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Freitag, 17. Februar 2012
Pop, wohin das Auge lauscht
zirkustiger, 18:21h
Siebzehnter Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber es sind bewegte Zeiten in Sachen Popmusik. Oder war ich in den vergangenen Tagen nur besonders empfänglich für Nachrichten aus jenem Bereich des Lebens, der in der Presse zumeist auf die Rubriken „Vermischtes“, „Klatsch & Tratsch“ oder „Was sonst noch passierte“ beschränkt bleibt. Doch manchmal schafft es der Pop sogar auf die Titelseiten…
Natürlich bewegt uns der recht mysteriöse Tod der Soul-Diva Whitney Houston schon (die Klischees benutze ich übrigens absichtsvoll), auch wenn sie damit dem illustren Club 27 nicht mehr beitreten konnte. Brian und Janis, Jim und Jimi werden’s verkraften. Ob sich nunmehr ein Club 48 etabliert für jene, die aus unterschiedlichen Gründen den günstigen Moment verpasst haben, auf dem Höhepunkt ihres Ruhms abzutreten wie die 27er, muss abgewartet werden – immerhin ist es eine letzte Chance, sich noch einmal ins Gespräch zu bringen (Michael Jackson war da schon 50, aber so genau müssen wir es ja nicht nehmen).
All diese altersbezogenen Chancen verpasst zu haben, darf Mick Jagger für sich in Anspruch nehmen. Aber um ihn ist es ja auch nie wirklich still geworden, ob nun als Kopf bzw. Kehle der Rolling Stones, als Hälfte der siamesischen Glimmer Twins oder neuerdings als Band-Chef einer etwas müde musizierenden All-Star-Combo. Nun darf er sogar im Weißen Haus seine Röhre auspacken – Präsident Obama hat zum Blues geladen. Wahlkampf kann so schön sein…
Ach ja: Paul McCartney von der einstigen Beatles-Konkurrenz, längst geadelt und noch immer gern der nette Junge aus Liverpool gleich nebenan, wird der Queen demnächst zum Thron-Jubiläum aufspielen. Dabei wird die noch nicht mal gewählt, nicht wahr.
Gewählt wurde dafür in Deutschland – nein, noch nicht der neue Bundespräsident; den bestimmen ja wieder die diversen Volks-Stellvertreter. Ganz ohne Vertreter und in direktester Handy-Demokratie durften wir doch aber mitbestimmen, wer unser Star für Baku wird. Der Junge hat das Mädchen geschlagen, aber äußerst knapp (das war doch hochspannend, die letzten zehn Sekunden mit runterzuzählen, oder?!). Übrigens hatte der Karneval in Kölle auf dem ZDF zeitgleich mehr als doppelt so viele TV-Zuschauer. Ist ja auch irgendwo Pop, oder? Wie er heißt, unser Star für Baku, muss ich mir noch einprägen: Roman Lob. Ist ja auch noch ein bisschen Zeit, bis der europäische Pop-Tross in die aserbaidschanische Höhle des Familien-Diktators, den 80 Prozent seines Volkes gewählt haben sollen, aufbricht. Kann Romans Song „Standing Still“ in irgendeiner Weise als Kommentar zu den Menschenrechtsverletzungen am Kaspischen Meer interpretiert werden? Ich glaube, nein.
Enttäuscht war ich aber doch von Stefan Raab. An seiner Stelle hätte ich die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen und unmittelbar nach dem Wahlausgang den Vorschlag herausgebrüllt, man möge doch beide Finalisten mit einem Duett-Song nach Baku schicken. Die hatten sich ohnehin gerade umarmt, und ihre Stimmchen passen doch auch ganz gut zueinander. Der knappe Wahlausgang hätte das allemal gerechtfertigt, finde ich, und alle hätten sich gefreut, oder? Da war der Pop-Stefan irgendwie nicht clever für’n Moment…
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber es sind bewegte Zeiten in Sachen Popmusik. Oder war ich in den vergangenen Tagen nur besonders empfänglich für Nachrichten aus jenem Bereich des Lebens, der in der Presse zumeist auf die Rubriken „Vermischtes“, „Klatsch & Tratsch“ oder „Was sonst noch passierte“ beschränkt bleibt. Doch manchmal schafft es der Pop sogar auf die Titelseiten…
Natürlich bewegt uns der recht mysteriöse Tod der Soul-Diva Whitney Houston schon (die Klischees benutze ich übrigens absichtsvoll), auch wenn sie damit dem illustren Club 27 nicht mehr beitreten konnte. Brian und Janis, Jim und Jimi werden’s verkraften. Ob sich nunmehr ein Club 48 etabliert für jene, die aus unterschiedlichen Gründen den günstigen Moment verpasst haben, auf dem Höhepunkt ihres Ruhms abzutreten wie die 27er, muss abgewartet werden – immerhin ist es eine letzte Chance, sich noch einmal ins Gespräch zu bringen (Michael Jackson war da schon 50, aber so genau müssen wir es ja nicht nehmen).
All diese altersbezogenen Chancen verpasst zu haben, darf Mick Jagger für sich in Anspruch nehmen. Aber um ihn ist es ja auch nie wirklich still geworden, ob nun als Kopf bzw. Kehle der Rolling Stones, als Hälfte der siamesischen Glimmer Twins oder neuerdings als Band-Chef einer etwas müde musizierenden All-Star-Combo. Nun darf er sogar im Weißen Haus seine Röhre auspacken – Präsident Obama hat zum Blues geladen. Wahlkampf kann so schön sein…
Ach ja: Paul McCartney von der einstigen Beatles-Konkurrenz, längst geadelt und noch immer gern der nette Junge aus Liverpool gleich nebenan, wird der Queen demnächst zum Thron-Jubiläum aufspielen. Dabei wird die noch nicht mal gewählt, nicht wahr.
Gewählt wurde dafür in Deutschland – nein, noch nicht der neue Bundespräsident; den bestimmen ja wieder die diversen Volks-Stellvertreter. Ganz ohne Vertreter und in direktester Handy-Demokratie durften wir doch aber mitbestimmen, wer unser Star für Baku wird. Der Junge hat das Mädchen geschlagen, aber äußerst knapp (das war doch hochspannend, die letzten zehn Sekunden mit runterzuzählen, oder?!). Übrigens hatte der Karneval in Kölle auf dem ZDF zeitgleich mehr als doppelt so viele TV-Zuschauer. Ist ja auch irgendwo Pop, oder? Wie er heißt, unser Star für Baku, muss ich mir noch einprägen: Roman Lob. Ist ja auch noch ein bisschen Zeit, bis der europäische Pop-Tross in die aserbaidschanische Höhle des Familien-Diktators, den 80 Prozent seines Volkes gewählt haben sollen, aufbricht. Kann Romans Song „Standing Still“ in irgendeiner Weise als Kommentar zu den Menschenrechtsverletzungen am Kaspischen Meer interpretiert werden? Ich glaube, nein.
Enttäuscht war ich aber doch von Stefan Raab. An seiner Stelle hätte ich die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen und unmittelbar nach dem Wahlausgang den Vorschlag herausgebrüllt, man möge doch beide Finalisten mit einem Duett-Song nach Baku schicken. Die hatten sich ohnehin gerade umarmt, und ihre Stimmchen passen doch auch ganz gut zueinander. Der knappe Wahlausgang hätte das allemal gerechtfertigt, finde ich, und alle hätten sich gefreut, oder? Da war der Pop-Stefan irgendwie nicht clever für’n Moment…
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Samstag, 11. Februar 2012
Der Keim der (teutschen) Revolution
zirkustiger, 11:41h
Elfter Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber es gibt Momente, da fühle ich mich der Revolution nahe. Der, die echt ist, die kommen muss und wird, an der ich teilhabe und mit deren Konsequenzen ich einverstanden bin. Es ist ein erhebendes Gefühl, wirklich! Ich erlebe meinen Verstand in diesen Momenten als hellsichtig wie selten, ich erkenne, wo die Säge klemmt, und finde meine geheimsten Annahmen bestätigt, und ich sehe auch den Ausweg, der mehr ist als das, nämlich: Der Weg in ein Morgen, das nicht nur das Heute irgendwie fortsetzt, sondern zeigt, dass es auch ganz anders geht…
Aha, sagen jetzt einige und nicken weise: Der Zirkustiger ist sicher bei einem Auftritt von Hagen Rether gewesen! Und sie haben Recht, zugegeben. Ja, da war ich gestern.
Nun habe ich gar keine Lust, hier über die Faszination eines reichlich dreistündigen Solo-Abends zu schwadronieren, und auch eine traditionelle Rezension soll es nicht werden. Ich will nur all jenen Enttäuschten, die das politische Kabarett bereits in den unheiligen Jagdgründen der Comedy verendet sehen, zurufen: Es gibt noch Hoffnung! Wir waren tausend Leute gestern Abend im halleschen Steintor-Varieté, das Lachen blieb uns oft genug im Halse stecken, und wenn Rether am Ende die standing ovations genutzt hätte, dem heiter-intellektuellen Volkszorn eine Richtung zu weisen, wären die Barrikaden bereits errichtet. So bin ich dann mit meiner Frau aufgekratzt ins eisfrei gekratzte Auto gestiegen, wir haben uns im Heim noch an Gesprächen und Kerzenschein erwärmt und sind zufrieden und einig wie selten eingeschlummert.
Heute früh dann die Ernüchterung: Die Medien berichten und kommentieren, dass es nun doch nichts werden könnte mit der Steuersenkung durch die schwarzgelbe Koalition. Der Schäuble stellt sich irgendwie quer, die 3-Prozent-Liberalen jaulen dazu, und die Merkel hält an ihrer „Im Prinzip ja, aber“-Taktik fest.
Hätte ich wenige Stunden zuvor nicht Hagen Rether erlebt, gingen derartige Meldungen durch mich hindurch, ohne tiefere Spuren zu hinterlassen. Nun aber, sensibilisiert durch den am Flügel (den er zuvor eine Stunde lang gewienert hat!) vor sich hin präludierenden Ruhrpott-Feingeist, darf mich das nicht kalt lassen. Zumal auch meine dänischen Freunde längst nicht mehr grinsen über diese deutsch-arrogante Widersprüchlichkeit. Wollt ihr nun besser ausgestattete Schulen und Kindergärten? fragen sie mich. Seid ihr mit euren Altenheimen etwa zufrieden? Meckert ihr nicht ständig über Schlaglöcher, Baustellen, Umleitungen? Sagt ihr nicht, wer in Bildung investiert, investiert in die Zukunft? Und wie sie mit ihren Alten umgeht, zeige den kulturellen Status einer Gesellschaft?!?
Ich nicke hilflos – ja, und?
Wie arrogant seid ihr eigentlich, da Steuerentlastungen zu erwarten? Wir (sagen die Dänen) zahlen schon lange 25 % Mehrwertsteuer (die deutschen Urlauber bringen sich ja ihr Bier deshalb auch selbst mit – schön blöd, nicht wahr). Aber dafür sind unsere Straßen in Ordnung, die Kommunen solide, die Schulen offen, hell und freundlich, die Kultur hat Heimstätten, und die Alten sind uns nicht vom Tisch gefallen. Sicher, auch bei uns (sagen die Dänen) gibt es Dreck unterm Teppich und hinter den Kulissen. Ein bisschen davon hat die letzte Folketing-Wahl ja getilgt. Aber zu erwarten, dass es allen durch weniger Steuern besser gehen könne, darauf könnten nur die Deutschen kommen.
Sagen meine dänischen Freunde.
Und Hagen Rether – mit seinen Worten – irgendwie auch.
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber es gibt Momente, da fühle ich mich der Revolution nahe. Der, die echt ist, die kommen muss und wird, an der ich teilhabe und mit deren Konsequenzen ich einverstanden bin. Es ist ein erhebendes Gefühl, wirklich! Ich erlebe meinen Verstand in diesen Momenten als hellsichtig wie selten, ich erkenne, wo die Säge klemmt, und finde meine geheimsten Annahmen bestätigt, und ich sehe auch den Ausweg, der mehr ist als das, nämlich: Der Weg in ein Morgen, das nicht nur das Heute irgendwie fortsetzt, sondern zeigt, dass es auch ganz anders geht…
Aha, sagen jetzt einige und nicken weise: Der Zirkustiger ist sicher bei einem Auftritt von Hagen Rether gewesen! Und sie haben Recht, zugegeben. Ja, da war ich gestern.
Nun habe ich gar keine Lust, hier über die Faszination eines reichlich dreistündigen Solo-Abends zu schwadronieren, und auch eine traditionelle Rezension soll es nicht werden. Ich will nur all jenen Enttäuschten, die das politische Kabarett bereits in den unheiligen Jagdgründen der Comedy verendet sehen, zurufen: Es gibt noch Hoffnung! Wir waren tausend Leute gestern Abend im halleschen Steintor-Varieté, das Lachen blieb uns oft genug im Halse stecken, und wenn Rether am Ende die standing ovations genutzt hätte, dem heiter-intellektuellen Volkszorn eine Richtung zu weisen, wären die Barrikaden bereits errichtet. So bin ich dann mit meiner Frau aufgekratzt ins eisfrei gekratzte Auto gestiegen, wir haben uns im Heim noch an Gesprächen und Kerzenschein erwärmt und sind zufrieden und einig wie selten eingeschlummert.
Heute früh dann die Ernüchterung: Die Medien berichten und kommentieren, dass es nun doch nichts werden könnte mit der Steuersenkung durch die schwarzgelbe Koalition. Der Schäuble stellt sich irgendwie quer, die 3-Prozent-Liberalen jaulen dazu, und die Merkel hält an ihrer „Im Prinzip ja, aber“-Taktik fest.
Hätte ich wenige Stunden zuvor nicht Hagen Rether erlebt, gingen derartige Meldungen durch mich hindurch, ohne tiefere Spuren zu hinterlassen. Nun aber, sensibilisiert durch den am Flügel (den er zuvor eine Stunde lang gewienert hat!) vor sich hin präludierenden Ruhrpott-Feingeist, darf mich das nicht kalt lassen. Zumal auch meine dänischen Freunde längst nicht mehr grinsen über diese deutsch-arrogante Widersprüchlichkeit. Wollt ihr nun besser ausgestattete Schulen und Kindergärten? fragen sie mich. Seid ihr mit euren Altenheimen etwa zufrieden? Meckert ihr nicht ständig über Schlaglöcher, Baustellen, Umleitungen? Sagt ihr nicht, wer in Bildung investiert, investiert in die Zukunft? Und wie sie mit ihren Alten umgeht, zeige den kulturellen Status einer Gesellschaft?!?
Ich nicke hilflos – ja, und?
Wie arrogant seid ihr eigentlich, da Steuerentlastungen zu erwarten? Wir (sagen die Dänen) zahlen schon lange 25 % Mehrwertsteuer (die deutschen Urlauber bringen sich ja ihr Bier deshalb auch selbst mit – schön blöd, nicht wahr). Aber dafür sind unsere Straßen in Ordnung, die Kommunen solide, die Schulen offen, hell und freundlich, die Kultur hat Heimstätten, und die Alten sind uns nicht vom Tisch gefallen. Sicher, auch bei uns (sagen die Dänen) gibt es Dreck unterm Teppich und hinter den Kulissen. Ein bisschen davon hat die letzte Folketing-Wahl ja getilgt. Aber zu erwarten, dass es allen durch weniger Steuern besser gehen könne, darauf könnten nur die Deutschen kommen.
Sagen meine dänischen Freunde.
Und Hagen Rether – mit seinen Worten – irgendwie auch.
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Sonntag, 5. Februar 2012
Rosa verteidigt Karl-Theodor
zirkustiger, 13:40h
Fünfter Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber die Diskussions- und Streitkultur ist so eine Sache. Ebenso wie die freie Meinungsäußerung an sich, die uns allen doch verfassungsmäßig garantiert ist. Die Art und Weise derselben unterliegt jedoch stark subjektiver Auslegungen, und so darf ich zumindest meine Meinung äußern, dass die vorgehaltene Maske eines erzkatholischen englischen Terroristen aus dem späten Mittelalter mir persönlich dafür nicht unbedingt geeignet erscheint. Aber wie gesagt – das ist meine persönliche Meinung. Nun üben sich die selbsternannten Sachwalter der schrankenlosen Freiheit im Internet auch noch in Stummfilmattitüden a la Dick und Doof: Sie schmeißen mit Sahnetorten! Ausgerechnet in das völlig unmaskierte und stets gut gebräunte Gesicht des Freiherrn zu Guttenberg, der von der EU bestallt ist, eben diese Freiheit des Internets in Regeln zu bringen und dafür geeignete Modalitäten zu entwickeln. Dazu traf er sich immerhin mit einem Protagonisten der Piraten-Partei, die dadurch eine Aufwertung erfährt, die ihrem diffusen und bisher von wenig Sachkenntnis getrübten Geschwätz auf politischen Bühnen erstaunlich unangemessen erscheint (auch dies, bitteschön, ist eine ganz persönliche Meinungsäußerung). Und nachdem die Torte geflogen und die Sahne vom Gesicht geleckt war, haben sie tatsächlich noch weiter geredet da im Berliner Abgeordnetenhaus. Zum Tortenwurf bekannt hat sich inzwischen die „Hedonistische Internationale“. Das entsprechende Video wird im freien Internet mit Klickorgien geadelt. Guttenberg hat via Facebook reagiert – wie angemessen. Und sogar halbwegs witzig. Und ich verspüre beim Versuch, dies alles zu verarbeiten und mir dazu eine Meinung zu bilden, so ein leichtes Grummeln im Untergrund. Nach anfänglicher Verunsicherung (die Erdbeben kommen ja auch immer näher) wird mir schnell klar: Da rotiert Rosa Luxemburg in ihrem Grabe…! Wie schrieb sie doch einst? Freiheit sei immer die Freiheit der Andersdenkenden?! Damit flöge sie heutzutage bei den Piraten wohl ebenso raus wie bei Anonymous…
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber die Diskussions- und Streitkultur ist so eine Sache. Ebenso wie die freie Meinungsäußerung an sich, die uns allen doch verfassungsmäßig garantiert ist. Die Art und Weise derselben unterliegt jedoch stark subjektiver Auslegungen, und so darf ich zumindest meine Meinung äußern, dass die vorgehaltene Maske eines erzkatholischen englischen Terroristen aus dem späten Mittelalter mir persönlich dafür nicht unbedingt geeignet erscheint. Aber wie gesagt – das ist meine persönliche Meinung. Nun üben sich die selbsternannten Sachwalter der schrankenlosen Freiheit im Internet auch noch in Stummfilmattitüden a la Dick und Doof: Sie schmeißen mit Sahnetorten! Ausgerechnet in das völlig unmaskierte und stets gut gebräunte Gesicht des Freiherrn zu Guttenberg, der von der EU bestallt ist, eben diese Freiheit des Internets in Regeln zu bringen und dafür geeignete Modalitäten zu entwickeln. Dazu traf er sich immerhin mit einem Protagonisten der Piraten-Partei, die dadurch eine Aufwertung erfährt, die ihrem diffusen und bisher von wenig Sachkenntnis getrübten Geschwätz auf politischen Bühnen erstaunlich unangemessen erscheint (auch dies, bitteschön, ist eine ganz persönliche Meinungsäußerung). Und nachdem die Torte geflogen und die Sahne vom Gesicht geleckt war, haben sie tatsächlich noch weiter geredet da im Berliner Abgeordnetenhaus. Zum Tortenwurf bekannt hat sich inzwischen die „Hedonistische Internationale“. Das entsprechende Video wird im freien Internet mit Klickorgien geadelt. Guttenberg hat via Facebook reagiert – wie angemessen. Und sogar halbwegs witzig. Und ich verspüre beim Versuch, dies alles zu verarbeiten und mir dazu eine Meinung zu bilden, so ein leichtes Grummeln im Untergrund. Nach anfänglicher Verunsicherung (die Erdbeben kommen ja auch immer näher) wird mir schnell klar: Da rotiert Rosa Luxemburg in ihrem Grabe…! Wie schrieb sie doch einst? Freiheit sei immer die Freiheit der Andersdenkenden?! Damit flöge sie heutzutage bei den Piraten wohl ebenso raus wie bei Anonymous…
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Vermutungen über den Konjunktiv
zirkustiger, 13:39h
Dritter Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich reagiere zunehmend gereizt auf Nachrichtensendungen im TV, die als Youtube-Video-Show ablaufen. Und das nicht nur auf den privaten Kanälen, keineswegs: Da machen auch Tageschau und HEUTE kräftig mit. Verwackelte Handy-Sequenzen, rennende Menschen, verschwommene Fahrzeuge, Nacht zumeist, blutroter Feuerschein allgegenwärtig, geschüttelte Fäuste, und beim Näherkommen wackelt sich die Perspektive in einen dunklen Nachthimmel hinauf oder verharrt für nullkommazwei Sekunden auf einer woraus auch immer bestehenden Pfütze auf dem Straßenpflaster. Dazu verschwurbelt sich der Kommentarton in Konjunktiv-Konstruktionen, was wir da gegebenenfalls gesehen haben könnten. Der Reporter vor Ort wird zugeschaltet und kann weder bestätigen noch dementieren. Aber die Videos sind nun mal da, sollen von Augenzeugenschaft künden und der Welt zeigen, was wirklich los ist in Amman und Kairo, in Teheran, Sanaa oder Homs. Damit mich niemand falsch versteht: Ich empfinde tiefe Abscheu gegenüber dem, was die dortigen Regierungen ihrem Volk antun, und ich bin überzeugt, dass ein Großteil der behaupteten Gräuel auch stimmt. Doch ebenso (und dafür mehren sich die Belege aus jüngster Zeit) häufen sich sowohl die unabsichtlichen Fehlinterpretationen als auch die absichtsvollen Fakes in der Freiheit des Internet, in der die Glaubwürdigkeit von Quellen und die Seriosität von Informationen zu einem immer größeren Problem werden. Solange der Kommentar derartiger Wackelbilder (auf die ich gern verzichten würde) sprachlich im Konjunktiv bleibt, wähnt man sich als Journalist auf der sicheren Seite und hofft auf jene viel beschworene Medienkompetenz der Zuschauer, die nicht jedes Bild für bare Realität nehmen. Doch wenn sich Stimmen mehren, die genau diesem Journalismus zunehmend seine Berechtigung absprechen und ihn durch Youtube und Twitter längst abgelöst wähnen, dann sehe ich das Ende des Konjunktivs gekommen.
Apropos: Nicht immer ist ja Konjunktiv gleich Konjunktiv: Während diverse Tageszeitungen kürzlich über eine weitere Festnahme im Umfeld der Zwickauer Terrorzelle von einem „mutmaßlichen Unterstützer“ schrieben, titelte BILD, ein „angeblicher Helfer“ sei da verhaftet worden. Ich hoffe nur, dass die sprachliche Sensibilität der geschätzten Leserschaft noch ausreicht, die Temperaturunterschiede zwischen „mutmaßlich“ und „angeblich“ zu erspüren…
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich reagiere zunehmend gereizt auf Nachrichtensendungen im TV, die als Youtube-Video-Show ablaufen. Und das nicht nur auf den privaten Kanälen, keineswegs: Da machen auch Tageschau und HEUTE kräftig mit. Verwackelte Handy-Sequenzen, rennende Menschen, verschwommene Fahrzeuge, Nacht zumeist, blutroter Feuerschein allgegenwärtig, geschüttelte Fäuste, und beim Näherkommen wackelt sich die Perspektive in einen dunklen Nachthimmel hinauf oder verharrt für nullkommazwei Sekunden auf einer woraus auch immer bestehenden Pfütze auf dem Straßenpflaster. Dazu verschwurbelt sich der Kommentarton in Konjunktiv-Konstruktionen, was wir da gegebenenfalls gesehen haben könnten. Der Reporter vor Ort wird zugeschaltet und kann weder bestätigen noch dementieren. Aber die Videos sind nun mal da, sollen von Augenzeugenschaft künden und der Welt zeigen, was wirklich los ist in Amman und Kairo, in Teheran, Sanaa oder Homs. Damit mich niemand falsch versteht: Ich empfinde tiefe Abscheu gegenüber dem, was die dortigen Regierungen ihrem Volk antun, und ich bin überzeugt, dass ein Großteil der behaupteten Gräuel auch stimmt. Doch ebenso (und dafür mehren sich die Belege aus jüngster Zeit) häufen sich sowohl die unabsichtlichen Fehlinterpretationen als auch die absichtsvollen Fakes in der Freiheit des Internet, in der die Glaubwürdigkeit von Quellen und die Seriosität von Informationen zu einem immer größeren Problem werden. Solange der Kommentar derartiger Wackelbilder (auf die ich gern verzichten würde) sprachlich im Konjunktiv bleibt, wähnt man sich als Journalist auf der sicheren Seite und hofft auf jene viel beschworene Medienkompetenz der Zuschauer, die nicht jedes Bild für bare Realität nehmen. Doch wenn sich Stimmen mehren, die genau diesem Journalismus zunehmend seine Berechtigung absprechen und ihn durch Youtube und Twitter längst abgelöst wähnen, dann sehe ich das Ende des Konjunktivs gekommen.
Apropos: Nicht immer ist ja Konjunktiv gleich Konjunktiv: Während diverse Tageszeitungen kürzlich über eine weitere Festnahme im Umfeld der Zwickauer Terrorzelle von einem „mutmaßlichen Unterstützer“ schrieben, titelte BILD, ein „angeblicher Helfer“ sei da verhaftet worden. Ich hoffe nur, dass die sprachliche Sensibilität der geschätzten Leserschaft noch ausreicht, die Temperaturunterschiede zwischen „mutmaßlich“ und „angeblich“ zu erspüren…
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Donnerstag, 19. Januar 2012
Fröhlich, feucht und liberal
zirkustiger, 12:20h
Neunzehnter Januar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich halte Westerwelles Brille für den Grund allen Übels (vor allem natürlich der üblen Meinung, die die Mehrheit offenbar von unserem Außenminister hat). Wieso, fragt ihr? Ist euch das noch nie aufgefallen?! Die Stärke seiner Brillengläser führt zu einer lupenartigen Vergrößerung seiner Augen, deren starrer Blick damit den ausgesprochen naiven Ausdruck andauernden Nichtbegreifens dessen, was da zeitgleich seinem Munde entquillt, annimmt und verstärkt. Natürlich bestätigt uns dieser Effekt auch im guten Grundgefühl, diese wässrig blauen Augen (oder sind sie eher unschuldig rehbraun?) könnten ohnehin kein Wässerchen trüben, aber da sei man sich mal nicht zu sicher. Ob Haftlinsen die Lösung wären, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht sollte er einfach etwas häufiger blinzeln und die Augen nicht noch zusätzlich aufreißen, was den Vergrößerungseffekt der Brillengläser potenziert und die sich hinter den Pupillen andeutende Leere zum Vakuum geraten lässt. Oder Guido sollte sich doch besser einen anderen Job suchen, bei dem eine gewisse Comedy-taugliche Erscheinung eher tolerierbar ist als im Auswärtigen Amt. Zum Beispiel könnte er Partys geben. Genau – hat er gerade getan, anlässlich seines fünfzigsten Geburtstages. Das bringt mich ja auch auf den Gedanken: Da war er nämlich gar nicht so schlecht wie sonst! Er hat launig geplaudert, die Kanzlerin hat mit ihm gelacht und sich an frühere Begegnungen erinnert, selbst der ebenfalls geladene Gysi hat über den erneut bemühten Vergleich des demokratischen Sozialismus mit einem vegetarischen Schlachthaus geschmunzelt. Wowi war auch da, natürlich, der feiert ja auch gern (zumal die beiden, wie Guido etwas anzüglich bemerkte, ja noch mehr verbindet als nur die feuchtfröhliche Partylaune).
Kurz und gut: Es schien, als bedaure Guido am Ende selbst, dieses Parkett wieder mit dem ungleich glatteren der internationalen Politik tauschen zu müssen. Obwohl – seine letzten Sätze klangen wie eine Drohung: Er sei ja erst 50 geworden und keine 80, und da werde er sich noch lange und spürbar in die liberale Politik einmischen… Bin ich froh, dass die demnächst nicht mehr gewählt werden: die 18 (Promille) steht schließlich als Ziel, oder?
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich halte Westerwelles Brille für den Grund allen Übels (vor allem natürlich der üblen Meinung, die die Mehrheit offenbar von unserem Außenminister hat). Wieso, fragt ihr? Ist euch das noch nie aufgefallen?! Die Stärke seiner Brillengläser führt zu einer lupenartigen Vergrößerung seiner Augen, deren starrer Blick damit den ausgesprochen naiven Ausdruck andauernden Nichtbegreifens dessen, was da zeitgleich seinem Munde entquillt, annimmt und verstärkt. Natürlich bestätigt uns dieser Effekt auch im guten Grundgefühl, diese wässrig blauen Augen (oder sind sie eher unschuldig rehbraun?) könnten ohnehin kein Wässerchen trüben, aber da sei man sich mal nicht zu sicher. Ob Haftlinsen die Lösung wären, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht sollte er einfach etwas häufiger blinzeln und die Augen nicht noch zusätzlich aufreißen, was den Vergrößerungseffekt der Brillengläser potenziert und die sich hinter den Pupillen andeutende Leere zum Vakuum geraten lässt. Oder Guido sollte sich doch besser einen anderen Job suchen, bei dem eine gewisse Comedy-taugliche Erscheinung eher tolerierbar ist als im Auswärtigen Amt. Zum Beispiel könnte er Partys geben. Genau – hat er gerade getan, anlässlich seines fünfzigsten Geburtstages. Das bringt mich ja auch auf den Gedanken: Da war er nämlich gar nicht so schlecht wie sonst! Er hat launig geplaudert, die Kanzlerin hat mit ihm gelacht und sich an frühere Begegnungen erinnert, selbst der ebenfalls geladene Gysi hat über den erneut bemühten Vergleich des demokratischen Sozialismus mit einem vegetarischen Schlachthaus geschmunzelt. Wowi war auch da, natürlich, der feiert ja auch gern (zumal die beiden, wie Guido etwas anzüglich bemerkte, ja noch mehr verbindet als nur die feuchtfröhliche Partylaune).
Kurz und gut: Es schien, als bedaure Guido am Ende selbst, dieses Parkett wieder mit dem ungleich glatteren der internationalen Politik tauschen zu müssen. Obwohl – seine letzten Sätze klangen wie eine Drohung: Er sei ja erst 50 geworden und keine 80, und da werde er sich noch lange und spürbar in die liberale Politik einmischen… Bin ich froh, dass die demnächst nicht mehr gewählt werden: die 18 (Promille) steht schließlich als Ziel, oder?
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Freud lässt grüßen
zirkustiger, 12:17h
Siebzehnter Januar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich hab immer noch meine Probleme mit diversen Formen des so genannten E-Learning. In einem bestimmten Umfeld – etwa der beruflichen Weiterbildung oder auch bei Schülern, die länger erkrankt sind – mögen derartige Angebote (zumeist als Ergänzung anderer Lernformen) ja ihre Berechtigung haben. Und Studenten bewegen sich auch schon ganz gern auf den Lernplattformen der Unis und Hochschulen (die Begeisterung der Hochschullehrerinnen und -lehrer ist übrigens nach meiner Beobachtung weitaus geringer), die allerdings eher Materialsammel- und -verteilstellen sind als wirkliche Orte des Lernens.
Suspekt sind mir aber vor allem die Versuche, diese Lernformen in der allgemeinbildenden Schule zu etablieren, verbunden mit euphorischen Heilsversprechungen (auch in Richtung der Lehrerschaft, für die dann alles leichter und besser würde). Ich vermute (bin ich zu argwöhnisch?) dahinter zunächst mal wirtschaftliche Interessen: SMART will Whiteboards vertickern, APPLE seine iPads und INTEL seine Prozessoren. Gut, die sollen ja auch leben, aber dabei bitte schön nicht so tun, als hinge das Heil der Pädagogik von ihren Segnungen ab. Jetzt geht ja der angebissene Apfel gerade in den USA in die Offensive: Man werde digitalisierte Schulbücher kostenfrei auf den eigenen Geräten (sprich: im geschlossenen Apple-Universum) anbieten und damit das gute alte Schulbuch zur Makulatur freigeben. Schon jubeln Gesundheitsexperten, wie leicht dann die Schultaschen werden, und die Kinder könnten sich dann noch ein paar Muffins und Burger mehr hineinstecken, um über die Runden zu kommen. Na ja, gut, nicht alles, was die Amis machen bzw. zulassen, machen wir unbesehen nach – die Zeiten sind zum Glück vorbei. Dennoch gibt es auch hierzulande naive und unbewiesene Vorstellungen, digitale Lernplattformen (allen voran die Open-Source-Allzweckwaffe „moodle“) könnten den Lernerfolg steigern und die Lehrkräfte dazu bringen, sich ihr Lehrmaterial in Kursen und Modulen selbst zu kreieren… Und diese Lernmodule und Moodlekurse – so die hochgesteckten Erwartungen – könnten dann unter den Lehrern verschiedener Schulen ausgetauscht werden, sodass in Bälde ein gewaltiger Pool an multimedialen Unterrichtseinheiten zum fröhlichen Tausch- und Nachnutzgeschäft bereitstünde… Hat das schon mal jemand ausprobiert? Ein Aufwand ohnegleichen; ich weiß, wovon ich rede. Und die Adaptierbarkeit durch andere Kolleginnen und Kollegen hält sich in engen Grenzen, das garantiere ich. Von den zahlreichen Urheberrechtsfragen mal ganz abgesehen, deren Verletzung bei unbedarftem Draufloswursteln droht (darauf spezialisierte Anwaltskanzleien dürften sich bereits heimlich die Hände reiben).
Ich habe jüngst an einer Arbeitstagung innerhalb eines derartigen Modellversuchs teilgenommen. Ich habe dabei vieles gezeigt bekommen, was durchaus hübsch anzusehen war. Allerdings hatte ich an keiner Stelle die erhellende Erkenntnis, den jeweiligen Stoff nicht auch auf die ach so verpönte traditionelle Weise vermitteln zu können (wer mit „traditionell“ immer gleich „veraltet“ meint, der sollte mal echte pädagogische Traditionen suchen – in der Reformpädagogik zum Beispiel von Freinet bis Reichwein, von Dewey bis Neill – und diese daraufhin abklopfen, was sie unserer heutigen Schule an zeitgemäßen Impulsen zu geben vermögen!).
Natürlich – die teilnehmenden Lehrer waren stolz auf das, was sie geleistet haben. Und das ist ja auch ihr gutes Recht. Der Aufwand dafür aber ist sehr hoch, wie alle zugaben. Unverhältnismäßig hoch – nach meiner unmaßgeblichen Meinung. Und eine Lehrerin brachte es in ihrem Vortrag ungewollt auf den Punkt, als sie im Brustton der Überzeugung verkündete: „Sicher kann man nicht jeden Lehrer damit begeistern, aber es gibt bereits ganz viele Kollegen, die dem E-Learning ganz aufgeschlossen entgegen stehen…“!
Diese Aufgeschlossenheit lob ich mir – und grüße Freud ganz herzlich zurück.
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich hab immer noch meine Probleme mit diversen Formen des so genannten E-Learning. In einem bestimmten Umfeld – etwa der beruflichen Weiterbildung oder auch bei Schülern, die länger erkrankt sind – mögen derartige Angebote (zumeist als Ergänzung anderer Lernformen) ja ihre Berechtigung haben. Und Studenten bewegen sich auch schon ganz gern auf den Lernplattformen der Unis und Hochschulen (die Begeisterung der Hochschullehrerinnen und -lehrer ist übrigens nach meiner Beobachtung weitaus geringer), die allerdings eher Materialsammel- und -verteilstellen sind als wirkliche Orte des Lernens.
Suspekt sind mir aber vor allem die Versuche, diese Lernformen in der allgemeinbildenden Schule zu etablieren, verbunden mit euphorischen Heilsversprechungen (auch in Richtung der Lehrerschaft, für die dann alles leichter und besser würde). Ich vermute (bin ich zu argwöhnisch?) dahinter zunächst mal wirtschaftliche Interessen: SMART will Whiteboards vertickern, APPLE seine iPads und INTEL seine Prozessoren. Gut, die sollen ja auch leben, aber dabei bitte schön nicht so tun, als hinge das Heil der Pädagogik von ihren Segnungen ab. Jetzt geht ja der angebissene Apfel gerade in den USA in die Offensive: Man werde digitalisierte Schulbücher kostenfrei auf den eigenen Geräten (sprich: im geschlossenen Apple-Universum) anbieten und damit das gute alte Schulbuch zur Makulatur freigeben. Schon jubeln Gesundheitsexperten, wie leicht dann die Schultaschen werden, und die Kinder könnten sich dann noch ein paar Muffins und Burger mehr hineinstecken, um über die Runden zu kommen. Na ja, gut, nicht alles, was die Amis machen bzw. zulassen, machen wir unbesehen nach – die Zeiten sind zum Glück vorbei. Dennoch gibt es auch hierzulande naive und unbewiesene Vorstellungen, digitale Lernplattformen (allen voran die Open-Source-Allzweckwaffe „moodle“) könnten den Lernerfolg steigern und die Lehrkräfte dazu bringen, sich ihr Lehrmaterial in Kursen und Modulen selbst zu kreieren… Und diese Lernmodule und Moodlekurse – so die hochgesteckten Erwartungen – könnten dann unter den Lehrern verschiedener Schulen ausgetauscht werden, sodass in Bälde ein gewaltiger Pool an multimedialen Unterrichtseinheiten zum fröhlichen Tausch- und Nachnutzgeschäft bereitstünde… Hat das schon mal jemand ausprobiert? Ein Aufwand ohnegleichen; ich weiß, wovon ich rede. Und die Adaptierbarkeit durch andere Kolleginnen und Kollegen hält sich in engen Grenzen, das garantiere ich. Von den zahlreichen Urheberrechtsfragen mal ganz abgesehen, deren Verletzung bei unbedarftem Draufloswursteln droht (darauf spezialisierte Anwaltskanzleien dürften sich bereits heimlich die Hände reiben).
Ich habe jüngst an einer Arbeitstagung innerhalb eines derartigen Modellversuchs teilgenommen. Ich habe dabei vieles gezeigt bekommen, was durchaus hübsch anzusehen war. Allerdings hatte ich an keiner Stelle die erhellende Erkenntnis, den jeweiligen Stoff nicht auch auf die ach so verpönte traditionelle Weise vermitteln zu können (wer mit „traditionell“ immer gleich „veraltet“ meint, der sollte mal echte pädagogische Traditionen suchen – in der Reformpädagogik zum Beispiel von Freinet bis Reichwein, von Dewey bis Neill – und diese daraufhin abklopfen, was sie unserer heutigen Schule an zeitgemäßen Impulsen zu geben vermögen!).
Natürlich – die teilnehmenden Lehrer waren stolz auf das, was sie geleistet haben. Und das ist ja auch ihr gutes Recht. Der Aufwand dafür aber ist sehr hoch, wie alle zugaben. Unverhältnismäßig hoch – nach meiner unmaßgeblichen Meinung. Und eine Lehrerin brachte es in ihrem Vortrag ungewollt auf den Punkt, als sie im Brustton der Überzeugung verkündete: „Sicher kann man nicht jeden Lehrer damit begeistern, aber es gibt bereits ganz viele Kollegen, die dem E-Learning ganz aufgeschlossen entgegen stehen…“!
Diese Aufgeschlossenheit lob ich mir – und grüße Freud ganz herzlich zurück.
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Samstag, 7. Januar 2012
Geheimnis des Erfolgs
zirkustiger, 21:04h
Sechster Januar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber eigentlich war das ja zu erwarten: Gregor Schlierenzauer hat die Vier-Schanzen-Tournee gewonnen. Die Österreicher haben durchgängig dominiert. Die deutschen Ski-Adler flatterten flügellahm hinterdrein. Alles wie gehabt also, seit Hungerkünstler Hannawald ausgebrannt abgetreten ist und seinen alternden Kumpel Schmitt zurückgelassen hat. Nun versuchen wir schon seit Jahren, durch einen österreichischen Trainer Anschluss an das österreichische Skiwunder zu bekommen, aber es will nicht gelingen. Und seit heute weiß ich auch, wieso… Das Geheimnis heißt: AVWF!
Was, nie gehört? Ich zuvor auch nicht. Aber aufgefallen ist mir schon, dass diese Schlieri, Morgi, Andi und Kochi da ständig mit auffälligen Kopfhörern rumliefen, sich locker in den Hüften wiegend und stets ein beseeltes Grinsen auf den schmalen Kindergesichtern. Das ist sie nämlich, diese AVWF, was in Gänze nichts weniger bedeutet als „AudioVisuelle WahrnehmungsFörderung“. Klar hat das was mit Psycho zu tun, und ohne Psycho geht heutzutage in der Sportwelt ja gar nichts mehr (Magdalena „Strahlemädchen“ Neuner hat sich auch gerade per Telefon von ihrem Mentaltrainer wieder einwummern lassen, nachdem sie die Biathlon-Staffel mit vier Strafrunden beim letzten Schießen grandios vergeigt hatte, und siehe da: Heute in Oberhof hüpfte sie gleich wieder aufs oberste Podium beim Sprint).
AVWF also. Ein gewisser Ulrich Conrady hat sie entwickelt. Was da passiert? Einem Musikstück, das man gern hört, werden Schallwellen beigemischt oder vorhandene so verändert, dass sie „das autonome Nervensystem stimulieren und wieder in Balance bringen“ (so heißt es auf der offiziellen AVWF-Website). Die Leistungsbereitschaft kehre zurück und werde spürbar gesteigert. Wichtig seien die geschlossenen Kopfhörersysteme – da darf wirklich nichts hereindringen von außen. Der Rest passiert dann fast von allein – schließlich läuft ohnehin alles im Unterbewussten ab, wie Herr Conrady herausgefunden hat.
Was für ein später Triumpf für mich! Vor Jahrzehnten mit dem ersten in der DDR erhältlichen Walkman von SONY ausgestattet, stolperte ich auch ziemlich weltentrückt durch die Gegend und wurde selbstverständlich zum Kritikpunkt für Eltern und Lehrer. Die wussten halt noch nichts von den leistungssteigernden Wirkungen dieses auditiven Dopings. Und ich werde mich nun um mehr Nachsicht gegenüber jungen Leuten bemühen müssen, die mit mehr oder weniger auffälligen Ohrstöpseln signalisieren, dass sie sich gerade von manipulierten Schallwellen stimulieren lassen. Offen bleibt allerdings die Frage, wie ich reagiere, wenn meine Studenten in der Vorlesung sich die Muscheln überstülpen. Soll ich sie nun tadeln, dass sie mir nicht zuhören, oder loben, dass sie mittels AVWF ihren Lernerfolg zu steigern suchen? Für diesbezügliche Handlungsvorschläge wäre ich sehr dankbar...
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber eigentlich war das ja zu erwarten: Gregor Schlierenzauer hat die Vier-Schanzen-Tournee gewonnen. Die Österreicher haben durchgängig dominiert. Die deutschen Ski-Adler flatterten flügellahm hinterdrein. Alles wie gehabt also, seit Hungerkünstler Hannawald ausgebrannt abgetreten ist und seinen alternden Kumpel Schmitt zurückgelassen hat. Nun versuchen wir schon seit Jahren, durch einen österreichischen Trainer Anschluss an das österreichische Skiwunder zu bekommen, aber es will nicht gelingen. Und seit heute weiß ich auch, wieso… Das Geheimnis heißt: AVWF!
Was, nie gehört? Ich zuvor auch nicht. Aber aufgefallen ist mir schon, dass diese Schlieri, Morgi, Andi und Kochi da ständig mit auffälligen Kopfhörern rumliefen, sich locker in den Hüften wiegend und stets ein beseeltes Grinsen auf den schmalen Kindergesichtern. Das ist sie nämlich, diese AVWF, was in Gänze nichts weniger bedeutet als „AudioVisuelle WahrnehmungsFörderung“. Klar hat das was mit Psycho zu tun, und ohne Psycho geht heutzutage in der Sportwelt ja gar nichts mehr (Magdalena „Strahlemädchen“ Neuner hat sich auch gerade per Telefon von ihrem Mentaltrainer wieder einwummern lassen, nachdem sie die Biathlon-Staffel mit vier Strafrunden beim letzten Schießen grandios vergeigt hatte, und siehe da: Heute in Oberhof hüpfte sie gleich wieder aufs oberste Podium beim Sprint).
AVWF also. Ein gewisser Ulrich Conrady hat sie entwickelt. Was da passiert? Einem Musikstück, das man gern hört, werden Schallwellen beigemischt oder vorhandene so verändert, dass sie „das autonome Nervensystem stimulieren und wieder in Balance bringen“ (so heißt es auf der offiziellen AVWF-Website). Die Leistungsbereitschaft kehre zurück und werde spürbar gesteigert. Wichtig seien die geschlossenen Kopfhörersysteme – da darf wirklich nichts hereindringen von außen. Der Rest passiert dann fast von allein – schließlich läuft ohnehin alles im Unterbewussten ab, wie Herr Conrady herausgefunden hat.
Was für ein später Triumpf für mich! Vor Jahrzehnten mit dem ersten in der DDR erhältlichen Walkman von SONY ausgestattet, stolperte ich auch ziemlich weltentrückt durch die Gegend und wurde selbstverständlich zum Kritikpunkt für Eltern und Lehrer. Die wussten halt noch nichts von den leistungssteigernden Wirkungen dieses auditiven Dopings. Und ich werde mich nun um mehr Nachsicht gegenüber jungen Leuten bemühen müssen, die mit mehr oder weniger auffälligen Ohrstöpseln signalisieren, dass sie sich gerade von manipulierten Schallwellen stimulieren lassen. Offen bleibt allerdings die Frage, wie ich reagiere, wenn meine Studenten in der Vorlesung sich die Muscheln überstülpen. Soll ich sie nun tadeln, dass sie mir nicht zuhören, oder loben, dass sie mittels AVWF ihren Lernerfolg zu steigern suchen? Für diesbezügliche Handlungsvorschläge wäre ich sehr dankbar...
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Donnerstag, 5. Januar 2012
Schlangenfütterung
zirkustiger, 19:47h
Fünfter Januar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber mitunter ist man überrascht, wie sich die Dinge erklären lassen. Mitarbeiter der Arbeitsagenturen, -ämter, ARGEn, JobCenter und wie diese Institutionen nunmehr alle heißen, arbeiten antizyklisch. Das habe ich heute gelernt. Ein Freund, der beim hiesigen Amt in der Personalabteilung sitzt, erzählte es mir heute. Derzeit muss er nämlich mit seinen eigenen Leuten über Stellenabbau reden. Wenn es der Wirtschaft gut geht, müssen wir abbauen, sagte er traurig. Das sei nicht einfach, gerade wenn man die Betroffenen schon länger kennt. Aber viele hätten ohnehin nur befristete Verträge, die nun nicht verlängert würden. Aber bitter sei das auch für die, keine Frage. Viele bekämen das Angebot, in anderen Regionen tätig zu werden. Es gibt offenbar tatsächlich noch Regionen mit höherer Arbeitslosigkeit als der Raum Halle. Berlin-Marzahn zum Beispiel. Ist das aber tröstlich…
Diese reziproken Reaktionen freuen mich heimlich. Sie bestätigen das Bild, das ich irgendwie schon immer vom Kapitalismus hatte. Das haben wir schließlich mal in der Schule gelernt, und so vergällt einem seinerzeit die ach-so-klugen Sprüche waren, so sehr verblüfft mich heute ihre augenscheinliche Wahrheit (deren Kriterium gemäß unserer Klassiker bekanntlich die Praxis ist). Und die Praxis sieht beispielsweise so aus: Wenn ein börsennotiertes Unternehmen Personalstellen in Größenordnungen abbaut, steigt sein Aktienwert sprunghaft an. Das sind also die kausal wirkenden Stellschrauben: Hier runter, da rauf! So simpel ist das. Und wenn also die Arbeitslosigkeit relativ niedrig ist (scheinbar zumindest, denn man übersieht gern jene Millionen, die von ihren Beschäftigungsverhältnissen nicht leben können ohne weitere Stütze des Sozialstaates), generieren die weniger gewordenen Arbeitslosen auch einen geringeren Betreuungsaufwand. Also werden Jobvermittler und Arbeitsberater mangels Auslastung eingespart. Damit mutieren sie (zumindest jene, die nicht von Halle nach Berlin-Marzahn fahren wollen) halt selbst wieder zu Arbeitssuchenden. Aber sie kennen sich ja gut aus und wissen, bei welchen ihrer noch tätigen Kolleginnen und Kollegen auf den langen Fluren sie anklopfen müssen. Ob das gefühlsmäßig hilft, sei dahingestellt. Insgesamt aber scheint damit die Arbeitsvermittlung ein sozioökonomisches Perpetuum mobile zu sein, das sich letztlich selbst genügt: Indem es eigene Mitarbeiter entlässt, die dann draußen stehen und darauf warten, durch die Restbesatzung wieder irgendwo reinvermittelt zu werden, kann es gar kein Ende geben…
Ich empfehle jedenfalls der Agentur für Arbeit, ernsthaft den Börsengang zu erwägen. Derzeit stiege der Wert ihrer Aktien beträchtlich. Vorsicht allerdings: Wer selbst die Schlangen vor der eigenen Tür füttert, könnte sich eines Tages auch in ihrem Würgegriff wiederfinden.
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber mitunter ist man überrascht, wie sich die Dinge erklären lassen. Mitarbeiter der Arbeitsagenturen, -ämter, ARGEn, JobCenter und wie diese Institutionen nunmehr alle heißen, arbeiten antizyklisch. Das habe ich heute gelernt. Ein Freund, der beim hiesigen Amt in der Personalabteilung sitzt, erzählte es mir heute. Derzeit muss er nämlich mit seinen eigenen Leuten über Stellenabbau reden. Wenn es der Wirtschaft gut geht, müssen wir abbauen, sagte er traurig. Das sei nicht einfach, gerade wenn man die Betroffenen schon länger kennt. Aber viele hätten ohnehin nur befristete Verträge, die nun nicht verlängert würden. Aber bitter sei das auch für die, keine Frage. Viele bekämen das Angebot, in anderen Regionen tätig zu werden. Es gibt offenbar tatsächlich noch Regionen mit höherer Arbeitslosigkeit als der Raum Halle. Berlin-Marzahn zum Beispiel. Ist das aber tröstlich…
Diese reziproken Reaktionen freuen mich heimlich. Sie bestätigen das Bild, das ich irgendwie schon immer vom Kapitalismus hatte. Das haben wir schließlich mal in der Schule gelernt, und so vergällt einem seinerzeit die ach-so-klugen Sprüche waren, so sehr verblüfft mich heute ihre augenscheinliche Wahrheit (deren Kriterium gemäß unserer Klassiker bekanntlich die Praxis ist). Und die Praxis sieht beispielsweise so aus: Wenn ein börsennotiertes Unternehmen Personalstellen in Größenordnungen abbaut, steigt sein Aktienwert sprunghaft an. Das sind also die kausal wirkenden Stellschrauben: Hier runter, da rauf! So simpel ist das. Und wenn also die Arbeitslosigkeit relativ niedrig ist (scheinbar zumindest, denn man übersieht gern jene Millionen, die von ihren Beschäftigungsverhältnissen nicht leben können ohne weitere Stütze des Sozialstaates), generieren die weniger gewordenen Arbeitslosen auch einen geringeren Betreuungsaufwand. Also werden Jobvermittler und Arbeitsberater mangels Auslastung eingespart. Damit mutieren sie (zumindest jene, die nicht von Halle nach Berlin-Marzahn fahren wollen) halt selbst wieder zu Arbeitssuchenden. Aber sie kennen sich ja gut aus und wissen, bei welchen ihrer noch tätigen Kolleginnen und Kollegen auf den langen Fluren sie anklopfen müssen. Ob das gefühlsmäßig hilft, sei dahingestellt. Insgesamt aber scheint damit die Arbeitsvermittlung ein sozioökonomisches Perpetuum mobile zu sein, das sich letztlich selbst genügt: Indem es eigene Mitarbeiter entlässt, die dann draußen stehen und darauf warten, durch die Restbesatzung wieder irgendwo reinvermittelt zu werden, kann es gar kein Ende geben…
Ich empfehle jedenfalls der Agentur für Arbeit, ernsthaft den Börsengang zu erwägen. Derzeit stiege der Wert ihrer Aktien beträchtlich. Vorsicht allerdings: Wer selbst die Schlangen vor der eigenen Tür füttert, könnte sich eines Tages auch in ihrem Würgegriff wiederfinden.
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Mittwoch, 4. Januar 2012
Das russische Wunder
zirkustiger, 14:43h
Vierter Januar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – also ich meine eure Erfahrungen mit CD-Käufen über Ebay. Als Käufer – so meine Erfahrung – kann man schon mal das eine oder andere Schnäppchen machen. Als Verkäufer dagegen muss man häufig doch mit feuchten Augen die Scheiben, von denen man sich (warum auch immer) trennen will, für einen Euro oder wenige Cents mehr in den Umschlag stecken. Dann hofft man nur, dass sie in gute Hände kommen.
Mir geht es gerade so, da ich aus der Erkenntnis heraus, etliche meiner rund 2000 CDs eigentlich noch nie wirklich gehört zu haben, mich von meiner Oldie-Sammlung trenne. Nach und nach: Erst werden die zwei, drei Titel digitalisiert, die ursprünglich mal der Grund waren, dass man sich von diesem oder jenem One-Hit-Wonder dann tatsächlich eine ganze Silberplatte angeschafft hat. Ein Mal reingehört offenbarte sich aber schnell der Grund, dass es bei dem einen Hit geblieben ist… Viel Schrott, bestenfalls noch als „Raritäten“ tituliert, aber so was muss man sich nicht wirklich anhören. Hinzu kommt, dass dieses Schwelgen in der Vergangenheit allmählich auch keinen Spaß mehr macht. Also hab ich sie alle bei Ebay reingestellt: Die Casuals, die Creation, Barry McGuire, McGuinness Flint, Atomic Rooster, Troggs, Eaquals, Dave Dee & Co., Procol Harum und und und… Wie gesagt: Zumeist blieben die Gebote bei einem Euro hängen, aber na ja – man muss ja nicht mit Ebay seinen Lebensunterhalt verdienen.
Eine berichtenswerte Ausnahme ist mir nun aber doch widerfahren: Zu den kurzlebigen deutschen Beatbands der späten 60er Jahre gehörten die Wonderlands, jene Combo um Frank Dostal, Achim Reichel und Les Humphries (ja, genau dem!), die es auch bei einem Hit beließen (aber was für einem Hammer): Moscow! Soundtechnisch der Zeit weit voraus, psychedelische Anmutung, grummeliger Gesang, Flanger überm Schlagzeug, und auch mal nicht gleich nach 2:30 zu Ende… Nicht zuletzt hat das Stück ja sogar eine filmische Würdigung erfahren (war‘s in „Sonnenallee“? – Ja, ich glaube, Vopo Detlev Buck wurde dort mit der musikalischen Erwähnung der Hauptstadt des kommunistischen Weltreichs überzeugt).
Nach langer Recherche war es mir vor einigen Jahren gelungen, die wahrscheinlich einzige Wonderland-CD zu erwischen, die je erschienen ist; ganz modern im DigiPack, gut aufgemacht, mit lustigen Fotos der deutschen Pilzköpfe und ausführlicher Vita. War schon interessant, aber weiter als bis zum ersten Stück der CD (eben jenem „Moscow“) ließ ich meinen CD-Player ungern kommen (Herr Reichel und seine Kollegen mögen es mir verzeihen).
Diese CD nun – mit Erwähnung des Stückes „Moscow“ natürlich – ging für sage und schreibe 28 Euro über die Ebay-Theke! Ich war hin und weg, zumal das Geld per PayPal ruckzuck auf meinem Konto war (und es fast zum Überlaufen brachte). Freudig erregt packte ich die CD also sorgsam in eine gepolsterte Versandtasche und stutzte erst beim Schreiben der Adresse: Der Käufer heißt Jurij und kommt aus Nishni Novgorod! Wenn das kein Nationalstolz ist, dann weiß ich auch nicht. Hut ab vor den Russen! Ich hoffe nur, er hat das Stück nicht verwechselt mit der für Dschinghis Khan verzapften Ralf-Siegel-Hymne „Moskau“ (getextet von Bernd Meinunger), über die es bei Wikipedia heißt, der Song sei in Russland „ebenfalls sehr populär, obwohl er damals nicht käuflich zu erwerben war“. Man erinnert sich: „Wirf die Gläser an die Wand | Russland ist ein schönes Land…“.
In diesem Falle würde Jurij von den Wonderlands wohl sehr enttäuscht sein. Und das wiederum täte mir leid. Aber ich hatte ja deutlich dazugeschrieben: „Wie stets bei Ebay: Keine Rücknahme, kein Geld-Zurück, kein Umtausch!“
So sind nun mal die Regeln…
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – also ich meine eure Erfahrungen mit CD-Käufen über Ebay. Als Käufer – so meine Erfahrung – kann man schon mal das eine oder andere Schnäppchen machen. Als Verkäufer dagegen muss man häufig doch mit feuchten Augen die Scheiben, von denen man sich (warum auch immer) trennen will, für einen Euro oder wenige Cents mehr in den Umschlag stecken. Dann hofft man nur, dass sie in gute Hände kommen.
Mir geht es gerade so, da ich aus der Erkenntnis heraus, etliche meiner rund 2000 CDs eigentlich noch nie wirklich gehört zu haben, mich von meiner Oldie-Sammlung trenne. Nach und nach: Erst werden die zwei, drei Titel digitalisiert, die ursprünglich mal der Grund waren, dass man sich von diesem oder jenem One-Hit-Wonder dann tatsächlich eine ganze Silberplatte angeschafft hat. Ein Mal reingehört offenbarte sich aber schnell der Grund, dass es bei dem einen Hit geblieben ist… Viel Schrott, bestenfalls noch als „Raritäten“ tituliert, aber so was muss man sich nicht wirklich anhören. Hinzu kommt, dass dieses Schwelgen in der Vergangenheit allmählich auch keinen Spaß mehr macht. Also hab ich sie alle bei Ebay reingestellt: Die Casuals, die Creation, Barry McGuire, McGuinness Flint, Atomic Rooster, Troggs, Eaquals, Dave Dee & Co., Procol Harum und und und… Wie gesagt: Zumeist blieben die Gebote bei einem Euro hängen, aber na ja – man muss ja nicht mit Ebay seinen Lebensunterhalt verdienen.
Eine berichtenswerte Ausnahme ist mir nun aber doch widerfahren: Zu den kurzlebigen deutschen Beatbands der späten 60er Jahre gehörten die Wonderlands, jene Combo um Frank Dostal, Achim Reichel und Les Humphries (ja, genau dem!), die es auch bei einem Hit beließen (aber was für einem Hammer): Moscow! Soundtechnisch der Zeit weit voraus, psychedelische Anmutung, grummeliger Gesang, Flanger überm Schlagzeug, und auch mal nicht gleich nach 2:30 zu Ende… Nicht zuletzt hat das Stück ja sogar eine filmische Würdigung erfahren (war‘s in „Sonnenallee“? – Ja, ich glaube, Vopo Detlev Buck wurde dort mit der musikalischen Erwähnung der Hauptstadt des kommunistischen Weltreichs überzeugt).
Nach langer Recherche war es mir vor einigen Jahren gelungen, die wahrscheinlich einzige Wonderland-CD zu erwischen, die je erschienen ist; ganz modern im DigiPack, gut aufgemacht, mit lustigen Fotos der deutschen Pilzköpfe und ausführlicher Vita. War schon interessant, aber weiter als bis zum ersten Stück der CD (eben jenem „Moscow“) ließ ich meinen CD-Player ungern kommen (Herr Reichel und seine Kollegen mögen es mir verzeihen).
Diese CD nun – mit Erwähnung des Stückes „Moscow“ natürlich – ging für sage und schreibe 28 Euro über die Ebay-Theke! Ich war hin und weg, zumal das Geld per PayPal ruckzuck auf meinem Konto war (und es fast zum Überlaufen brachte). Freudig erregt packte ich die CD also sorgsam in eine gepolsterte Versandtasche und stutzte erst beim Schreiben der Adresse: Der Käufer heißt Jurij und kommt aus Nishni Novgorod! Wenn das kein Nationalstolz ist, dann weiß ich auch nicht. Hut ab vor den Russen! Ich hoffe nur, er hat das Stück nicht verwechselt mit der für Dschinghis Khan verzapften Ralf-Siegel-Hymne „Moskau“ (getextet von Bernd Meinunger), über die es bei Wikipedia heißt, der Song sei in Russland „ebenfalls sehr populär, obwohl er damals nicht käuflich zu erwerben war“. Man erinnert sich: „Wirf die Gläser an die Wand | Russland ist ein schönes Land…“.
In diesem Falle würde Jurij von den Wonderlands wohl sehr enttäuscht sein. Und das wiederum täte mir leid. Aber ich hatte ja deutlich dazugeschrieben: „Wie stets bei Ebay: Keine Rücknahme, kein Geld-Zurück, kein Umtausch!“
So sind nun mal die Regeln…
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Dienstag, 3. Januar 2012
Mitleid(en) mit dem Höchsten
zirkustiger, 09:38h
3. Januar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber Christian Wulff ist echt ’ne arme Sau. Ich meine das keineswegs despektierlich. Der kann einem ja irgendwie leidtun, wie da jetzt rumrecherchiert wird wegen dieses Kredites und welche Kreise das zieht. Erst war es ja nur die Frage, wer diesen Kredit nun eigentlich gewährt (und wer davon wann gewusst) hat – war’s die Edith, die Gattin des Unternehmerfreundes Egon, aus der Portokasse? Oder doch dieser selbst…?!
Daneben stand rasch die Frage, warum ein anderer, ziemlich windiger Geschäftsmann so viel Wind machte für das schwer verkäufliche Bekenntnisbuch des damaligen Noch-nicht-Bundespräsidenten? Der davon auch gar nichts gewusst haben will… (Warum schaltet eigentlich niemand aus meinem Freundeskreis heimlich Werbeanzeigen in der überregionalen Presse für meine CDs, die sich auch nicht eben wie geschnitten Brot verkaufen?! Sollte ich mir andere Freunde suchen? – Ich glaube nicht!!!)
Dann kam der neue Kredit hinzu, der den alten ablöste, und nun auch noch diese Nachricht auf der Voicemail vom Herrn BILD-Chef Diekmann. Ach ja, und bei Herrn Döpfner und selbst bei Frau Springer hat er ja auch noch angeklingelt… Dabei ist schon erstaunlich, dass wir, indem wir aktuell bleiben wollen, immer tiefer in die Vergangenheit vorstoßen. Denn dieser Anruf aus dem Kuwait war ja vor dem eigentlichen Anfang. Da war die Bombe ja noch gar nicht geplatzt, noch nicht mal richtig abgeworfen, da ruhte sie noch in der Kugelschreiberpatrone bzw. dem USB-Stick (was alles ziemlich militant klingt, zugegeben) eines BILD-Rechercheurs, und der oberste Mann im Staate dachte wohl, dass man da mit einer kleinen Drohung noch das Schlimmste verhindern könne.
Nun ist Selbstüberschätzung nicht von vorneherein strafbar, auch nicht in jedem Falle behandlungsbedürftig, solange niemand dadurch geschädigt wird. Im Falle eines Bundespräsidenten muss die Frage erlaubt sein, ob die Schädigung seines Ansehens auch die Schädigung meines Ansehens wäre. Nun, ich bin da unentschieden, zugegeben: Ich bin ein mündiger Bürger, der nicht gerne mit dem Wulff heult, und ich habe ihn ja auch nicht gewählt. Insofern hält sich meine persönliche Enttäuschung in Grenzen (ent-täuscht werden kann bekanntlich nur, wer sich zuvor selbst getäuscht hat – und mal ehrlich: Was habt ihr denn gedacht, wie das so läuft in den Kreisen Wulff-Schröder-Maschmeyer…)?!
Haken wir’s also ab, doch halt: Eine Frage muss erlaubt sein. Nein, nicht die nach dem Titel des Buches, das Wulff nach seinem Rücktritt irgendwann von Theodor zu Guttenberg wird schreiben lassen. Sondern diese: Wie wohnt eigentlich Joachim Gauck? Hat er auch ein nettes Häuschen auf Kredit? Wer hat’s ihm finanziert? Oder ist er zumindest mal nach Mallorca gejettet (worden), um mit der Ferres zu flirten? Wie, was? Nichts zu finden im world-weiten Fangnetz der Klatsch-Postillen? Das find‘ ich nun aber doch merkwürdig… Schließlich wäre der ja beinahe Bundespräsident geworden, dieser von seiner Frau getrennt lebende (und gerüchteweise mit einer bayerischen Journalistin liierte – sic!) Ossi-Pastor Gauck…, wenn sie nicht alle ihren Wulff im Schafspelz gewählt hätten. Na ja, nicht alle freilich. Und am Ende – so fürchte ich – wird es dann ohnehin keiner mehr gewesen sein wollen. Darin hat man ja Erfahrung in Deutschland…
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber Christian Wulff ist echt ’ne arme Sau. Ich meine das keineswegs despektierlich. Der kann einem ja irgendwie leidtun, wie da jetzt rumrecherchiert wird wegen dieses Kredites und welche Kreise das zieht. Erst war es ja nur die Frage, wer diesen Kredit nun eigentlich gewährt (und wer davon wann gewusst) hat – war’s die Edith, die Gattin des Unternehmerfreundes Egon, aus der Portokasse? Oder doch dieser selbst…?!
Daneben stand rasch die Frage, warum ein anderer, ziemlich windiger Geschäftsmann so viel Wind machte für das schwer verkäufliche Bekenntnisbuch des damaligen Noch-nicht-Bundespräsidenten? Der davon auch gar nichts gewusst haben will… (Warum schaltet eigentlich niemand aus meinem Freundeskreis heimlich Werbeanzeigen in der überregionalen Presse für meine CDs, die sich auch nicht eben wie geschnitten Brot verkaufen?! Sollte ich mir andere Freunde suchen? – Ich glaube nicht!!!)
Dann kam der neue Kredit hinzu, der den alten ablöste, und nun auch noch diese Nachricht auf der Voicemail vom Herrn BILD-Chef Diekmann. Ach ja, und bei Herrn Döpfner und selbst bei Frau Springer hat er ja auch noch angeklingelt… Dabei ist schon erstaunlich, dass wir, indem wir aktuell bleiben wollen, immer tiefer in die Vergangenheit vorstoßen. Denn dieser Anruf aus dem Kuwait war ja vor dem eigentlichen Anfang. Da war die Bombe ja noch gar nicht geplatzt, noch nicht mal richtig abgeworfen, da ruhte sie noch in der Kugelschreiberpatrone bzw. dem USB-Stick (was alles ziemlich militant klingt, zugegeben) eines BILD-Rechercheurs, und der oberste Mann im Staate dachte wohl, dass man da mit einer kleinen Drohung noch das Schlimmste verhindern könne.
Nun ist Selbstüberschätzung nicht von vorneherein strafbar, auch nicht in jedem Falle behandlungsbedürftig, solange niemand dadurch geschädigt wird. Im Falle eines Bundespräsidenten muss die Frage erlaubt sein, ob die Schädigung seines Ansehens auch die Schädigung meines Ansehens wäre. Nun, ich bin da unentschieden, zugegeben: Ich bin ein mündiger Bürger, der nicht gerne mit dem Wulff heult, und ich habe ihn ja auch nicht gewählt. Insofern hält sich meine persönliche Enttäuschung in Grenzen (ent-täuscht werden kann bekanntlich nur, wer sich zuvor selbst getäuscht hat – und mal ehrlich: Was habt ihr denn gedacht, wie das so läuft in den Kreisen Wulff-Schröder-Maschmeyer…)?!
Haken wir’s also ab, doch halt: Eine Frage muss erlaubt sein. Nein, nicht die nach dem Titel des Buches, das Wulff nach seinem Rücktritt irgendwann von Theodor zu Guttenberg wird schreiben lassen. Sondern diese: Wie wohnt eigentlich Joachim Gauck? Hat er auch ein nettes Häuschen auf Kredit? Wer hat’s ihm finanziert? Oder ist er zumindest mal nach Mallorca gejettet (worden), um mit der Ferres zu flirten? Wie, was? Nichts zu finden im world-weiten Fangnetz der Klatsch-Postillen? Das find‘ ich nun aber doch merkwürdig… Schließlich wäre der ja beinahe Bundespräsident geworden, dieser von seiner Frau getrennt lebende (und gerüchteweise mit einer bayerischen Journalistin liierte – sic!) Ossi-Pastor Gauck…, wenn sie nicht alle ihren Wulff im Schafspelz gewählt hätten. Na ja, nicht alle freilich. Und am Ende – so fürchte ich – wird es dann ohnehin keiner mehr gewesen sein wollen. Darin hat man ja Erfahrung in Deutschland…
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Montag, 2. Januar 2012
Die Lösung von Problemen
zirkustiger, 21:34h
2. Januar 2012
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber vielen deutschen (zumal ostdeutschen) Städten sieht man noch heute die Folgen des letzten Krieges an. Die Amis und die Briten haben mit ihren Bombenteppichen seinerzeit keineswegs für eine wohnliche Atmosphäre gesorgt: Halberstadt, Dessau, Magdeburg, Dresden… - nee, keine Sorge, ich will hier nicht in alten Wunden bohren oder neuen Nazis zum Munde reden. Und Halle an der Saale, die Stadt, in der ich seit 35 Jahren lebe, ist diesbezüglich doch eine besondere Stadt: Hier sind in 40 Jahren DDR nämlich weit mehr Häuser zu Bruch gegangen als im 2. Weltkrieg.
Dank beherzter Bürger wurde Halle in den letzten Kriegswochen kampflos an die Amerikaner übergeben, die schon von Westen her alle Rohre auf die fünf Türme gerichtet hatten. Glück gehabt, könnte man meinen (mal abgesehen davon, dass das Alte Rathaus trotzdem weggebombt wurde und das Hotel Weltkugel, aber was ist das schon gegen Dresden?). Was danach kam, passierte zwar nicht so plötzlich wie durch eine Zehn-Zentner-Bombe, dafür war es ein schleichender Verfall, der der Stadt an der Saale hellem Strande das denkwürdige Attribut der „Diva in Grau“ einbrachte. Viele lebten bis vor zweiundzwanzig Jahren tatsächlich im drohenden Abriss (ich damals auch mit meiner kleinen Familie), und wo es dann wirklich zusammenfiel, blieb es eben liegen. Der Sozialismus hat eher rundherum gebaut: Halle-Neustadt (ursprünglich Halle-West), die Südstadt, die Silberhöhe, Heide-Nord… Arbeiterschließfächer. Und dennoch: Wo nicht aufgrund zunehmenden Leerstands in den letzten Jahren abgerissen, erfreuen sich diese Block-Haus-Siedlungen einer erstaunlichen Beliebtheit… Aber erzählen wollte ich was ganz anderes.
Laufe ich doch heute durch mein Viertel. Vornehmlich Gründerzeit-Altbauten, zum großen Teil nach der Wende ansehnlich renoviert, mit entsprechenden Mieten. Da haben Alteigentümer investiert – oder verkauft an potente Neubesitzer. Find ich prima! Allerdings klaffen dazwischen Lücken. Das heißt, am Anfang sind es noch unbewohnte Häuser, deren Fensterhöhlen und Türöffnungen irgendwann zugemauert werden. Dann wird die Fassade gesichert, doch vom Dach fallen die Ziegel. Und je bunter und ordentlicher das Umfeld wird, desto unansehnlicher erscheinen diese Schandflecken, deren Eigentümer sich offensichtlich nicht kümmern, oder sie sind nicht auffindbar oder aber als Erbengemeinschaft unheilig zerstritten. Kann man nichts machen in einem freiheitlichen Rechtsstaat, in dem es zur persönlichen Freiheit gehört, sein Eigentum verfallen zu lassen, solange der Fußweg davor ordentlich abgesperrt wird.
Dann aber (und nun komme ich endlich zum Kern meiner Beobachtung) tritt die nächste Phase ein: Irgendwann sind die Mauern nicht mehr zu halten, der Einsturz droht, und Bagger und Planierraupen haben ein Einsehen. Eine Woche lang Lärm, Staub und Trümmer, emsiges Treiben, Schwerlaster, gelbe Rundumleuchten – dann ist der Spuk vorbei. Und siehe da: Nach drei Wochen ist das Areal sauber eingezäunt, wird noch sauberer betoniert, und ein Schild an der sperrenden Schranke verrät: Parkplätze zu vermieten!
So löst man hier zwei Probleme mit einem Schlage. Und mir fällt ein, wie ich manchmal nachts rumkurve, ehe ich einen Parkplatz in fußläufiger Nähe meiner Wohnung ergattere. Nun warte ich also, dass unser Nebenhaus umfällt. Dann werde ich aber ganz schnell sein mit dem Telefon…
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber vielen deutschen (zumal ostdeutschen) Städten sieht man noch heute die Folgen des letzten Krieges an. Die Amis und die Briten haben mit ihren Bombenteppichen seinerzeit keineswegs für eine wohnliche Atmosphäre gesorgt: Halberstadt, Dessau, Magdeburg, Dresden… - nee, keine Sorge, ich will hier nicht in alten Wunden bohren oder neuen Nazis zum Munde reden. Und Halle an der Saale, die Stadt, in der ich seit 35 Jahren lebe, ist diesbezüglich doch eine besondere Stadt: Hier sind in 40 Jahren DDR nämlich weit mehr Häuser zu Bruch gegangen als im 2. Weltkrieg.
Dank beherzter Bürger wurde Halle in den letzten Kriegswochen kampflos an die Amerikaner übergeben, die schon von Westen her alle Rohre auf die fünf Türme gerichtet hatten. Glück gehabt, könnte man meinen (mal abgesehen davon, dass das Alte Rathaus trotzdem weggebombt wurde und das Hotel Weltkugel, aber was ist das schon gegen Dresden?). Was danach kam, passierte zwar nicht so plötzlich wie durch eine Zehn-Zentner-Bombe, dafür war es ein schleichender Verfall, der der Stadt an der Saale hellem Strande das denkwürdige Attribut der „Diva in Grau“ einbrachte. Viele lebten bis vor zweiundzwanzig Jahren tatsächlich im drohenden Abriss (ich damals auch mit meiner kleinen Familie), und wo es dann wirklich zusammenfiel, blieb es eben liegen. Der Sozialismus hat eher rundherum gebaut: Halle-Neustadt (ursprünglich Halle-West), die Südstadt, die Silberhöhe, Heide-Nord… Arbeiterschließfächer. Und dennoch: Wo nicht aufgrund zunehmenden Leerstands in den letzten Jahren abgerissen, erfreuen sich diese Block-Haus-Siedlungen einer erstaunlichen Beliebtheit… Aber erzählen wollte ich was ganz anderes.
Laufe ich doch heute durch mein Viertel. Vornehmlich Gründerzeit-Altbauten, zum großen Teil nach der Wende ansehnlich renoviert, mit entsprechenden Mieten. Da haben Alteigentümer investiert – oder verkauft an potente Neubesitzer. Find ich prima! Allerdings klaffen dazwischen Lücken. Das heißt, am Anfang sind es noch unbewohnte Häuser, deren Fensterhöhlen und Türöffnungen irgendwann zugemauert werden. Dann wird die Fassade gesichert, doch vom Dach fallen die Ziegel. Und je bunter und ordentlicher das Umfeld wird, desto unansehnlicher erscheinen diese Schandflecken, deren Eigentümer sich offensichtlich nicht kümmern, oder sie sind nicht auffindbar oder aber als Erbengemeinschaft unheilig zerstritten. Kann man nichts machen in einem freiheitlichen Rechtsstaat, in dem es zur persönlichen Freiheit gehört, sein Eigentum verfallen zu lassen, solange der Fußweg davor ordentlich abgesperrt wird.
Dann aber (und nun komme ich endlich zum Kern meiner Beobachtung) tritt die nächste Phase ein: Irgendwann sind die Mauern nicht mehr zu halten, der Einsturz droht, und Bagger und Planierraupen haben ein Einsehen. Eine Woche lang Lärm, Staub und Trümmer, emsiges Treiben, Schwerlaster, gelbe Rundumleuchten – dann ist der Spuk vorbei. Und siehe da: Nach drei Wochen ist das Areal sauber eingezäunt, wird noch sauberer betoniert, und ein Schild an der sperrenden Schranke verrät: Parkplätze zu vermieten!
So löst man hier zwei Probleme mit einem Schlage. Und mir fällt ein, wie ich manchmal nachts rumkurve, ehe ich einen Parkplatz in fußläufiger Nähe meiner Wohnung ergattere. Nun warte ich also, dass unser Nebenhaus umfällt. Dann werde ich aber ganz schnell sein mit dem Telefon…
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Auf ins neue Jahr!
zirkustiger, 20:55h
1. Januar 2012
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – mit den traditionell guten Vorsätzen zum neuen Jahr, meine ich. Dieses Jahr beginnt bei mir nun wirklich mal mit diesen. Die meisten, die ich um Mitternacht gefasst hatte, habe ich am Morgen zwar schon wieder vergessen, aber den einen doch behalten: Die im alten Jahr liegengebliebene Post abarbeiten! Eine überschaubare Aufgabe, denn es handelt sich um eine einzige CD-Bestellung, die noch am 31. Dezember ins Mailfach geflattert kam: Immerhin – gleich drei Tonträger bestellt da ein Mensch aus Wittenberge an der Elbe (jenem Ort, der durch Renfts „Ballade vom kleinen Otto“ eine gewisse deutsch-deutsche Berühmtheit hätte erlangen können, wenn sich heute noch jemand dafür interessierte…).
Drei CDs also; die Rechnung habe ich noch im alten Jahr geschrieben und die Scheiben verpackt, nun also auf zum nächstgelegenen Briefkasten (acht Minuten Fußweg durch Reichardts Garten, also zugleich als Neujahrsspaziergang abrechenbar). Leider beginnt es pünktlich mit Öffnung der Haustür zu regnen, doch ich habe den Schirm dabei und bin guten Mutes. Noch.
Nach Überquerung der Großen Brunnenstraße stehe ich dann vor dem Postkasten, dessen Einwurfklappe sich partout nicht öffnen lassen will. Ich entdecke einen Aufkleber: Vorübergehend gesperrt. Und nun auch die metallenen Riegel, die – fachmännisch verschraubt – verhindert haben, dass böse Buben in der letzten Nacht ihre Böller in das gelbe Auslaufmodell zwischenmenschlicher Kommunikation verfrachten konnten. Dahinter stehen sicher einschlägige Erfahrungen, denke ich mir und kann den Postbeamten nicht böse sein für ihre Vorsorge. Nun aber ist es bereits zehn Uhr durch im neuen Jahr, und da, wie ich dem Aufdruck entnehme, um 11 Uhr die letzte und einzige Sonn- wie Feiertagsleerung ansteht, sollte die Arretierung des Schlitzes doch eigentlich wieder aufgehoben sein?! Aber wer beginnt das neue Jahr schon gern mit derartiger Arbeit, denke ich und überlege, wo sich der nächste Postkasten befindet: Bis zum Reileck sind es weitere sieben Minuten, die ich gern in Kauf nehme, denn inzwischen sind die Schuhe durchgeweicht, da kann es nicht mehr schlimmer kommen.
Der zweite Postkasten erwartet mich mit nämlichem Aufkleber und ebenfalls verplombt. Hier allerdings lohnte es gar nicht, heut zu zürnen: Dieser Postkasten, so lerne ich lesend, werde sonntags ohnehin nicht geleert. Da reicht es dann also, wenn die Schrauben morgen gelöst werden.
Ich schlage einen Bogen, der mich über die Reilstraße zurück ins warme und trockene Heim bringen soll, in nur zehn Minuten, wie ich hoffe, denn ich nutze nun die Hypotenuse des zuvor beschrittenen beinahe gleichschenkligen Dreiecks. Zudem steht vor dem Arbeitsamt ja noch ein weiterer Briefkasten, den ich unterwegs ansteuern könnte, obgleich die Hoffnung gering ist, ihn in empfänglicherem Zustand als seine beiden Artgenossen anzutreffen. Doch siehe: Das erste Wunder des neuen Jahren geschieht gleich heute. Weder Aufkleber noch mechanische Sperre sind zu entdecken, und mein dicker Umschlag gleitet fast geräuschlos ins Innere des Blechkastens. Ich schüttele den Schirm ab und drehe mich schon gen Heimat, da fällt mein Blick auf die Leerungszeiten: Sonntags – 10.00 Uhr. Ohne Blick auf die Uhr weiß ich, dass es inzwischen halb elf sein muss. Hier war der Beamte also pünktlich, hatte sicher fröhlich pfeifend eine Minute vor zehn die Sicherungsvorrichtungen und anschließend sich selbst entfernt, wohl wissend, dass seit gestern keine Sendung den Weg ins Innere hatte finden können. Da liegt nun mein Lieferbrief, und der Mensch aus Wittenberge muss noch einen Tag länger warten auf die bestellte Musik. Es ist Neujahr. Da will ich mich nicht ärgern, noch nicht! Und da man am ersten Tag im Jahr auch ein wenig Nachsicht von seinen Mitmenschen erwarten darf, wird auch der Empfänger der Sendung mir diese zuteilwerden lassen, zumal ich mich redlich bemüht habe, wie er hier nachlesen kann…
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – mit den traditionell guten Vorsätzen zum neuen Jahr, meine ich. Dieses Jahr beginnt bei mir nun wirklich mal mit diesen. Die meisten, die ich um Mitternacht gefasst hatte, habe ich am Morgen zwar schon wieder vergessen, aber den einen doch behalten: Die im alten Jahr liegengebliebene Post abarbeiten! Eine überschaubare Aufgabe, denn es handelt sich um eine einzige CD-Bestellung, die noch am 31. Dezember ins Mailfach geflattert kam: Immerhin – gleich drei Tonträger bestellt da ein Mensch aus Wittenberge an der Elbe (jenem Ort, der durch Renfts „Ballade vom kleinen Otto“ eine gewisse deutsch-deutsche Berühmtheit hätte erlangen können, wenn sich heute noch jemand dafür interessierte…).
Drei CDs also; die Rechnung habe ich noch im alten Jahr geschrieben und die Scheiben verpackt, nun also auf zum nächstgelegenen Briefkasten (acht Minuten Fußweg durch Reichardts Garten, also zugleich als Neujahrsspaziergang abrechenbar). Leider beginnt es pünktlich mit Öffnung der Haustür zu regnen, doch ich habe den Schirm dabei und bin guten Mutes. Noch.
Nach Überquerung der Großen Brunnenstraße stehe ich dann vor dem Postkasten, dessen Einwurfklappe sich partout nicht öffnen lassen will. Ich entdecke einen Aufkleber: Vorübergehend gesperrt. Und nun auch die metallenen Riegel, die – fachmännisch verschraubt – verhindert haben, dass böse Buben in der letzten Nacht ihre Böller in das gelbe Auslaufmodell zwischenmenschlicher Kommunikation verfrachten konnten. Dahinter stehen sicher einschlägige Erfahrungen, denke ich mir und kann den Postbeamten nicht böse sein für ihre Vorsorge. Nun aber ist es bereits zehn Uhr durch im neuen Jahr, und da, wie ich dem Aufdruck entnehme, um 11 Uhr die letzte und einzige Sonn- wie Feiertagsleerung ansteht, sollte die Arretierung des Schlitzes doch eigentlich wieder aufgehoben sein?! Aber wer beginnt das neue Jahr schon gern mit derartiger Arbeit, denke ich und überlege, wo sich der nächste Postkasten befindet: Bis zum Reileck sind es weitere sieben Minuten, die ich gern in Kauf nehme, denn inzwischen sind die Schuhe durchgeweicht, da kann es nicht mehr schlimmer kommen.
Der zweite Postkasten erwartet mich mit nämlichem Aufkleber und ebenfalls verplombt. Hier allerdings lohnte es gar nicht, heut zu zürnen: Dieser Postkasten, so lerne ich lesend, werde sonntags ohnehin nicht geleert. Da reicht es dann also, wenn die Schrauben morgen gelöst werden.
Ich schlage einen Bogen, der mich über die Reilstraße zurück ins warme und trockene Heim bringen soll, in nur zehn Minuten, wie ich hoffe, denn ich nutze nun die Hypotenuse des zuvor beschrittenen beinahe gleichschenkligen Dreiecks. Zudem steht vor dem Arbeitsamt ja noch ein weiterer Briefkasten, den ich unterwegs ansteuern könnte, obgleich die Hoffnung gering ist, ihn in empfänglicherem Zustand als seine beiden Artgenossen anzutreffen. Doch siehe: Das erste Wunder des neuen Jahren geschieht gleich heute. Weder Aufkleber noch mechanische Sperre sind zu entdecken, und mein dicker Umschlag gleitet fast geräuschlos ins Innere des Blechkastens. Ich schüttele den Schirm ab und drehe mich schon gen Heimat, da fällt mein Blick auf die Leerungszeiten: Sonntags – 10.00 Uhr. Ohne Blick auf die Uhr weiß ich, dass es inzwischen halb elf sein muss. Hier war der Beamte also pünktlich, hatte sicher fröhlich pfeifend eine Minute vor zehn die Sicherungsvorrichtungen und anschließend sich selbst entfernt, wohl wissend, dass seit gestern keine Sendung den Weg ins Innere hatte finden können. Da liegt nun mein Lieferbrief, und der Mensch aus Wittenberge muss noch einen Tag länger warten auf die bestellte Musik. Es ist Neujahr. Da will ich mich nicht ärgern, noch nicht! Und da man am ersten Tag im Jahr auch ein wenig Nachsicht von seinen Mitmenschen erwarten darf, wird auch der Empfänger der Sendung mir diese zuteilwerden lassen, zumal ich mich redlich bemüht habe, wie er hier nachlesen kann…
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