, der Bundestrainer – schau an, dachten wir, so locker nimmt er das Gewürge auf dem Platz, wohl ahnend, dass uns am Ende ein debütierender Rechtsverteidiger allen Sorgen entheben würde. Ja, denkste: Inzwischen wissen wir nun alle, dass diese Szene bereits vor Spielbeginn passiert war und dann von der UEFA-Bildregie (nicht UFA, nein, wirklich: UEFA!) reingeschnitten wurde, ohne kenntlich zu machen, dass es sich hierbei um eine Aufzeichnung, eine MAZ also, handelt. Das Feuilleton tobte…
Medien konstruieren Wirklichkeit. Das wussten wir doch schon immer, und ich bin eigentlich dankbar, wenn so ein Beispiel mal aufgedeckt und damit als lehr- und erkenntnisreiches Exempel nutzbar gemacht wird. Insofern kann ich die Aufregung, mit der sich andere Medien in ihren Kommentaren auf das relativ zufällig gefundene Fressen stürzten, nicht recht nachvollziehen; zu vermuten ist, dass die es oft genau so machen, ohne dabei erwischt zu werden. „Eines Tages werden wir vielleicht unseren Augen nicht mehr trauen können“, las ich in einem der Kommentare, rieb mir selbige und fragte mich, ob das denn jemals in den letzten hundert Jahren möglich gewesen sei. Schließlich ist die Mediengeschichte übervoll an Beispielen, wie durch immer perfekter ausführbare Bildmanipulationen gefällige Realitäten hergestellt und missliebige Sachverhalte eliminiert wurden und werden. Wer Gelegenheit dazu hat: Die Ausstellung „X für U – Bilder, die lügen“ des Hauses für deutsche Geschichte tourt durch die Lande und ist immer mal an wechselnden Orten zu sehen – es lohnt sich. Und in ganz eigener Sache sei daran erinnert, dass an jenem denkwürdigen 9. November des Jahres 89 die ARD-Tagesschau, die gemeinhin als moralische Instanz für das Richtige, Wahre und Wahrhaftige gilt, um punkt 20 Uhr den Schriftzug „DDR öffnet Grenze“ einblendete. Da war es gerade mal eine Stunde her, dass der Genosse Schabowski seinen Knüllzettel verlesen hatte mit der Aussicht auf erleichterte Reisemöglichkeiten. Doch siehe da: zwei Stunden nach der ARD-Prophezeiung erfüllte das neugierig gewordene DDR-Volk sie sich selbst, und auf dem Ku’Damm knallten die Sektkorken mit den Trabi-Fehlzündungen um die Wette. Man stelle sich vor, am nächsten Tag wäre die ARD empört gerügt worden für ihren Eingriff in die Wirklichkeit: So, April, April, liebe Leute, wir drehen mal alles wieder auf Anfang und schließen die Grenze fein zu, damit ihr eure Anträge stellen könnt, wie es der Onkel Günther empfohlen hat.
Na, dann doch lieber die virtuelle Realität, in der wir seither leben dürfen, oder?
Medien konstruieren Wirklichkeit. Das wussten wir doch schon immer, und ich bin eigentlich dankbar, wenn so ein Beispiel mal aufgedeckt und damit als lehr- und erkenntnisreiches Exempel nutzbar gemacht wird. Insofern kann ich die Aufregung, mit der sich andere Medien in ihren Kommentaren auf das relativ zufällig gefundene Fressen stürzten, nicht recht nachvollziehen; zu vermuten ist, dass die es oft genau so machen, ohne dabei erwischt zu werden. „Eines Tages werden wir vielleicht unseren Augen nicht mehr trauen können“, las ich in einem der Kommentare, rieb mir selbige und fragte mich, ob das denn jemals in den letzten hundert Jahren möglich gewesen sei. Schließlich ist die Mediengeschichte übervoll an Beispielen, wie durch immer perfekter ausführbare Bildmanipulationen gefällige Realitäten hergestellt und missliebige Sachverhalte eliminiert wurden und werden. Wer Gelegenheit dazu hat: Die Ausstellung „X für U – Bilder, die lügen“ des Hauses für deutsche Geschichte tourt durch die Lande und ist immer mal an wechselnden Orten zu sehen – es lohnt sich. Und in ganz eigener Sache sei daran erinnert, dass an jenem denkwürdigen 9. November des Jahres 89 die ARD-Tagesschau, die gemeinhin als moralische Instanz für das Richtige, Wahre und Wahrhaftige gilt, um punkt 20 Uhr den Schriftzug „DDR öffnet Grenze“ einblendete. Da war es gerade mal eine Stunde her, dass der Genosse Schabowski seinen Knüllzettel verlesen hatte mit der Aussicht auf erleichterte Reisemöglichkeiten. Doch siehe da: zwei Stunden nach der ARD-Prophezeiung erfüllte das neugierig gewordene DDR-Volk sie sich selbst, und auf dem Ku’Damm knallten die Sektkorken mit den Trabi-Fehlzündungen um die Wette. Man stelle sich vor, am nächsten Tag wäre die ARD empört gerügt worden für ihren Eingriff in die Wirklichkeit: So, April, April, liebe Leute, wir drehen mal alles wieder auf Anfang und schließen die Grenze fein zu, damit ihr eure Anträge stellen könnt, wie es der Onkel Günther empfohlen hat.
Na, dann doch lieber die virtuelle Realität, in der wir seither leben dürfen, oder?
... link (0 Kommentare) ... comment
Donnerstag, 3. Mai 2012
Reservat der Worte | Ein Aufruf
zirkustiger, 16:14h
3. Mai
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht - aber ein Kriterium für die Qualität der gesprochenen wie geschriebenen Sprache ist zweifellos ein variantenreicher, stilsicher eingesetzter Wortschatz. Ebenso wie das Sprachsystem selbst ist der Wortschatz – also das Material, aus dem sich Sprache regelgerecht konstruiert – historischen Veränderungen unterworfen. Dazu gehört natürlich auch das Verschwinden, das Ab- und Aussterben von Worten, was unterschiedliche Gründe haben kann. Sicher ist nicht jedem Begriff nachzuweinen, der dem Vergessen anheimfällt, und seine bloße Weiterverwendung macht dort keinen Sinn, wo das damit Bezeichnete oder Gemeinte längst aus unserer Welt verschwunden ist. Andererseits kann die Reduktion des aktiven Wortschatzes zu einer deutlich sicht- und hörbaren Verarmung unserer sprachlichen Kommunikation führen. Das ist selbst durch Neologismen, also Wortneuschöpfungen, nicht zu verschleiern, zumal diese oftmals (man denke an SMS-Codes) eher ein Ausdruck dieser Spracharmut sind als ihre Therapie. Und bis zum „Neusprech“ der Gesellschaft, die uns George Orwell in „1984“ eindrucksvoll und warnend vor Augen führt, ist es dann nicht mehr weit.
Ich schlage deshalb vor, ein freundliches „Reservat für Worte“, die vom Aussterben bedroht sind, zu gründen. Lasst sie uns aufspüren, wiederbeleben, aufnehmen in unseren täglichen Sprachgebrauch. Räumen wir ihnen einen würdigen Platz ein in unserem Reservat und führen wir sie so vor Augen und Ohren all jener, denen ihr Ausdruck noch etwas wert ist. Eine Sprache lebt im und durch den Akt ihres Gebrauchs. Geben wir ihr diese Chance!
Soweit mein Aufruf. Was wäre zu tun? Ganz einfach: Wenn ihr auf seltene, selten gewordene Wörter stoßt, so schreibt sie einfach über die Kommentarfunktion an diesen Blogeintrag - gern mit ein paar eigenen Anmerkungen, einer Erinnerung, einer Anekdote. Worte, die ihr aus Kindertagen kennt, die man von den Großeltern gesprochen noch im Ohr hat und die vielleicht auch ein Gefühl von Geborgenheit und Heimat erzeugen. „Jetzt aber flugs!“, sagte meine Großmutter, wenn ich mal wieder nicht hurtig genug war. Wer sagt heute noch „flugs“ und „hurtig“? Da habe ich ja selbst schon die ersten Bewohner meines Wortreservats entdeckt… Und „anheimfallen“ habe ich ja eben schon im Aufruf gebraucht.
Wenn genug des aufmerksamen Schutzes bedürftige Worte zusammenkommen, lohnt es vielleicht, dafür eine Website zu basteln: www.reservat-der-worte.de. Die gibt es noch nicht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden – dank eurer Hilfe. Ich bin gespannt…
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht - aber ein Kriterium für die Qualität der gesprochenen wie geschriebenen Sprache ist zweifellos ein variantenreicher, stilsicher eingesetzter Wortschatz. Ebenso wie das Sprachsystem selbst ist der Wortschatz – also das Material, aus dem sich Sprache regelgerecht konstruiert – historischen Veränderungen unterworfen. Dazu gehört natürlich auch das Verschwinden, das Ab- und Aussterben von Worten, was unterschiedliche Gründe haben kann. Sicher ist nicht jedem Begriff nachzuweinen, der dem Vergessen anheimfällt, und seine bloße Weiterverwendung macht dort keinen Sinn, wo das damit Bezeichnete oder Gemeinte längst aus unserer Welt verschwunden ist. Andererseits kann die Reduktion des aktiven Wortschatzes zu einer deutlich sicht- und hörbaren Verarmung unserer sprachlichen Kommunikation führen. Das ist selbst durch Neologismen, also Wortneuschöpfungen, nicht zu verschleiern, zumal diese oftmals (man denke an SMS-Codes) eher ein Ausdruck dieser Spracharmut sind als ihre Therapie. Und bis zum „Neusprech“ der Gesellschaft, die uns George Orwell in „1984“ eindrucksvoll und warnend vor Augen führt, ist es dann nicht mehr weit.
Ich schlage deshalb vor, ein freundliches „Reservat für Worte“, die vom Aussterben bedroht sind, zu gründen. Lasst sie uns aufspüren, wiederbeleben, aufnehmen in unseren täglichen Sprachgebrauch. Räumen wir ihnen einen würdigen Platz ein in unserem Reservat und führen wir sie so vor Augen und Ohren all jener, denen ihr Ausdruck noch etwas wert ist. Eine Sprache lebt im und durch den Akt ihres Gebrauchs. Geben wir ihr diese Chance!
Soweit mein Aufruf. Was wäre zu tun? Ganz einfach: Wenn ihr auf seltene, selten gewordene Wörter stoßt, so schreibt sie einfach über die Kommentarfunktion an diesen Blogeintrag - gern mit ein paar eigenen Anmerkungen, einer Erinnerung, einer Anekdote. Worte, die ihr aus Kindertagen kennt, die man von den Großeltern gesprochen noch im Ohr hat und die vielleicht auch ein Gefühl von Geborgenheit und Heimat erzeugen. „Jetzt aber flugs!“, sagte meine Großmutter, wenn ich mal wieder nicht hurtig genug war. Wer sagt heute noch „flugs“ und „hurtig“? Da habe ich ja selbst schon die ersten Bewohner meines Wortreservats entdeckt… Und „anheimfallen“ habe ich ja eben schon im Aufruf gebraucht.
Wenn genug des aufmerksamen Schutzes bedürftige Worte zusammenkommen, lohnt es vielleicht, dafür eine Website zu basteln: www.reservat-der-worte.de. Die gibt es noch nicht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden – dank eurer Hilfe. Ich bin gespannt…
... link (0 Kommentare) ... comment
Samstag, 31. März 2012
Erst denken, dann handeln
zirkustiger, 16:50h
31. März
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich hoffe jedenfalls, dass den Piraten angesichts ihrer kruden Ideen von der großen Freiheit des Internet manchmal selbst mulmig wird. Zumindest jetzt nach den Aufrufen zum Lynchmord und der auf Facebook lauthals geforderten Todesstrafe für den irrtümlich als Tatverdächtigen im Mordfall der 11-jährigen Lena inhaftierten 17-jährigen Berufsschülers in Emden sollten auch Einäugige mit Enterhaken erkennen, dass eine maßvolle Regulation des Mediums unumgänglich ist. Sicher, die vorschnelle Präsentation des Jugendlichen durch eine offensichtlich mit ihrem „Fahndungserfolg“ selbstzufriedene Polizei ist nicht weniger problematisch, zeigt aber auch, wie groß der Druck auf die Ermittler angesichts dieser furchtbaren, unbegreiflichen Tat ist. Dann allerdings gewannen die Dinge eine Eigendynamik, die ebenso ungeheuerlich ist, und angesichts der scheinbaren Anonymität, die das Internet gewährt, werden Äußerungen laut, die nunmehr ein juristisches Nachspiel verlangen. Und zwar eins mit sichtbaren und schmerzhaften Konsequenzen.
Vielleicht aber führt dieser aufschreckende Fall (und das wäre in meinen Augen sein Gutes, wenn man davon hier überhaupt sprechen kann) zu einer kritischen Neubewertung jener Forderungen, die das Internet frei von jeglicher Kontrolle sehen wollen (was es de facto und dank Google & Co. ja längst nicht mehr ist) und die Meinung vertreten, in einem für alle offenen System regele sich alles schon irgendwie von selbst. Dann bräuchte der 17-Jährige jetzt keinen Polizeischutz. Ich will keineswegs einer staatlichen Zensur Vorschub leisten, doch ebenso wie andere Medien ihre insgesamt recht wirksamen Methoden einer freiwilligen Selbstkontrolle und – im Bedarfsfall – auch der Sanktionen gefunden haben, ist dies für das Internet dringend geboten. Dass wir es hier mit einer anderen medialen Qualität als bei Presse, Hörfunk, Film oder Fernsehen zu tun haben, muss mir niemand erklären. Dass man davor aber hilflos kapitulieren sollte, bitte auch nicht!
Hinzu kommt im konkreten Fall, dass Kindesmissbrauch seit Jahren ein beliebtes Argumentations- und Tummelfeld für Rechtsextremisten geworden ist: Unter dem Deckmantel von „Sauberkeit und Ordnung“ werden immer wieder Aktionen und Demos angemeldet, bei denen relativ schnell ein von der angeblich so reinen Volksseele angeköchelter Nationalismus finsterster Prägung zu Tage tritt. Dies hätten die Verantwortlichen der Polizei in Emden unbedingt bedenken müssen, bevor eilig ein Erfolg vermeldet und personell festgemacht wird, der sich rasch als Schlag ins Wasser herausgestellt. Und als Schlag ins Gesicht jener, die vom Tod des Mädchens wirklich betroffen sind und die ganz gewiss nicht wollen, dass braun- oder schwarzbeflaggte Trittbrettfahrer aus diesem traumatisierenden Umstand Kapital schlagen.
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich hoffe jedenfalls, dass den Piraten angesichts ihrer kruden Ideen von der großen Freiheit des Internet manchmal selbst mulmig wird. Zumindest jetzt nach den Aufrufen zum Lynchmord und der auf Facebook lauthals geforderten Todesstrafe für den irrtümlich als Tatverdächtigen im Mordfall der 11-jährigen Lena inhaftierten 17-jährigen Berufsschülers in Emden sollten auch Einäugige mit Enterhaken erkennen, dass eine maßvolle Regulation des Mediums unumgänglich ist. Sicher, die vorschnelle Präsentation des Jugendlichen durch eine offensichtlich mit ihrem „Fahndungserfolg“ selbstzufriedene Polizei ist nicht weniger problematisch, zeigt aber auch, wie groß der Druck auf die Ermittler angesichts dieser furchtbaren, unbegreiflichen Tat ist. Dann allerdings gewannen die Dinge eine Eigendynamik, die ebenso ungeheuerlich ist, und angesichts der scheinbaren Anonymität, die das Internet gewährt, werden Äußerungen laut, die nunmehr ein juristisches Nachspiel verlangen. Und zwar eins mit sichtbaren und schmerzhaften Konsequenzen.
Vielleicht aber führt dieser aufschreckende Fall (und das wäre in meinen Augen sein Gutes, wenn man davon hier überhaupt sprechen kann) zu einer kritischen Neubewertung jener Forderungen, die das Internet frei von jeglicher Kontrolle sehen wollen (was es de facto und dank Google & Co. ja längst nicht mehr ist) und die Meinung vertreten, in einem für alle offenen System regele sich alles schon irgendwie von selbst. Dann bräuchte der 17-Jährige jetzt keinen Polizeischutz. Ich will keineswegs einer staatlichen Zensur Vorschub leisten, doch ebenso wie andere Medien ihre insgesamt recht wirksamen Methoden einer freiwilligen Selbstkontrolle und – im Bedarfsfall – auch der Sanktionen gefunden haben, ist dies für das Internet dringend geboten. Dass wir es hier mit einer anderen medialen Qualität als bei Presse, Hörfunk, Film oder Fernsehen zu tun haben, muss mir niemand erklären. Dass man davor aber hilflos kapitulieren sollte, bitte auch nicht!
Hinzu kommt im konkreten Fall, dass Kindesmissbrauch seit Jahren ein beliebtes Argumentations- und Tummelfeld für Rechtsextremisten geworden ist: Unter dem Deckmantel von „Sauberkeit und Ordnung“ werden immer wieder Aktionen und Demos angemeldet, bei denen relativ schnell ein von der angeblich so reinen Volksseele angeköchelter Nationalismus finsterster Prägung zu Tage tritt. Dies hätten die Verantwortlichen der Polizei in Emden unbedingt bedenken müssen, bevor eilig ein Erfolg vermeldet und personell festgemacht wird, der sich rasch als Schlag ins Wasser herausgestellt. Und als Schlag ins Gesicht jener, die vom Tod des Mädchens wirklich betroffen sind und die ganz gewiss nicht wollen, dass braun- oder schwarzbeflaggte Trittbrettfahrer aus diesem traumatisierenden Umstand Kapital schlagen.
... link (0 Kommentare) ... comment
Donnerstag, 29. März 2012
Aufregung im Hühnerstall
zirkustiger, 21:29h
29. März
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – mich fesselt die aktuelle Debatte um die TV-Talk-Kultur derzeit doch mächtig. Selbst Bundestagspräsident Norbert Lammert meldet sich da zu Wort und erwartet, dass der Polit-Talk sich in Kürze von selbst totläuft: Die üblichen Verdächtigen gäben sich bei Illner, Plasberg und Jauch die Klinke in die Hand, murrt er, und die Moderatoren sähen ihre Funktion darin, spätestens dann, wenn die ernsthafte Debatte eines ernsthaften Problems drohe, lenkend einzugreifen, um wieder in seichteres Fahrwasser zu geraten. Dass im Fernsehen vieles, wenn nicht alles zur Unterhaltung gerät, hat uns Neil Postman in „Wir amüsieren uns zu Tode“ (Huxleys „Schöne neue Welt“ stand Pate) schon vor einem reichlichen Vierteljahrhundert gepredigt. Und Marshall McLuhan hat es Jahre vorher auch schon gewusst: „The medium is the message“ – das Medium beeinflusst den Charakter dessen, was darüber verbreitet wird. Und daran hat sich offenbar wenig geändert.
Aber das Thema hat ja viele Fassetten. Da ist das mitunter nicht von Häme freie Mitleiden mit dem großen Blonden, der nunmehr vom ZDF-Samstagabend auf den Vorabend der ARD gerutscht ist und dabei seine vielen Fans verloren zu haben scheint. Aber mal ehrlich: Wer will…; nein: Wer kann denn Gottschalk um diese Zeit sehen? Da werden doch Babys gewickelt und Pizzen bestellt, da schaut man noch mal rasch in die Zeitung, was um 20.15 Uhr kommt oder ob man doch lieber ins Kino ausweicht, da fällt hier und da wohl auch ein kleines Nickerchen ab oder der Gassi-Gang mit Moppi steht an. Und wenn der Frühling erst mal richtig da ist, dass man wieder ohne Blasenentzündungsgefahr auf dem Rasen sitzen kann, dann werden auch die inzwischen georderten Studiozuschauer das Format nicht retten. Wetten dass…?
Nun aber hat es auch den Altmeister erwischt: „Dirty Harry“ muss bei Sat1 seinen Hut nehmen: Die Quoten seines LateNight-Talks sind so tief im Keller, dass nicht mal der (also der gedachte Hut auf dem weißen Haupt von Harald Schmidt) noch daraus hervorlugt. Allenthalben großes Bedauern – Schmidt sei schließlich einer der Miterfinder und prägenden Gestalter des Formats gewesen; was war das seinerzeit noch toll mit Herbert Feuerstein im ungleichen Duo, aber na ja, die Zeit bleibt nicht stehen.
Apropos: Vielleicht ist die Zeit des inflationären TV-Gequassels ja tatsächlich vorbei? Sozusagen gegessen: Das erinnert mich an meine Kindheitserlebnisse beim Bauern in der Nachbarschaft. Die dort ständig den Hof vollscheißende Hühnerschar dokumentierte ihre Schwarmintelligenz vor allem durch lautstarkes „Talk, talk, talk, talk, talk…“. Und Bauer Lindemann brummte dazu: „Wartet nur, bald landet ihr sowieso im Topf!“
Wohl bekomm's! Und dann darf man gespannt sein, was uns im After-Talk-Zeitalter erwartet…
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – mich fesselt die aktuelle Debatte um die TV-Talk-Kultur derzeit doch mächtig. Selbst Bundestagspräsident Norbert Lammert meldet sich da zu Wort und erwartet, dass der Polit-Talk sich in Kürze von selbst totläuft: Die üblichen Verdächtigen gäben sich bei Illner, Plasberg und Jauch die Klinke in die Hand, murrt er, und die Moderatoren sähen ihre Funktion darin, spätestens dann, wenn die ernsthafte Debatte eines ernsthaften Problems drohe, lenkend einzugreifen, um wieder in seichteres Fahrwasser zu geraten. Dass im Fernsehen vieles, wenn nicht alles zur Unterhaltung gerät, hat uns Neil Postman in „Wir amüsieren uns zu Tode“ (Huxleys „Schöne neue Welt“ stand Pate) schon vor einem reichlichen Vierteljahrhundert gepredigt. Und Marshall McLuhan hat es Jahre vorher auch schon gewusst: „The medium is the message“ – das Medium beeinflusst den Charakter dessen, was darüber verbreitet wird. Und daran hat sich offenbar wenig geändert.
Aber das Thema hat ja viele Fassetten. Da ist das mitunter nicht von Häme freie Mitleiden mit dem großen Blonden, der nunmehr vom ZDF-Samstagabend auf den Vorabend der ARD gerutscht ist und dabei seine vielen Fans verloren zu haben scheint. Aber mal ehrlich: Wer will…; nein: Wer kann denn Gottschalk um diese Zeit sehen? Da werden doch Babys gewickelt und Pizzen bestellt, da schaut man noch mal rasch in die Zeitung, was um 20.15 Uhr kommt oder ob man doch lieber ins Kino ausweicht, da fällt hier und da wohl auch ein kleines Nickerchen ab oder der Gassi-Gang mit Moppi steht an. Und wenn der Frühling erst mal richtig da ist, dass man wieder ohne Blasenentzündungsgefahr auf dem Rasen sitzen kann, dann werden auch die inzwischen georderten Studiozuschauer das Format nicht retten. Wetten dass…?
Nun aber hat es auch den Altmeister erwischt: „Dirty Harry“ muss bei Sat1 seinen Hut nehmen: Die Quoten seines LateNight-Talks sind so tief im Keller, dass nicht mal der (also der gedachte Hut auf dem weißen Haupt von Harald Schmidt) noch daraus hervorlugt. Allenthalben großes Bedauern – Schmidt sei schließlich einer der Miterfinder und prägenden Gestalter des Formats gewesen; was war das seinerzeit noch toll mit Herbert Feuerstein im ungleichen Duo, aber na ja, die Zeit bleibt nicht stehen.
Apropos: Vielleicht ist die Zeit des inflationären TV-Gequassels ja tatsächlich vorbei? Sozusagen gegessen: Das erinnert mich an meine Kindheitserlebnisse beim Bauern in der Nachbarschaft. Die dort ständig den Hof vollscheißende Hühnerschar dokumentierte ihre Schwarmintelligenz vor allem durch lautstarkes „Talk, talk, talk, talk, talk…“. Und Bauer Lindemann brummte dazu: „Wartet nur, bald landet ihr sowieso im Topf!“
Wohl bekomm's! Und dann darf man gespannt sein, was uns im After-Talk-Zeitalter erwartet…
... link (0 Kommentare) ... comment
Dienstag, 6. März 2012
Noch mal Glück gehabt
zirkustiger, 20:43h
6. März
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – mich hat es jedenfalls nicht überrascht, auf welche Weise die Kaulitz-Brüder soeben aus der Versenkung auftauchen und wieder ein paar Zeilen in den Gazetten gewidmet bekommen. Da hocken sie nun seit anderthalb Jahren in den USA mit jenem Menschen, der sich bei ihnen ja angeblich um alles kümmert, rum, um an einem neuen Album zu basteln, auf das wohl nicht mal mehr die kreischenden Teenies von einst wirklich warten. Was sollen sie auch mit diesem ausgemergelten und selbst verunstalteten Jammerlappen anfangen, den uns die Paparazzi da frei Haus servieren? Und der mal ihr Idol war: Der Bill aus Magdeburg mit der schwarz gestylten Mähne und dem glatten, weißen Mädchen-Gesicht, der süße kleine Bruder von Tom, der hinter den gepiercten Ohren immer noch grün und feucht schien, und der Sohn von Eltern, die ihre Aufsichtspflicht für ihre minderjährigen Sprösslinge auf sträfliche Weise vernachlässigt haben und dennoch keinen Richter fürchten müssen (fürchte ich).
Gregor und Gustav, die im Schatten als Rhythmusgruppe auch nicht schlecht vor sich hin vegetierten, scheinen ja irgendwie den Absprung gekriegt zu haben; schön für sie – was mögen sie nun denken über das Brüderpaar, dem das Rampenlicht so rasch die Seele verätzt hat? Dabei war es doch so schön still um sie alle geworden seit dem Monsun und dem Schrei – selbst die Tokio-Hotel-Witze-Seiten im Internet haben seit 2009 kaum neues Material erhalten (also konnten schon da viele nicht mehr drüber lachen).
Das habe ich gewusst, dass es so endet, sagt meine Frau und schaut mich über die Zeitung hinweg an. Du hast es schon damals gesagt, bestätige ich.
Und denke, klar wolltest du auch in dem Alter groß rauskommen. Und der Teufel greift sich bekanntlich jeden kleinen Finger, und die Hand dran, und den Mann. Man muss ja direkt froh sein, dass man selber nie wirklich in diese Versuchung kam. Was hätte nicht alles passieren können, als ich mir mit 14 die erste Gitarre bezupfte?! Und mit 17 dann das Herzklopfen in der Schüler-Combo: Nachmittags im „Haus der Jungend“ zum Tanztee! Nicht ein BH flog auf die Bühne! Dabei hatte ich meine Akne übersalbt, so gut es ging, und sang, so schön ich konnte: „Heart of stone“ und „Bad moon rising“. Und „Anna-Maria“, das war von den Roten Gitarren und ein echter Büchsenöffner, wie die Jungs aus der Zwölften grinsend klugschissen, wenn sie mit unseren Mädels (denen aus der Elften) abzogen, während wir noch die Boxen in den Instrumentenkeller schleppen mussten. Über der Bühne hing noch die Losung zum 1. Mai (oder zum Frauentag?), und das magere Honorar floss in die Raten für die Anlage, die wir unseren musikalischen Vorgängern an der Schule abgekauft hatten. In deren Reihen saß übrigens ein späterer Wirtschaftsminister am Schlagzeug (was im Klartext heißt, dass wir einen Haufen Geld für den Mist hingelegt haben). Natürlich war diese Karriere damals nicht unbedingt abzusehen, obwohl uns schon klar war, dass es nur am Schlagzeug ein schweres Leben für ihn werden würde.
So viel zu den alten Zeiten, in denen auch ich das Pech hätte haben können, wie Bill und Tom zu enden.
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – mich hat es jedenfalls nicht überrascht, auf welche Weise die Kaulitz-Brüder soeben aus der Versenkung auftauchen und wieder ein paar Zeilen in den Gazetten gewidmet bekommen. Da hocken sie nun seit anderthalb Jahren in den USA mit jenem Menschen, der sich bei ihnen ja angeblich um alles kümmert, rum, um an einem neuen Album zu basteln, auf das wohl nicht mal mehr die kreischenden Teenies von einst wirklich warten. Was sollen sie auch mit diesem ausgemergelten und selbst verunstalteten Jammerlappen anfangen, den uns die Paparazzi da frei Haus servieren? Und der mal ihr Idol war: Der Bill aus Magdeburg mit der schwarz gestylten Mähne und dem glatten, weißen Mädchen-Gesicht, der süße kleine Bruder von Tom, der hinter den gepiercten Ohren immer noch grün und feucht schien, und der Sohn von Eltern, die ihre Aufsichtspflicht für ihre minderjährigen Sprösslinge auf sträfliche Weise vernachlässigt haben und dennoch keinen Richter fürchten müssen (fürchte ich).
Gregor und Gustav, die im Schatten als Rhythmusgruppe auch nicht schlecht vor sich hin vegetierten, scheinen ja irgendwie den Absprung gekriegt zu haben; schön für sie – was mögen sie nun denken über das Brüderpaar, dem das Rampenlicht so rasch die Seele verätzt hat? Dabei war es doch so schön still um sie alle geworden seit dem Monsun und dem Schrei – selbst die Tokio-Hotel-Witze-Seiten im Internet haben seit 2009 kaum neues Material erhalten (also konnten schon da viele nicht mehr drüber lachen).
Das habe ich gewusst, dass es so endet, sagt meine Frau und schaut mich über die Zeitung hinweg an. Du hast es schon damals gesagt, bestätige ich.
Und denke, klar wolltest du auch in dem Alter groß rauskommen. Und der Teufel greift sich bekanntlich jeden kleinen Finger, und die Hand dran, und den Mann. Man muss ja direkt froh sein, dass man selber nie wirklich in diese Versuchung kam. Was hätte nicht alles passieren können, als ich mir mit 14 die erste Gitarre bezupfte?! Und mit 17 dann das Herzklopfen in der Schüler-Combo: Nachmittags im „Haus der Jungend“ zum Tanztee! Nicht ein BH flog auf die Bühne! Dabei hatte ich meine Akne übersalbt, so gut es ging, und sang, so schön ich konnte: „Heart of stone“ und „Bad moon rising“. Und „Anna-Maria“, das war von den Roten Gitarren und ein echter Büchsenöffner, wie die Jungs aus der Zwölften grinsend klugschissen, wenn sie mit unseren Mädels (denen aus der Elften) abzogen, während wir noch die Boxen in den Instrumentenkeller schleppen mussten. Über der Bühne hing noch die Losung zum 1. Mai (oder zum Frauentag?), und das magere Honorar floss in die Raten für die Anlage, die wir unseren musikalischen Vorgängern an der Schule abgekauft hatten. In deren Reihen saß übrigens ein späterer Wirtschaftsminister am Schlagzeug (was im Klartext heißt, dass wir einen Haufen Geld für den Mist hingelegt haben). Natürlich war diese Karriere damals nicht unbedingt abzusehen, obwohl uns schon klar war, dass es nur am Schlagzeug ein schweres Leben für ihn werden würde.
So viel zu den alten Zeiten, in denen auch ich das Pech hätte haben können, wie Bill und Tom zu enden.
... link (0 Kommentare) ... comment
Montag, 27. Februar 2012
Ein Flop kommt selten allein
zirkustiger, 15:19h
27. Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber mir stellt sich dieser graue Blechkasten, genannt Personalcomputer, an dessen Tastatur ich dies gerade schreibe, als eine Ehrfurcht einflößende Blackbox dar. Was drinnen abgeht zwischen Prozessor und Festplatte, Laufwerken und Arbeitsspeichern, das will ich gar nicht wissen. Verstehen würde ich es ohnehin nicht. Allerdings käme ich auch nicht ernsthaft auf den Gedanken, dieser Kiste so etwas wie Intelligenz zuzubilligen. Dazu sind mir ihre häufigen Fehlermeldungen viel zu dämlich formuliert. Wie sagte ein geschätzter ehemaliger Kollege stets: Das intellektuelle Problem sitzt immer vor dem Computer… Gott sei Dank, und so sollte es auch bleiben!
Nun aber schreckt mich diese Meldung auf: Der schnellste Computer Deutschlands sei kürzlich in Stuttgart in Betrieb gegangen. Das Bundesforschungsministerium habe ihn „Hermit“ getauft, was ja so viel wie Einsiedler oder Eremit bedeutet. Komischer Name für einen Superrechner, oder? Man hat sofort Stanley Kubricks HAL im Hinterkopf, der in „2001 – Odyssee im Weltraum“ ja auch ausgesprochen eigenbrötlerisch agiert. Jedenfalls scheint diese schwäbische Maschine meinen Home-PC doch deutlich zu übertreffen, nicht nur durch ihre 20-tausendfache Rechenleistung, nein: Diese Maschine besitzt ganz offensichtlich Intelligenz, und noch dazu eine uns weit überlegene. Wie sonst wäre die Pressemeldung zu deuten, Hermit solle künftig „unter anderem komplexe Fragestellungen aus den Bereichen Gesundheit, Energie, Umwelt und Mobilität beantworten“?! Ja, genau, richtig gehört & gelesen: beantworten! Nicht etwa uns bei deren Beantwortung unterstützen, nein – wir delegieren all diese brennenden Fragen mal weiter an HAL, äh, Hermit, und der wird es dann schon richten. Das macht mich hilflos und froh, denn natürlich bin ich auch dringend an Antworten interessiert.
Zweifel bleiben dennoch. Das hat aber wohl mehr mit meiner Sprachsensibilität zu tun. Die Leistungsfähigkeit von Hermit wird nämlich mit einem Petaflop angegeben. Petaflop? Man kennt ja so diverse Flops in Politik und Wirtschaft, Medien und Alltag (Dick Fosburys erfolgreiche Rolle rückwärts ist da eher die positive Ausnahme). Und auch, wenn mir gesagt wird, dass Petaflop (nomen est omen?) die Maßeinheit für eine Billiarde Rechenleistungen pro Sekunde darstellt, hoffe ich nur, dass uns in diesem Falle nicht ein Mega-Flop droht. Zumindest bezüglich der Erwartung, dass so ein elektronisches Superhirn jene „komplexen Fragestellungen“ zu lösen vermag, für deren Beantwortung wir uns gefälligst selber – und möglichst gemeinsam – auf den Hosenboden (und die Gehirnwindungen in Gang) setzen sollten…
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber mir stellt sich dieser graue Blechkasten, genannt Personalcomputer, an dessen Tastatur ich dies gerade schreibe, als eine Ehrfurcht einflößende Blackbox dar. Was drinnen abgeht zwischen Prozessor und Festplatte, Laufwerken und Arbeitsspeichern, das will ich gar nicht wissen. Verstehen würde ich es ohnehin nicht. Allerdings käme ich auch nicht ernsthaft auf den Gedanken, dieser Kiste so etwas wie Intelligenz zuzubilligen. Dazu sind mir ihre häufigen Fehlermeldungen viel zu dämlich formuliert. Wie sagte ein geschätzter ehemaliger Kollege stets: Das intellektuelle Problem sitzt immer vor dem Computer… Gott sei Dank, und so sollte es auch bleiben!
Nun aber schreckt mich diese Meldung auf: Der schnellste Computer Deutschlands sei kürzlich in Stuttgart in Betrieb gegangen. Das Bundesforschungsministerium habe ihn „Hermit“ getauft, was ja so viel wie Einsiedler oder Eremit bedeutet. Komischer Name für einen Superrechner, oder? Man hat sofort Stanley Kubricks HAL im Hinterkopf, der in „2001 – Odyssee im Weltraum“ ja auch ausgesprochen eigenbrötlerisch agiert. Jedenfalls scheint diese schwäbische Maschine meinen Home-PC doch deutlich zu übertreffen, nicht nur durch ihre 20-tausendfache Rechenleistung, nein: Diese Maschine besitzt ganz offensichtlich Intelligenz, und noch dazu eine uns weit überlegene. Wie sonst wäre die Pressemeldung zu deuten, Hermit solle künftig „unter anderem komplexe Fragestellungen aus den Bereichen Gesundheit, Energie, Umwelt und Mobilität beantworten“?! Ja, genau, richtig gehört & gelesen: beantworten! Nicht etwa uns bei deren Beantwortung unterstützen, nein – wir delegieren all diese brennenden Fragen mal weiter an HAL, äh, Hermit, und der wird es dann schon richten. Das macht mich hilflos und froh, denn natürlich bin ich auch dringend an Antworten interessiert.
Zweifel bleiben dennoch. Das hat aber wohl mehr mit meiner Sprachsensibilität zu tun. Die Leistungsfähigkeit von Hermit wird nämlich mit einem Petaflop angegeben. Petaflop? Man kennt ja so diverse Flops in Politik und Wirtschaft, Medien und Alltag (Dick Fosburys erfolgreiche Rolle rückwärts ist da eher die positive Ausnahme). Und auch, wenn mir gesagt wird, dass Petaflop (nomen est omen?) die Maßeinheit für eine Billiarde Rechenleistungen pro Sekunde darstellt, hoffe ich nur, dass uns in diesem Falle nicht ein Mega-Flop droht. Zumindest bezüglich der Erwartung, dass so ein elektronisches Superhirn jene „komplexen Fragestellungen“ zu lösen vermag, für deren Beantwortung wir uns gefälligst selber – und möglichst gemeinsam – auf den Hosenboden (und die Gehirnwindungen in Gang) setzen sollten…
... link (0 Kommentare) ... comment
Samstag, 25. Februar 2012
Gefrorene Bilderfluten
zirkustiger, 14:51h
25. Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich habe immer öfter das Gefühl, in einer Bilderflut zu versinken. Nein, nein, ich meine das gar nicht medienpädagogisch angesichts der allgegenwärtigen visuellen Schwemme, die uns aus diversen Bildschirmen entgegenströmt, sondern ganz selbstkritisch: Meine Bilderflut ist nämlich haus- und handgemacht. Sozusagen, denn die Hand (genauer mein rechter Zeigefinger) bedient ja den Auslöser meiner Digitalfotokamera, die ich dank großer Speicherkarte gern auf alles draufhalte, was mir irgendwie interessant, auffällig und des Merkens wert erscheint. Das ist auch gar nichts Neues, denn fotografiert hab ich schon immer gern. Aber eben doch anders – man erinnere sich an die Zeiten der 36-Aufnahmen-ORWO-Kleinbildfilme, wo man immer schon im Kopf mitrechnete, was das Entwickeln wieder kosten würde, sodass man sich erst mal die Negative genau anschaute und penibel auswählte, was dann wirklich den verdienten Weg ins Fotoalbum fand. Diese Alben liegen heute in der Kommode, und es fällt mir schon schwer, die 80 legitimierten Fotos vom ersten Tunesien-Urlaub nach der Wende am Stück anzuschauen. Dabei ist das nichts gegen heute! Die Bilder erleben eine Inflation ohnegleichen. Anfangs dachte ich noch: Na ja, ist ja schön, so eine große Auswahl zu haben, da setzt du dich einfach an den Computer, klickst alles durch und schmeißt das raus, was doppelt ist, verwackelt, unscharf oder sonstwie nichts geworden. Ja, denkste! Nach den ersten Stunden, die ich damit zugebracht habe, bin ich dazu übergegangen, erstmal alles abzuspeichern. In getrennten Ordnern. Die Dateien tragen alle Nummern, immerhin. Und irgendwann – so mein (Irr-?)Glaube – kommt die Zeit, da werde ich mich dransetzen und die ultimative Auswahl treffen. Wenn ich Rentner bin. – Mal ehrlich: Ich glaube das ja selber nicht. Zumal ich nicht weiß, wen diese ultimative Auswahl dann noch interessieren sollte.
Bestes Beispiel ist der aktuelle Anlass meines Nachdenkens: Der Eiswinter 2012. Wir hatten ja wirklich ein paar schweinekalte Tage. Knackige 20 Grad minus in der Nacht. Und was selten passiert, geschah: Die Saale fror zu. Von Tag zu Tag ein bisschen mehr. Das ist schon ein schöner Anblick, wenn sich am Tag dann ein eisblauer Himmel drüber wölbt und die flach stehende Sonne alles glitzern lässt. Da bin ich also jeden Tag los und habe fotografiert. Nach rechts und nach links, in der Totale und mit Zoom. Schließlich durfte mein Zeigefinger nicht einfrieren, also war er ständig in Bewegung. Und noch mal diese Perspektive durch die Brücke durch, und dann mit dem bereiften Zweig im Vordergrund. Das eingefrorene Schiff. Die Ente auf einem Bein. Und so weiter. Und am nächsten Tag noch mal von vorn…
Nun ist das Wetter umgeschlagen. „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche…“ jubelt es poetisch in mir. Nach einem kurzen Rundgang an der wieder flüssigen Saale hellem Strande sitze ich am PC und lade die frostigen Bilder auf die Multimedia-Festplatte: 639 Dateien. Wow, das hätte ich nicht gedacht. Die Speicherkarte war doch nicht mal halb voll?! Ich klicke die ersten Bilder durch… Komisch, irgendwie sieht das immer gleich aus. Na ja, gut, Eis ist halt weiß. Der Himmel schön blau. Ab und zu ist es mir auch gelungen, ein paar Familienmitglieder ins Bild zu kriegen. Meist aber doch Eis, Enten, Himmel, Bäume. 639 mal. Na toll. Welches ist nun das ultimative Bild, das ich einst meinen noch ungeborenen Enkeln zeige, wenn sie fragen: Großvater, wie war das noch gleich, als im Februar 2012 die Saale zugefroren war…?! Tja eben – gute Frage!
Dabei ist doch viel spannender, wenn ich ihnen berichte, dass die Saale nicht mal in dem strengen Winter anno ’79 zugefroren war, als die DDR im Frost erstarrte: Zu viel Frostschutz-Chemie im Saale-Wasser, das benzolschillernd und schaumbekrönt der Vereisung trotzte. Und dass es nun sogar so fest zufriert, dass sich ein paar Leichtsinnige nicht abhalten lassen, den „Krug zum Grünen Kranze“ auf dem Eisweg zu besuchen! Dann rezitiere ich das pädagogische Lieblingsgedicht meiner Großmutter („Gefroren hat es heuer | noch gar kein festes Eis. | Das Büblein steht am Weiher | und sagt zu sich: Wer weiß…“). Und zeige vielleicht dieses eine Bild. Und lösche jetzt die übrigen 638 – delate!
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich habe immer öfter das Gefühl, in einer Bilderflut zu versinken. Nein, nein, ich meine das gar nicht medienpädagogisch angesichts der allgegenwärtigen visuellen Schwemme, die uns aus diversen Bildschirmen entgegenströmt, sondern ganz selbstkritisch: Meine Bilderflut ist nämlich haus- und handgemacht. Sozusagen, denn die Hand (genauer mein rechter Zeigefinger) bedient ja den Auslöser meiner Digitalfotokamera, die ich dank großer Speicherkarte gern auf alles draufhalte, was mir irgendwie interessant, auffällig und des Merkens wert erscheint. Das ist auch gar nichts Neues, denn fotografiert hab ich schon immer gern. Aber eben doch anders – man erinnere sich an die Zeiten der 36-Aufnahmen-ORWO-Kleinbildfilme, wo man immer schon im Kopf mitrechnete, was das Entwickeln wieder kosten würde, sodass man sich erst mal die Negative genau anschaute und penibel auswählte, was dann wirklich den verdienten Weg ins Fotoalbum fand. Diese Alben liegen heute in der Kommode, und es fällt mir schon schwer, die 80 legitimierten Fotos vom ersten Tunesien-Urlaub nach der Wende am Stück anzuschauen. Dabei ist das nichts gegen heute! Die Bilder erleben eine Inflation ohnegleichen. Anfangs dachte ich noch: Na ja, ist ja schön, so eine große Auswahl zu haben, da setzt du dich einfach an den Computer, klickst alles durch und schmeißt das raus, was doppelt ist, verwackelt, unscharf oder sonstwie nichts geworden. Ja, denkste! Nach den ersten Stunden, die ich damit zugebracht habe, bin ich dazu übergegangen, erstmal alles abzuspeichern. In getrennten Ordnern. Die Dateien tragen alle Nummern, immerhin. Und irgendwann – so mein (Irr-?)Glaube – kommt die Zeit, da werde ich mich dransetzen und die ultimative Auswahl treffen. Wenn ich Rentner bin. – Mal ehrlich: Ich glaube das ja selber nicht. Zumal ich nicht weiß, wen diese ultimative Auswahl dann noch interessieren sollte.
Bestes Beispiel ist der aktuelle Anlass meines Nachdenkens: Der Eiswinter 2012. Wir hatten ja wirklich ein paar schweinekalte Tage. Knackige 20 Grad minus in der Nacht. Und was selten passiert, geschah: Die Saale fror zu. Von Tag zu Tag ein bisschen mehr. Das ist schon ein schöner Anblick, wenn sich am Tag dann ein eisblauer Himmel drüber wölbt und die flach stehende Sonne alles glitzern lässt. Da bin ich also jeden Tag los und habe fotografiert. Nach rechts und nach links, in der Totale und mit Zoom. Schließlich durfte mein Zeigefinger nicht einfrieren, also war er ständig in Bewegung. Und noch mal diese Perspektive durch die Brücke durch, und dann mit dem bereiften Zweig im Vordergrund. Das eingefrorene Schiff. Die Ente auf einem Bein. Und so weiter. Und am nächsten Tag noch mal von vorn…
Nun ist das Wetter umgeschlagen. „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche…“ jubelt es poetisch in mir. Nach einem kurzen Rundgang an der wieder flüssigen Saale hellem Strande sitze ich am PC und lade die frostigen Bilder auf die Multimedia-Festplatte: 639 Dateien. Wow, das hätte ich nicht gedacht. Die Speicherkarte war doch nicht mal halb voll?! Ich klicke die ersten Bilder durch… Komisch, irgendwie sieht das immer gleich aus. Na ja, gut, Eis ist halt weiß. Der Himmel schön blau. Ab und zu ist es mir auch gelungen, ein paar Familienmitglieder ins Bild zu kriegen. Meist aber doch Eis, Enten, Himmel, Bäume. 639 mal. Na toll. Welches ist nun das ultimative Bild, das ich einst meinen noch ungeborenen Enkeln zeige, wenn sie fragen: Großvater, wie war das noch gleich, als im Februar 2012 die Saale zugefroren war…?! Tja eben – gute Frage!
Dabei ist doch viel spannender, wenn ich ihnen berichte, dass die Saale nicht mal in dem strengen Winter anno ’79 zugefroren war, als die DDR im Frost erstarrte: Zu viel Frostschutz-Chemie im Saale-Wasser, das benzolschillernd und schaumbekrönt der Vereisung trotzte. Und dass es nun sogar so fest zufriert, dass sich ein paar Leichtsinnige nicht abhalten lassen, den „Krug zum Grünen Kranze“ auf dem Eisweg zu besuchen! Dann rezitiere ich das pädagogische Lieblingsgedicht meiner Großmutter („Gefroren hat es heuer | noch gar kein festes Eis. | Das Büblein steht am Weiher | und sagt zu sich: Wer weiß…“). Und zeige vielleicht dieses eine Bild. Und lösche jetzt die übrigen 638 – delate!
... link (0 Kommentare) ... comment
Freitag, 17. Februar 2012
Pop, wohin das Auge lauscht
zirkustiger, 18:21h
Siebzehnter Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber es sind bewegte Zeiten in Sachen Popmusik. Oder war ich in den vergangenen Tagen nur besonders empfänglich für Nachrichten aus jenem Bereich des Lebens, der in der Presse zumeist auf die Rubriken „Vermischtes“, „Klatsch & Tratsch“ oder „Was sonst noch passierte“ beschränkt bleibt. Doch manchmal schafft es der Pop sogar auf die Titelseiten…
Natürlich bewegt uns der recht mysteriöse Tod der Soul-Diva Whitney Houston schon (die Klischees benutze ich übrigens absichtsvoll), auch wenn sie damit dem illustren Club 27 nicht mehr beitreten konnte. Brian und Janis, Jim und Jimi werden’s verkraften. Ob sich nunmehr ein Club 48 etabliert für jene, die aus unterschiedlichen Gründen den günstigen Moment verpasst haben, auf dem Höhepunkt ihres Ruhms abzutreten wie die 27er, muss abgewartet werden – immerhin ist es eine letzte Chance, sich noch einmal ins Gespräch zu bringen (Michael Jackson war da schon 50, aber so genau müssen wir es ja nicht nehmen).
All diese altersbezogenen Chancen verpasst zu haben, darf Mick Jagger für sich in Anspruch nehmen. Aber um ihn ist es ja auch nie wirklich still geworden, ob nun als Kopf bzw. Kehle der Rolling Stones, als Hälfte der siamesischen Glimmer Twins oder neuerdings als Band-Chef einer etwas müde musizierenden All-Star-Combo. Nun darf er sogar im Weißen Haus seine Röhre auspacken – Präsident Obama hat zum Blues geladen. Wahlkampf kann so schön sein…
Ach ja: Paul McCartney von der einstigen Beatles-Konkurrenz, längst geadelt und noch immer gern der nette Junge aus Liverpool gleich nebenan, wird der Queen demnächst zum Thron-Jubiläum aufspielen. Dabei wird die noch nicht mal gewählt, nicht wahr.
Gewählt wurde dafür in Deutschland – nein, noch nicht der neue Bundespräsident; den bestimmen ja wieder die diversen Volks-Stellvertreter. Ganz ohne Vertreter und in direktester Handy-Demokratie durften wir doch aber mitbestimmen, wer unser Star für Baku wird. Der Junge hat das Mädchen geschlagen, aber äußerst knapp (das war doch hochspannend, die letzten zehn Sekunden mit runterzuzählen, oder?!). Übrigens hatte der Karneval in Kölle auf dem ZDF zeitgleich mehr als doppelt so viele TV-Zuschauer. Ist ja auch irgendwo Pop, oder? Wie er heißt, unser Star für Baku, muss ich mir noch einprägen: Roman Lob. Ist ja auch noch ein bisschen Zeit, bis der europäische Pop-Tross in die aserbaidschanische Höhle des Familien-Diktators, den 80 Prozent seines Volkes gewählt haben sollen, aufbricht. Kann Romans Song „Standing Still“ in irgendeiner Weise als Kommentar zu den Menschenrechtsverletzungen am Kaspischen Meer interpretiert werden? Ich glaube, nein.
Enttäuscht war ich aber doch von Stefan Raab. An seiner Stelle hätte ich die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen und unmittelbar nach dem Wahlausgang den Vorschlag herausgebrüllt, man möge doch beide Finalisten mit einem Duett-Song nach Baku schicken. Die hatten sich ohnehin gerade umarmt, und ihre Stimmchen passen doch auch ganz gut zueinander. Der knappe Wahlausgang hätte das allemal gerechtfertigt, finde ich, und alle hätten sich gefreut, oder? Da war der Pop-Stefan irgendwie nicht clever für’n Moment…
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber es sind bewegte Zeiten in Sachen Popmusik. Oder war ich in den vergangenen Tagen nur besonders empfänglich für Nachrichten aus jenem Bereich des Lebens, der in der Presse zumeist auf die Rubriken „Vermischtes“, „Klatsch & Tratsch“ oder „Was sonst noch passierte“ beschränkt bleibt. Doch manchmal schafft es der Pop sogar auf die Titelseiten…
Natürlich bewegt uns der recht mysteriöse Tod der Soul-Diva Whitney Houston schon (die Klischees benutze ich übrigens absichtsvoll), auch wenn sie damit dem illustren Club 27 nicht mehr beitreten konnte. Brian und Janis, Jim und Jimi werden’s verkraften. Ob sich nunmehr ein Club 48 etabliert für jene, die aus unterschiedlichen Gründen den günstigen Moment verpasst haben, auf dem Höhepunkt ihres Ruhms abzutreten wie die 27er, muss abgewartet werden – immerhin ist es eine letzte Chance, sich noch einmal ins Gespräch zu bringen (Michael Jackson war da schon 50, aber so genau müssen wir es ja nicht nehmen).
All diese altersbezogenen Chancen verpasst zu haben, darf Mick Jagger für sich in Anspruch nehmen. Aber um ihn ist es ja auch nie wirklich still geworden, ob nun als Kopf bzw. Kehle der Rolling Stones, als Hälfte der siamesischen Glimmer Twins oder neuerdings als Band-Chef einer etwas müde musizierenden All-Star-Combo. Nun darf er sogar im Weißen Haus seine Röhre auspacken – Präsident Obama hat zum Blues geladen. Wahlkampf kann so schön sein…
Ach ja: Paul McCartney von der einstigen Beatles-Konkurrenz, längst geadelt und noch immer gern der nette Junge aus Liverpool gleich nebenan, wird der Queen demnächst zum Thron-Jubiläum aufspielen. Dabei wird die noch nicht mal gewählt, nicht wahr.
Gewählt wurde dafür in Deutschland – nein, noch nicht der neue Bundespräsident; den bestimmen ja wieder die diversen Volks-Stellvertreter. Ganz ohne Vertreter und in direktester Handy-Demokratie durften wir doch aber mitbestimmen, wer unser Star für Baku wird. Der Junge hat das Mädchen geschlagen, aber äußerst knapp (das war doch hochspannend, die letzten zehn Sekunden mit runterzuzählen, oder?!). Übrigens hatte der Karneval in Kölle auf dem ZDF zeitgleich mehr als doppelt so viele TV-Zuschauer. Ist ja auch irgendwo Pop, oder? Wie er heißt, unser Star für Baku, muss ich mir noch einprägen: Roman Lob. Ist ja auch noch ein bisschen Zeit, bis der europäische Pop-Tross in die aserbaidschanische Höhle des Familien-Diktators, den 80 Prozent seines Volkes gewählt haben sollen, aufbricht. Kann Romans Song „Standing Still“ in irgendeiner Weise als Kommentar zu den Menschenrechtsverletzungen am Kaspischen Meer interpretiert werden? Ich glaube, nein.
Enttäuscht war ich aber doch von Stefan Raab. An seiner Stelle hätte ich die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen und unmittelbar nach dem Wahlausgang den Vorschlag herausgebrüllt, man möge doch beide Finalisten mit einem Duett-Song nach Baku schicken. Die hatten sich ohnehin gerade umarmt, und ihre Stimmchen passen doch auch ganz gut zueinander. Der knappe Wahlausgang hätte das allemal gerechtfertigt, finde ich, und alle hätten sich gefreut, oder? Da war der Pop-Stefan irgendwie nicht clever für’n Moment…
... link (0 Kommentare) ... comment
Sonntag, 5. Februar 2012
Vermutungen über den Konjunktiv
zirkustiger, 13:39h
Dritter Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich reagiere zunehmend gereizt auf Nachrichtensendungen im TV, die als Youtube-Video-Show ablaufen. Und das nicht nur auf den privaten Kanälen, keineswegs: Da machen auch Tageschau und HEUTE kräftig mit. Verwackelte Handy-Sequenzen, rennende Menschen, verschwommene Fahrzeuge, Nacht zumeist, blutroter Feuerschein allgegenwärtig, geschüttelte Fäuste, und beim Näherkommen wackelt sich die Perspektive in einen dunklen Nachthimmel hinauf oder verharrt für nullkommazwei Sekunden auf einer woraus auch immer bestehenden Pfütze auf dem Straßenpflaster. Dazu verschwurbelt sich der Kommentarton in Konjunktiv-Konstruktionen, was wir da gegebenenfalls gesehen haben könnten. Der Reporter vor Ort wird zugeschaltet und kann weder bestätigen noch dementieren. Aber die Videos sind nun mal da, sollen von Augenzeugenschaft künden und der Welt zeigen, was wirklich los ist in Amman und Kairo, in Teheran, Sanaa oder Homs. Damit mich niemand falsch versteht: Ich empfinde tiefe Abscheu gegenüber dem, was die dortigen Regierungen ihrem Volk antun, und ich bin überzeugt, dass ein Großteil der behaupteten Gräuel auch stimmt. Doch ebenso (und dafür mehren sich die Belege aus jüngster Zeit) häufen sich sowohl die unabsichtlichen Fehlinterpretationen als auch die absichtsvollen Fakes in der Freiheit des Internet, in der die Glaubwürdigkeit von Quellen und die Seriosität von Informationen zu einem immer größeren Problem werden. Solange der Kommentar derartiger Wackelbilder (auf die ich gern verzichten würde) sprachlich im Konjunktiv bleibt, wähnt man sich als Journalist auf der sicheren Seite und hofft auf jene viel beschworene Medienkompetenz der Zuschauer, die nicht jedes Bild für bare Realität nehmen. Doch wenn sich Stimmen mehren, die genau diesem Journalismus zunehmend seine Berechtigung absprechen und ihn durch Youtube und Twitter längst abgelöst wähnen, dann sehe ich das Ende des Konjunktivs gekommen.
Apropos: Nicht immer ist ja Konjunktiv gleich Konjunktiv: Während diverse Tageszeitungen kürzlich über eine weitere Festnahme im Umfeld der Zwickauer Terrorzelle von einem „mutmaßlichen Unterstützer“ schrieben, titelte BILD, ein „angeblicher Helfer“ sei da verhaftet worden. Ich hoffe nur, dass die sprachliche Sensibilität der geschätzten Leserschaft noch ausreicht, die Temperaturunterschiede zwischen „mutmaßlich“ und „angeblich“ zu erspüren…
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich reagiere zunehmend gereizt auf Nachrichtensendungen im TV, die als Youtube-Video-Show ablaufen. Und das nicht nur auf den privaten Kanälen, keineswegs: Da machen auch Tageschau und HEUTE kräftig mit. Verwackelte Handy-Sequenzen, rennende Menschen, verschwommene Fahrzeuge, Nacht zumeist, blutroter Feuerschein allgegenwärtig, geschüttelte Fäuste, und beim Näherkommen wackelt sich die Perspektive in einen dunklen Nachthimmel hinauf oder verharrt für nullkommazwei Sekunden auf einer woraus auch immer bestehenden Pfütze auf dem Straßenpflaster. Dazu verschwurbelt sich der Kommentarton in Konjunktiv-Konstruktionen, was wir da gegebenenfalls gesehen haben könnten. Der Reporter vor Ort wird zugeschaltet und kann weder bestätigen noch dementieren. Aber die Videos sind nun mal da, sollen von Augenzeugenschaft künden und der Welt zeigen, was wirklich los ist in Amman und Kairo, in Teheran, Sanaa oder Homs. Damit mich niemand falsch versteht: Ich empfinde tiefe Abscheu gegenüber dem, was die dortigen Regierungen ihrem Volk antun, und ich bin überzeugt, dass ein Großteil der behaupteten Gräuel auch stimmt. Doch ebenso (und dafür mehren sich die Belege aus jüngster Zeit) häufen sich sowohl die unabsichtlichen Fehlinterpretationen als auch die absichtsvollen Fakes in der Freiheit des Internet, in der die Glaubwürdigkeit von Quellen und die Seriosität von Informationen zu einem immer größeren Problem werden. Solange der Kommentar derartiger Wackelbilder (auf die ich gern verzichten würde) sprachlich im Konjunktiv bleibt, wähnt man sich als Journalist auf der sicheren Seite und hofft auf jene viel beschworene Medienkompetenz der Zuschauer, die nicht jedes Bild für bare Realität nehmen. Doch wenn sich Stimmen mehren, die genau diesem Journalismus zunehmend seine Berechtigung absprechen und ihn durch Youtube und Twitter längst abgelöst wähnen, dann sehe ich das Ende des Konjunktivs gekommen.
Apropos: Nicht immer ist ja Konjunktiv gleich Konjunktiv: Während diverse Tageszeitungen kürzlich über eine weitere Festnahme im Umfeld der Zwickauer Terrorzelle von einem „mutmaßlichen Unterstützer“ schrieben, titelte BILD, ein „angeblicher Helfer“ sei da verhaftet worden. Ich hoffe nur, dass die sprachliche Sensibilität der geschätzten Leserschaft noch ausreicht, die Temperaturunterschiede zwischen „mutmaßlich“ und „angeblich“ zu erspüren…
... link (0 Kommentare) ... comment