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Donnerstag, 29. März 2012
Aufregung im Hühnerstall
zirkustiger, 21:29h
29. März
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – mich fesselt die aktuelle Debatte um die TV-Talk-Kultur derzeit doch mächtig. Selbst Bundestagspräsident Norbert Lammert meldet sich da zu Wort und erwartet, dass der Polit-Talk sich in Kürze von selbst totläuft: Die üblichen Verdächtigen gäben sich bei Illner, Plasberg und Jauch die Klinke in die Hand, murrt er, und die Moderatoren sähen ihre Funktion darin, spätestens dann, wenn die ernsthafte Debatte eines ernsthaften Problems drohe, lenkend einzugreifen, um wieder in seichteres Fahrwasser zu geraten. Dass im Fernsehen vieles, wenn nicht alles zur Unterhaltung gerät, hat uns Neil Postman in „Wir amüsieren uns zu Tode“ (Huxleys „Schöne neue Welt“ stand Pate) schon vor einem reichlichen Vierteljahrhundert gepredigt. Und Marshall McLuhan hat es Jahre vorher auch schon gewusst: „The medium is the message“ – das Medium beeinflusst den Charakter dessen, was darüber verbreitet wird. Und daran hat sich offenbar wenig geändert.
Aber das Thema hat ja viele Fassetten. Da ist das mitunter nicht von Häme freie Mitleiden mit dem großen Blonden, der nunmehr vom ZDF-Samstagabend auf den Vorabend der ARD gerutscht ist und dabei seine vielen Fans verloren zu haben scheint. Aber mal ehrlich: Wer will…; nein: Wer kann denn Gottschalk um diese Zeit sehen? Da werden doch Babys gewickelt und Pizzen bestellt, da schaut man noch mal rasch in die Zeitung, was um 20.15 Uhr kommt oder ob man doch lieber ins Kino ausweicht, da fällt hier und da wohl auch ein kleines Nickerchen ab oder der Gassi-Gang mit Moppi steht an. Und wenn der Frühling erst mal richtig da ist, dass man wieder ohne Blasenentzündungsgefahr auf dem Rasen sitzen kann, dann werden auch die inzwischen georderten Studiozuschauer das Format nicht retten. Wetten dass…?
Nun aber hat es auch den Altmeister erwischt: „Dirty Harry“ muss bei Sat1 seinen Hut nehmen: Die Quoten seines LateNight-Talks sind so tief im Keller, dass nicht mal der (also der gedachte Hut auf dem weißen Haupt von Harald Schmidt) noch daraus hervorlugt. Allenthalben großes Bedauern – Schmidt sei schließlich einer der Miterfinder und prägenden Gestalter des Formats gewesen; was war das seinerzeit noch toll mit Herbert Feuerstein im ungleichen Duo, aber na ja, die Zeit bleibt nicht stehen.
Apropos: Vielleicht ist die Zeit des inflationären TV-Gequassels ja tatsächlich vorbei? Sozusagen gegessen: Das erinnert mich an meine Kindheitserlebnisse beim Bauern in der Nachbarschaft. Die dort ständig den Hof vollscheißende Hühnerschar dokumentierte ihre Schwarmintelligenz vor allem durch lautstarkes „Talk, talk, talk, talk, talk…“. Und Bauer Lindemann brummte dazu: „Wartet nur, bald landet ihr sowieso im Topf!“
Wohl bekomm's! Und dann darf man gespannt sein, was uns im After-Talk-Zeitalter erwartet…
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – mich fesselt die aktuelle Debatte um die TV-Talk-Kultur derzeit doch mächtig. Selbst Bundestagspräsident Norbert Lammert meldet sich da zu Wort und erwartet, dass der Polit-Talk sich in Kürze von selbst totläuft: Die üblichen Verdächtigen gäben sich bei Illner, Plasberg und Jauch die Klinke in die Hand, murrt er, und die Moderatoren sähen ihre Funktion darin, spätestens dann, wenn die ernsthafte Debatte eines ernsthaften Problems drohe, lenkend einzugreifen, um wieder in seichteres Fahrwasser zu geraten. Dass im Fernsehen vieles, wenn nicht alles zur Unterhaltung gerät, hat uns Neil Postman in „Wir amüsieren uns zu Tode“ (Huxleys „Schöne neue Welt“ stand Pate) schon vor einem reichlichen Vierteljahrhundert gepredigt. Und Marshall McLuhan hat es Jahre vorher auch schon gewusst: „The medium is the message“ – das Medium beeinflusst den Charakter dessen, was darüber verbreitet wird. Und daran hat sich offenbar wenig geändert.
Aber das Thema hat ja viele Fassetten. Da ist das mitunter nicht von Häme freie Mitleiden mit dem großen Blonden, der nunmehr vom ZDF-Samstagabend auf den Vorabend der ARD gerutscht ist und dabei seine vielen Fans verloren zu haben scheint. Aber mal ehrlich: Wer will…; nein: Wer kann denn Gottschalk um diese Zeit sehen? Da werden doch Babys gewickelt und Pizzen bestellt, da schaut man noch mal rasch in die Zeitung, was um 20.15 Uhr kommt oder ob man doch lieber ins Kino ausweicht, da fällt hier und da wohl auch ein kleines Nickerchen ab oder der Gassi-Gang mit Moppi steht an. Und wenn der Frühling erst mal richtig da ist, dass man wieder ohne Blasenentzündungsgefahr auf dem Rasen sitzen kann, dann werden auch die inzwischen georderten Studiozuschauer das Format nicht retten. Wetten dass…?
Nun aber hat es auch den Altmeister erwischt: „Dirty Harry“ muss bei Sat1 seinen Hut nehmen: Die Quoten seines LateNight-Talks sind so tief im Keller, dass nicht mal der (also der gedachte Hut auf dem weißen Haupt von Harald Schmidt) noch daraus hervorlugt. Allenthalben großes Bedauern – Schmidt sei schließlich einer der Miterfinder und prägenden Gestalter des Formats gewesen; was war das seinerzeit noch toll mit Herbert Feuerstein im ungleichen Duo, aber na ja, die Zeit bleibt nicht stehen.
Apropos: Vielleicht ist die Zeit des inflationären TV-Gequassels ja tatsächlich vorbei? Sozusagen gegessen: Das erinnert mich an meine Kindheitserlebnisse beim Bauern in der Nachbarschaft. Die dort ständig den Hof vollscheißende Hühnerschar dokumentierte ihre Schwarmintelligenz vor allem durch lautstarkes „Talk, talk, talk, talk, talk…“. Und Bauer Lindemann brummte dazu: „Wartet nur, bald landet ihr sowieso im Topf!“
Wohl bekomm's! Und dann darf man gespannt sein, was uns im After-Talk-Zeitalter erwartet…
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Montag, 26. März 2012
Gewichtige Gedanken
zirkustiger, 12:54h
26. März
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – mir ist diese Information jedenfalls auf den Magen geschlagen. Noch dazu in dieser Situation: Da kommt man einigermaßen erholt und halbwegs fit aus dem Aktiv-Urlaub auf La Gomera zurück und stolpert bei der Zeitungsnachlese der vergangenen medienabstinenten Tage gleich über diese Schlagzeile: „Sachsen-Anhalt ist ganz dicke da“! Das Statistische Landesamt habe in einer Studie herausgefunden, dass nirgendwo in Deutschland mehr Übergewichtige leben als in unserem Bindestrich-Bundesland, wo die Leute also nicht nur früher aufstehen, sondern offenbar dann auch gleich mehr zulangen zum Frühstück. Und gerade uns Männern geht’s da ans Eingemachte (oder besser gesagt: ans Eingelagerte): Nahezu zwei Drittel der männlichen Bevölkerung seien übergewichtig oder sogar krankhaft fettsüchtig…
Man kommt ins Grübeln, nicht wahr. Also fettsüchtig – nein, das ja nun nicht gerade. Aber übergewichtig – na ja. Fünf Kilo weniger wären schon ganz schön. Sicher, das sagt man sich immer mal wieder, aber nun hat man ja einen realen Bezug. Zur Statistik und zum frischen Urlaubserlebnis. Fünf Kilo drüber, das klingt eigentlich auch ganz harmlos, oder? Aber wenn man sich das bildlich vorstellt (und ich stelle mir die Dinge gerne bildlich vor), dann verliert die Sache ihren Charme: Leg dich einfach mal probehalber auf den Rücken und lass dir fünfzig Tafeln Schokolade (hierbei ist die Geschmacksrichtung durchaus zweitrangig) auf dem Körper verteilen. Oder zwanzig Stücken Butter. Das sieht ganz schön blöd aus, sage ich dir. Besonders rund um die Hüften.
Und fünf Kilo drüber, das heißt ja auch, dass du beim Wandern alle zehn Schritte einen Zentnersack hochgehoben hast. Zusätzlich! Da kommt einiges zusammen in der letzten Woche. Und wer schon mal auf Gomera gewandert ist, der weiß, dass das keine Wanderwege wie im Harz oder im Schwarzwald sind, wo es sanft mal rauf, mal runter geht und sich alles zumeist auf einem Höhenniveau bewegt. Da sind die zehnprozentigen Steigungen die Erholungsphasen und steinige Abstiege über 800 Höhenmeter die Regel. Täten mir die Knie also heute weniger weh, wenn ich diese ominösen fünf Kilo weniger drauf hätte? Wenn ich hinterher auf den warmen Ziegenkäse mit Palmhonig und Walnüssen verzichtet hätte? Und wenn ich jetzt nicht gleich wieder vor dem Bildschirm säße, sondern besser den Weg ins Sportstudio um die Ecke fände?
Fragen über Fragen. Ich muss nachdenken und koche mir erst mal einen Tee. Ohne Zucker.
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – mir ist diese Information jedenfalls auf den Magen geschlagen. Noch dazu in dieser Situation: Da kommt man einigermaßen erholt und halbwegs fit aus dem Aktiv-Urlaub auf La Gomera zurück und stolpert bei der Zeitungsnachlese der vergangenen medienabstinenten Tage gleich über diese Schlagzeile: „Sachsen-Anhalt ist ganz dicke da“! Das Statistische Landesamt habe in einer Studie herausgefunden, dass nirgendwo in Deutschland mehr Übergewichtige leben als in unserem Bindestrich-Bundesland, wo die Leute also nicht nur früher aufstehen, sondern offenbar dann auch gleich mehr zulangen zum Frühstück. Und gerade uns Männern geht’s da ans Eingemachte (oder besser gesagt: ans Eingelagerte): Nahezu zwei Drittel der männlichen Bevölkerung seien übergewichtig oder sogar krankhaft fettsüchtig…
Man kommt ins Grübeln, nicht wahr. Also fettsüchtig – nein, das ja nun nicht gerade. Aber übergewichtig – na ja. Fünf Kilo weniger wären schon ganz schön. Sicher, das sagt man sich immer mal wieder, aber nun hat man ja einen realen Bezug. Zur Statistik und zum frischen Urlaubserlebnis. Fünf Kilo drüber, das klingt eigentlich auch ganz harmlos, oder? Aber wenn man sich das bildlich vorstellt (und ich stelle mir die Dinge gerne bildlich vor), dann verliert die Sache ihren Charme: Leg dich einfach mal probehalber auf den Rücken und lass dir fünfzig Tafeln Schokolade (hierbei ist die Geschmacksrichtung durchaus zweitrangig) auf dem Körper verteilen. Oder zwanzig Stücken Butter. Das sieht ganz schön blöd aus, sage ich dir. Besonders rund um die Hüften.
Und fünf Kilo drüber, das heißt ja auch, dass du beim Wandern alle zehn Schritte einen Zentnersack hochgehoben hast. Zusätzlich! Da kommt einiges zusammen in der letzten Woche. Und wer schon mal auf Gomera gewandert ist, der weiß, dass das keine Wanderwege wie im Harz oder im Schwarzwald sind, wo es sanft mal rauf, mal runter geht und sich alles zumeist auf einem Höhenniveau bewegt. Da sind die zehnprozentigen Steigungen die Erholungsphasen und steinige Abstiege über 800 Höhenmeter die Regel. Täten mir die Knie also heute weniger weh, wenn ich diese ominösen fünf Kilo weniger drauf hätte? Wenn ich hinterher auf den warmen Ziegenkäse mit Palmhonig und Walnüssen verzichtet hätte? Und wenn ich jetzt nicht gleich wieder vor dem Bildschirm säße, sondern besser den Weg ins Sportstudio um die Ecke fände?
Fragen über Fragen. Ich muss nachdenken und koche mir erst mal einen Tee. Ohne Zucker.
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Mittwoch, 14. März 2012
Urlaub virtuell
zirkustiger, 21:34h
14. März
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich fühle mich auf meine Urlaube von Mal zu Mal schlechter vorbereitet. Irgendwie reicht meine Technik nicht mehr aus: Ich kann die App des Reiseveranstalters nicht downloaden, der Reiseführer hat seine Karten mit für mich nicht nutzbaren GPS-Daten gespickt, und auf GoogleEarth habe ich mir zum Erstaunen eines hoch digitalisierten Kollegen auch noch nicht angeschaut, wie weit das gebuchte Appartement vom Strand entfernt liegt. Im Koffer habe ich drei traditionell auf Papier gedruckte Bücher anstatt eines eBook-Readers, und beinahe hätte ich meine Frau gefragt, ob sie auch ausreichend Filme gekauft hat - Kleinbild und Dia. Aber da sind wir natürlich auch schon drüber hinaus. Und ich kann das ja jetzt sogar bloggen. Welch ein Fortschritt! - Aber: Jetzt ist erstmal Urlaub. Traditionell und analog, basta!
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich fühle mich auf meine Urlaube von Mal zu Mal schlechter vorbereitet. Irgendwie reicht meine Technik nicht mehr aus: Ich kann die App des Reiseveranstalters nicht downloaden, der Reiseführer hat seine Karten mit für mich nicht nutzbaren GPS-Daten gespickt, und auf GoogleEarth habe ich mir zum Erstaunen eines hoch digitalisierten Kollegen auch noch nicht angeschaut, wie weit das gebuchte Appartement vom Strand entfernt liegt. Im Koffer habe ich drei traditionell auf Papier gedruckte Bücher anstatt eines eBook-Readers, und beinahe hätte ich meine Frau gefragt, ob sie auch ausreichend Filme gekauft hat - Kleinbild und Dia. Aber da sind wir natürlich auch schon drüber hinaus. Und ich kann das ja jetzt sogar bloggen. Welch ein Fortschritt! - Aber: Jetzt ist erstmal Urlaub. Traditionell und analog, basta!
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Dienstag, 6. März 2012
Noch mal Glück gehabt
zirkustiger, 20:43h
6. März
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – mich hat es jedenfalls nicht überrascht, auf welche Weise die Kaulitz-Brüder soeben aus der Versenkung auftauchen und wieder ein paar Zeilen in den Gazetten gewidmet bekommen. Da hocken sie nun seit anderthalb Jahren in den USA mit jenem Menschen, der sich bei ihnen ja angeblich um alles kümmert, rum, um an einem neuen Album zu basteln, auf das wohl nicht mal mehr die kreischenden Teenies von einst wirklich warten. Was sollen sie auch mit diesem ausgemergelten und selbst verunstalteten Jammerlappen anfangen, den uns die Paparazzi da frei Haus servieren? Und der mal ihr Idol war: Der Bill aus Magdeburg mit der schwarz gestylten Mähne und dem glatten, weißen Mädchen-Gesicht, der süße kleine Bruder von Tom, der hinter den gepiercten Ohren immer noch grün und feucht schien, und der Sohn von Eltern, die ihre Aufsichtspflicht für ihre minderjährigen Sprösslinge auf sträfliche Weise vernachlässigt haben und dennoch keinen Richter fürchten müssen (fürchte ich).
Gregor und Gustav, die im Schatten als Rhythmusgruppe auch nicht schlecht vor sich hin vegetierten, scheinen ja irgendwie den Absprung gekriegt zu haben; schön für sie – was mögen sie nun denken über das Brüderpaar, dem das Rampenlicht so rasch die Seele verätzt hat? Dabei war es doch so schön still um sie alle geworden seit dem Monsun und dem Schrei – selbst die Tokio-Hotel-Witze-Seiten im Internet haben seit 2009 kaum neues Material erhalten (also konnten schon da viele nicht mehr drüber lachen).
Das habe ich gewusst, dass es so endet, sagt meine Frau und schaut mich über die Zeitung hinweg an. Du hast es schon damals gesagt, bestätige ich.
Und denke, klar wolltest du auch in dem Alter groß rauskommen. Und der Teufel greift sich bekanntlich jeden kleinen Finger, und die Hand dran, und den Mann. Man muss ja direkt froh sein, dass man selber nie wirklich in diese Versuchung kam. Was hätte nicht alles passieren können, als ich mir mit 14 die erste Gitarre bezupfte?! Und mit 17 dann das Herzklopfen in der Schüler-Combo: Nachmittags im „Haus der Jungend“ zum Tanztee! Nicht ein BH flog auf die Bühne! Dabei hatte ich meine Akne übersalbt, so gut es ging, und sang, so schön ich konnte: „Heart of stone“ und „Bad moon rising“. Und „Anna-Maria“, das war von den Roten Gitarren und ein echter Büchsenöffner, wie die Jungs aus der Zwölften grinsend klugschissen, wenn sie mit unseren Mädels (denen aus der Elften) abzogen, während wir noch die Boxen in den Instrumentenkeller schleppen mussten. Über der Bühne hing noch die Losung zum 1. Mai (oder zum Frauentag?), und das magere Honorar floss in die Raten für die Anlage, die wir unseren musikalischen Vorgängern an der Schule abgekauft hatten. In deren Reihen saß übrigens ein späterer Wirtschaftsminister am Schlagzeug (was im Klartext heißt, dass wir einen Haufen Geld für den Mist hingelegt haben). Natürlich war diese Karriere damals nicht unbedingt abzusehen, obwohl uns schon klar war, dass es nur am Schlagzeug ein schweres Leben für ihn werden würde.
So viel zu den alten Zeiten, in denen auch ich das Pech hätte haben können, wie Bill und Tom zu enden.
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – mich hat es jedenfalls nicht überrascht, auf welche Weise die Kaulitz-Brüder soeben aus der Versenkung auftauchen und wieder ein paar Zeilen in den Gazetten gewidmet bekommen. Da hocken sie nun seit anderthalb Jahren in den USA mit jenem Menschen, der sich bei ihnen ja angeblich um alles kümmert, rum, um an einem neuen Album zu basteln, auf das wohl nicht mal mehr die kreischenden Teenies von einst wirklich warten. Was sollen sie auch mit diesem ausgemergelten und selbst verunstalteten Jammerlappen anfangen, den uns die Paparazzi da frei Haus servieren? Und der mal ihr Idol war: Der Bill aus Magdeburg mit der schwarz gestylten Mähne und dem glatten, weißen Mädchen-Gesicht, der süße kleine Bruder von Tom, der hinter den gepiercten Ohren immer noch grün und feucht schien, und der Sohn von Eltern, die ihre Aufsichtspflicht für ihre minderjährigen Sprösslinge auf sträfliche Weise vernachlässigt haben und dennoch keinen Richter fürchten müssen (fürchte ich).
Gregor und Gustav, die im Schatten als Rhythmusgruppe auch nicht schlecht vor sich hin vegetierten, scheinen ja irgendwie den Absprung gekriegt zu haben; schön für sie – was mögen sie nun denken über das Brüderpaar, dem das Rampenlicht so rasch die Seele verätzt hat? Dabei war es doch so schön still um sie alle geworden seit dem Monsun und dem Schrei – selbst die Tokio-Hotel-Witze-Seiten im Internet haben seit 2009 kaum neues Material erhalten (also konnten schon da viele nicht mehr drüber lachen).
Das habe ich gewusst, dass es so endet, sagt meine Frau und schaut mich über die Zeitung hinweg an. Du hast es schon damals gesagt, bestätige ich.
Und denke, klar wolltest du auch in dem Alter groß rauskommen. Und der Teufel greift sich bekanntlich jeden kleinen Finger, und die Hand dran, und den Mann. Man muss ja direkt froh sein, dass man selber nie wirklich in diese Versuchung kam. Was hätte nicht alles passieren können, als ich mir mit 14 die erste Gitarre bezupfte?! Und mit 17 dann das Herzklopfen in der Schüler-Combo: Nachmittags im „Haus der Jungend“ zum Tanztee! Nicht ein BH flog auf die Bühne! Dabei hatte ich meine Akne übersalbt, so gut es ging, und sang, so schön ich konnte: „Heart of stone“ und „Bad moon rising“. Und „Anna-Maria“, das war von den Roten Gitarren und ein echter Büchsenöffner, wie die Jungs aus der Zwölften grinsend klugschissen, wenn sie mit unseren Mädels (denen aus der Elften) abzogen, während wir noch die Boxen in den Instrumentenkeller schleppen mussten. Über der Bühne hing noch die Losung zum 1. Mai (oder zum Frauentag?), und das magere Honorar floss in die Raten für die Anlage, die wir unseren musikalischen Vorgängern an der Schule abgekauft hatten. In deren Reihen saß übrigens ein späterer Wirtschaftsminister am Schlagzeug (was im Klartext heißt, dass wir einen Haufen Geld für den Mist hingelegt haben). Natürlich war diese Karriere damals nicht unbedingt abzusehen, obwohl uns schon klar war, dass es nur am Schlagzeug ein schweres Leben für ihn werden würde.
So viel zu den alten Zeiten, in denen auch ich das Pech hätte haben können, wie Bill und Tom zu enden.
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Sonntag, 4. März 2012
Manche Männer mögen‘s malzig
zirkustiger, 20:49h
4. März
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich bin jedenfalls froh, dass auch in heutigen Zeiten manche Dinge ihre feste Ordnung haben. Und Klischees glücklicherweise kein Verfallsdatum besitzen. Da hat man doch etwas, woran man sich halten kann in Zeiten des Schwankens und Wankens. So ist das zum Beispiel in Bezug auf Männer und Frauen – immer wieder wird einem klar (gemacht), dass es wirklich genauso simpel ist wie in einschlägigen Herrenwitzen, den TV-Serien am Vorabend oder in der inflationären Ratgeberliteratur: Frauen sind nicht nur anders, sondern reden viel, gehen gern shoppen und parken dabei bekanntermaßen schlecht ein; Männer potenzieren sich durch Porsches, können besser sehen als denken (der Spruch steht in meinem Fitness-Studio – echt!), und wenn sie denken, dann sowieso immer nur an das eine. Na, und außerdem trinken sie Bier, genau!
Auf diesen Zug springen nun die Marketing-Strategen meiner Wahlheimatstadt Halle hemmungslos auf: Die ultimative Herrenhandtasche hat dort soeben das Licht der Werbewelt erblickt. Und damit dieses Ereignis nicht auf die mitteldeutsche Möchtergern-Metropole beschränkt bleibt, stelle ich meinen Blog hiermit als Werbeplattform zur Verfügung, ganz ohne Tantiemen übrigens:
Was ist nun das Besondere an diesem Pappkarton voll Bier? Nun, es ist erstens kein gewöhnlicher Six-Pack, sondern ein Eight-Pack! Der hallesche Mann braucht eben etwas mehr an halben Litern. Außerdem wird auf die malzige Note hingewiesen (na ja, wer’s mag). Und als Give-away gibt’s ein Säckchen Hallorensalz. Damit kann man der Holden dann zusätzlich den Abend versalzen, oder (falls selbige bereits das Weite gesucht hat) es sich in der trauten Männerrunde in die gemeinsam zu leckenden Wunden streuen. Jedenfalls ein schönes Aushängeschild für die Kulturhauptstadt Halle und ihr maskulines Selbstbewusstsein, das sich der Marketing-Chef da hat einfallen lassen. Also pardon – ich nehme mal an, dass er es war?! Oder hat ihm da eine Mitarbeiterin einen anzüglichen Streich gespielt? In diesem Falle empfehle ich, erbarmungslos zurückzuschlagen – mit einem Likör-Köfferchen samt Cocktail-Kleid!
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich bin jedenfalls froh, dass auch in heutigen Zeiten manche Dinge ihre feste Ordnung haben. Und Klischees glücklicherweise kein Verfallsdatum besitzen. Da hat man doch etwas, woran man sich halten kann in Zeiten des Schwankens und Wankens. So ist das zum Beispiel in Bezug auf Männer und Frauen – immer wieder wird einem klar (gemacht), dass es wirklich genauso simpel ist wie in einschlägigen Herrenwitzen, den TV-Serien am Vorabend oder in der inflationären Ratgeberliteratur: Frauen sind nicht nur anders, sondern reden viel, gehen gern shoppen und parken dabei bekanntermaßen schlecht ein; Männer potenzieren sich durch Porsches, können besser sehen als denken (der Spruch steht in meinem Fitness-Studio – echt!), und wenn sie denken, dann sowieso immer nur an das eine. Na, und außerdem trinken sie Bier, genau!
Auf diesen Zug springen nun die Marketing-Strategen meiner Wahlheimatstadt Halle hemmungslos auf: Die ultimative Herrenhandtasche hat dort soeben das Licht der Werbewelt erblickt. Und damit dieses Ereignis nicht auf die mitteldeutsche Möchtergern-Metropole beschränkt bleibt, stelle ich meinen Blog hiermit als Werbeplattform zur Verfügung, ganz ohne Tantiemen übrigens:
Was ist nun das Besondere an diesem Pappkarton voll Bier? Nun, es ist erstens kein gewöhnlicher Six-Pack, sondern ein Eight-Pack! Der hallesche Mann braucht eben etwas mehr an halben Litern. Außerdem wird auf die malzige Note hingewiesen (na ja, wer’s mag). Und als Give-away gibt’s ein Säckchen Hallorensalz. Damit kann man der Holden dann zusätzlich den Abend versalzen, oder (falls selbige bereits das Weite gesucht hat) es sich in der trauten Männerrunde in die gemeinsam zu leckenden Wunden streuen. Jedenfalls ein schönes Aushängeschild für die Kulturhauptstadt Halle und ihr maskulines Selbstbewusstsein, das sich der Marketing-Chef da hat einfallen lassen. Also pardon – ich nehme mal an, dass er es war?! Oder hat ihm da eine Mitarbeiterin einen anzüglichen Streich gespielt? In diesem Falle empfehle ich, erbarmungslos zurückzuschlagen – mit einem Likör-Köfferchen samt Cocktail-Kleid!
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Donnerstag, 1. März 2012
Gedanken zum Tage
zirkustiger, 18:58h
1. März
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber das heutige Datum hat sich mir als gelerntem (und noch dazu männlichem) DDR-Bürger nachhaltig eingebrannt. Und dabei gehöre ich nicht zu jenen, die lustige Anekdoten von ihrer Zeit bei der Fahne drauf haben und wo alles im Nachhinein zum maskulinen Abenteuer mit Schnitzeljagd, Maskenball und scharfem Schuss mutiert. Es war einfach nur beschissen. Und eigentlich will ich gar nicht weiter dran denken...
Dann schlage ich heute die Zeitung auf und finde neben diversen Anzeigen und Geburtstagsglückwünschen diesen Spruch:
Du denkst, du träumst. Zudem bekomme ich auf meine dumme Frage, was die MSD denn eigentlich sei, von meinem Arbeitskollegen ein fröhliches „Na, Mensch, Alter: Mot.-Schützen-Division“ entgegengeschmettert (und ich ahne, dass er mir ein paar tolle Erlebnisse berichten könnte, auf die ich aber nicht scharf bin). Also blättere ich still weiter und denke mir meinen Teil. Irgendwie skurril, dass dieser Offizier tatsächlich Grenzebach heißt. Ich kenne übrigens auch einen, einen Grenzbach: Die Kalte Bode hinterm Brocken bei Sorge – heute darf man da getrost entlangspazieren, und das Grenzdenkmal mit Beobachtungsturm und Doppelzaun liegt ziemlich verborgen im Walde.
Und nun fällt mir tatsächlich eine Anekdote ein im Zusammenhang mit dem heutigen Datum (aha – nun also doch, denkt ihr jetzt sicher – wartet ab!): Vor 27 Jahren stand die Geburt unseren Sohnes an, und als Datum war vom Gynäkologen der 1. März avisiert. Alles, nur das nicht, sagte meine Frau, da bekommt der Kleine ja gleich ein Verpflichtungsschreiben mit in die Wiege gelegt. Und sie hielt tatsächlich noch zwei Tage durch. Also feiern wir übermorgen, ohne Glückwünsche des Herrn Grenzebach.
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber das heutige Datum hat sich mir als gelerntem (und noch dazu männlichem) DDR-Bürger nachhaltig eingebrannt. Und dabei gehöre ich nicht zu jenen, die lustige Anekdoten von ihrer Zeit bei der Fahne drauf haben und wo alles im Nachhinein zum maskulinen Abenteuer mit Schnitzeljagd, Maskenball und scharfem Schuss mutiert. Es war einfach nur beschissen. Und eigentlich will ich gar nicht weiter dran denken...
Dann schlage ich heute die Zeitung auf und finde neben diversen Anzeigen und Geburtstagsglückwünschen diesen Spruch:
Du denkst, du träumst. Zudem bekomme ich auf meine dumme Frage, was die MSD denn eigentlich sei, von meinem Arbeitskollegen ein fröhliches „Na, Mensch, Alter: Mot.-Schützen-Division“ entgegengeschmettert (und ich ahne, dass er mir ein paar tolle Erlebnisse berichten könnte, auf die ich aber nicht scharf bin). Also blättere ich still weiter und denke mir meinen Teil. Irgendwie skurril, dass dieser Offizier tatsächlich Grenzebach heißt. Ich kenne übrigens auch einen, einen Grenzbach: Die Kalte Bode hinterm Brocken bei Sorge – heute darf man da getrost entlangspazieren, und das Grenzdenkmal mit Beobachtungsturm und Doppelzaun liegt ziemlich verborgen im Walde.
Und nun fällt mir tatsächlich eine Anekdote ein im Zusammenhang mit dem heutigen Datum (aha – nun also doch, denkt ihr jetzt sicher – wartet ab!): Vor 27 Jahren stand die Geburt unseren Sohnes an, und als Datum war vom Gynäkologen der 1. März avisiert. Alles, nur das nicht, sagte meine Frau, da bekommt der Kleine ja gleich ein Verpflichtungsschreiben mit in die Wiege gelegt. Und sie hielt tatsächlich noch zwei Tage durch. Also feiern wir übermorgen, ohne Glückwünsche des Herrn Grenzebach.
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Dienstag, 28. Februar 2012
Das ganz große Geld
zirkustiger, 20:08h
28. Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich jedenfalls bin kein Experte fürs richtig große Geld. So im Alltag kommt alles hin, es bleibt auch mal was übrig, und ich gebe das, was ich habe, auch ganz gerne aus. Es gibt ja so viele schöne Sachen, die man sicher nicht alle notwendig braucht, aber wenn sich Leben nur auf das Notwendige beschränkt, ist es auch nicht so prickelnd. Aber wie gesagt – das richtig große Geld ist nicht so mein Ding, zumal auch meine mathematische Vorstellungskraft rasch an Grenzen stößt. Wie viel zum Beispiel sind 130 Milliarden Euro? Sicher, eine 130 mit anschließend noch neun Nullen. Aber mal umgemünzt in Geldkoffer? Wer weiß das schon. Jedenfalls ist das das Euro-Hilfspaket, das jetzt für Griechenland verabschiedet wurde. Und zu dem die Kanzlerin keine Kanzler-Mehrheit bekam, genau (wobei es in diesem Falle eigentlich Kanzlerinnen-Mehrheit heißen müsste). Aber darum geht’s mir gar nicht – bleiben wir mal beim Geld. Moment – ich brauche dazu einen Zettel (wie gesagt: meine mangelnde mathematische Vorstellungskraft).
Wir Deutschen (Gott, das kommt mir immer noch schwer aus der Tastatur) – also, wir Deutschen verfügen laut Statistik des Bundesverbandes deutscher Banken aktuell über ein Geldvermögen in Höhe von 4,93 Billionen Euro. Geldvermögen heißt: Exklusive Grundbesitz, Immobilien, Fabriken. Also nur das, was man auf der Bank, in Aktien oder von mir aus auch im Sparstrumpf hat. Eine Billion ist eine Zahl mit zwölf Nullen. Nehmen wir der Einfachheit halber hier mal fünf an: 5.000.000.000.000. Umgerechnet auf etwa 80 Millionen Deutsche (man kann erst mal viele Nullen wegkürzen, dann wird die Division einfacher) ergibt das für jeden von uns das hübsche Sümmchen von rund 60.000 Euro. Allein – das steht nur auf dem Papier. Erst dachte ich, meine Frau hat sich meine 60.000 unter den Nagel gerissen, aber sie hat mir glaubwürdig versichert, dass sie noch nicht mal ihre eigenen hat?! Unsere Kinder kommen ebenso wenig in Frage wie unsere Eltern. Und auch das befreundete Ehepaar, das wir kürzlich mit neidischem Unterton ob ihrer gemeinsamen 120.000 Euronen auf dem Sparbuch anfrozzelten, musste passen. Da beginnt man sich doch spätestens zu wundern: Wer hat denn nun eigentlich seine 60.000 flüssig verfügbar? Und vor allem: Wer hat unsere? Irgendwie muss der Durchschnitt ja rauskommen… Aber das nur am Rande, denn es führt weit weg von Griechenland (hin zum eigenen Bauchnabel). Zurück also zum Hilfspaket für die Hellenen.
Nehmen sich diese 130 Milliarden nicht geradezu lächerlich aus neben unserem deutschen Sparstrumpf? Mir ist das Gejammere jetzt fast ein bisschen peinlich, wo all die großen Zahlen hier auf meinem Zettel stehen. Nun kommt noch eine Zahl hinzu – die Gesamtsumme der deutschen Staatsverschuldung: Die Bundesrepublik Deutschland steht momentan bei ihren Gläubigern mit nicht mal zwei Billionen Euro in der Kreide. Klar, das ist eine hübsche Summe, und weil die Zinsuhr tickt, wird sie halt auch nicht kleiner (man kann dabei ja zuschauen in Berlin). Aber verglichen mit dem, was hier auf der hohen Kante rumliegt… Klar ausgesprochen: Gäbe jeder von uns ein Drittel von dem, was er hat, wären wir über Nacht schuldenfrei. Aber jeder müsste mitmachen, ehrlich und ohne Hintertürchen in ein Schweizer Bankhaus. Der Penner, der sich heute drei Euro zusammengeschnorrt hat, gibt einen davon ab. Wer 30 Euro hat, legt zehn in den gemeinsamen Topf. Ich lege mein Drittel dazu, und der drei Millionen hat, gibt eine davon her. Und so weiter. Stellt euch vor – wir könnten wieder ruhig schlafen, weil unsere Enkel nicht an unseren Staatsschulden rumknaupeln müssten… Wie bitte? Ihr schlaft auch so ruhig? Wahrscheinlich habt ihr euern Sparstrumpf unterm Kopfkissen, was? Ja, ja – ist ja gut. Ich schmeiß meinen Zettel in den Papierkorb und weiß ja selbst, dass so nur Milchmädchen rechnen und keine erwachsenen Menschen. Zumal wenn sie Deutsche sind.
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich jedenfalls bin kein Experte fürs richtig große Geld. So im Alltag kommt alles hin, es bleibt auch mal was übrig, und ich gebe das, was ich habe, auch ganz gerne aus. Es gibt ja so viele schöne Sachen, die man sicher nicht alle notwendig braucht, aber wenn sich Leben nur auf das Notwendige beschränkt, ist es auch nicht so prickelnd. Aber wie gesagt – das richtig große Geld ist nicht so mein Ding, zumal auch meine mathematische Vorstellungskraft rasch an Grenzen stößt. Wie viel zum Beispiel sind 130 Milliarden Euro? Sicher, eine 130 mit anschließend noch neun Nullen. Aber mal umgemünzt in Geldkoffer? Wer weiß das schon. Jedenfalls ist das das Euro-Hilfspaket, das jetzt für Griechenland verabschiedet wurde. Und zu dem die Kanzlerin keine Kanzler-Mehrheit bekam, genau (wobei es in diesem Falle eigentlich Kanzlerinnen-Mehrheit heißen müsste). Aber darum geht’s mir gar nicht – bleiben wir mal beim Geld. Moment – ich brauche dazu einen Zettel (wie gesagt: meine mangelnde mathematische Vorstellungskraft).
Wir Deutschen (Gott, das kommt mir immer noch schwer aus der Tastatur) – also, wir Deutschen verfügen laut Statistik des Bundesverbandes deutscher Banken aktuell über ein Geldvermögen in Höhe von 4,93 Billionen Euro. Geldvermögen heißt: Exklusive Grundbesitz, Immobilien, Fabriken. Also nur das, was man auf der Bank, in Aktien oder von mir aus auch im Sparstrumpf hat. Eine Billion ist eine Zahl mit zwölf Nullen. Nehmen wir der Einfachheit halber hier mal fünf an: 5.000.000.000.000. Umgerechnet auf etwa 80 Millionen Deutsche (man kann erst mal viele Nullen wegkürzen, dann wird die Division einfacher) ergibt das für jeden von uns das hübsche Sümmchen von rund 60.000 Euro. Allein – das steht nur auf dem Papier. Erst dachte ich, meine Frau hat sich meine 60.000 unter den Nagel gerissen, aber sie hat mir glaubwürdig versichert, dass sie noch nicht mal ihre eigenen hat?! Unsere Kinder kommen ebenso wenig in Frage wie unsere Eltern. Und auch das befreundete Ehepaar, das wir kürzlich mit neidischem Unterton ob ihrer gemeinsamen 120.000 Euronen auf dem Sparbuch anfrozzelten, musste passen. Da beginnt man sich doch spätestens zu wundern: Wer hat denn nun eigentlich seine 60.000 flüssig verfügbar? Und vor allem: Wer hat unsere? Irgendwie muss der Durchschnitt ja rauskommen… Aber das nur am Rande, denn es führt weit weg von Griechenland (hin zum eigenen Bauchnabel). Zurück also zum Hilfspaket für die Hellenen.
Nehmen sich diese 130 Milliarden nicht geradezu lächerlich aus neben unserem deutschen Sparstrumpf? Mir ist das Gejammere jetzt fast ein bisschen peinlich, wo all die großen Zahlen hier auf meinem Zettel stehen. Nun kommt noch eine Zahl hinzu – die Gesamtsumme der deutschen Staatsverschuldung: Die Bundesrepublik Deutschland steht momentan bei ihren Gläubigern mit nicht mal zwei Billionen Euro in der Kreide. Klar, das ist eine hübsche Summe, und weil die Zinsuhr tickt, wird sie halt auch nicht kleiner (man kann dabei ja zuschauen in Berlin). Aber verglichen mit dem, was hier auf der hohen Kante rumliegt… Klar ausgesprochen: Gäbe jeder von uns ein Drittel von dem, was er hat, wären wir über Nacht schuldenfrei. Aber jeder müsste mitmachen, ehrlich und ohne Hintertürchen in ein Schweizer Bankhaus. Der Penner, der sich heute drei Euro zusammengeschnorrt hat, gibt einen davon ab. Wer 30 Euro hat, legt zehn in den gemeinsamen Topf. Ich lege mein Drittel dazu, und der drei Millionen hat, gibt eine davon her. Und so weiter. Stellt euch vor – wir könnten wieder ruhig schlafen, weil unsere Enkel nicht an unseren Staatsschulden rumknaupeln müssten… Wie bitte? Ihr schlaft auch so ruhig? Wahrscheinlich habt ihr euern Sparstrumpf unterm Kopfkissen, was? Ja, ja – ist ja gut. Ich schmeiß meinen Zettel in den Papierkorb und weiß ja selbst, dass so nur Milchmädchen rechnen und keine erwachsenen Menschen. Zumal wenn sie Deutsche sind.
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Montag, 27. Februar 2012
Ein Flop kommt selten allein
zirkustiger, 15:19h
27. Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber mir stellt sich dieser graue Blechkasten, genannt Personalcomputer, an dessen Tastatur ich dies gerade schreibe, als eine Ehrfurcht einflößende Blackbox dar. Was drinnen abgeht zwischen Prozessor und Festplatte, Laufwerken und Arbeitsspeichern, das will ich gar nicht wissen. Verstehen würde ich es ohnehin nicht. Allerdings käme ich auch nicht ernsthaft auf den Gedanken, dieser Kiste so etwas wie Intelligenz zuzubilligen. Dazu sind mir ihre häufigen Fehlermeldungen viel zu dämlich formuliert. Wie sagte ein geschätzter ehemaliger Kollege stets: Das intellektuelle Problem sitzt immer vor dem Computer… Gott sei Dank, und so sollte es auch bleiben!
Nun aber schreckt mich diese Meldung auf: Der schnellste Computer Deutschlands sei kürzlich in Stuttgart in Betrieb gegangen. Das Bundesforschungsministerium habe ihn „Hermit“ getauft, was ja so viel wie Einsiedler oder Eremit bedeutet. Komischer Name für einen Superrechner, oder? Man hat sofort Stanley Kubricks HAL im Hinterkopf, der in „2001 – Odyssee im Weltraum“ ja auch ausgesprochen eigenbrötlerisch agiert. Jedenfalls scheint diese schwäbische Maschine meinen Home-PC doch deutlich zu übertreffen, nicht nur durch ihre 20-tausendfache Rechenleistung, nein: Diese Maschine besitzt ganz offensichtlich Intelligenz, und noch dazu eine uns weit überlegene. Wie sonst wäre die Pressemeldung zu deuten, Hermit solle künftig „unter anderem komplexe Fragestellungen aus den Bereichen Gesundheit, Energie, Umwelt und Mobilität beantworten“?! Ja, genau, richtig gehört & gelesen: beantworten! Nicht etwa uns bei deren Beantwortung unterstützen, nein – wir delegieren all diese brennenden Fragen mal weiter an HAL, äh, Hermit, und der wird es dann schon richten. Das macht mich hilflos und froh, denn natürlich bin ich auch dringend an Antworten interessiert.
Zweifel bleiben dennoch. Das hat aber wohl mehr mit meiner Sprachsensibilität zu tun. Die Leistungsfähigkeit von Hermit wird nämlich mit einem Petaflop angegeben. Petaflop? Man kennt ja so diverse Flops in Politik und Wirtschaft, Medien und Alltag (Dick Fosburys erfolgreiche Rolle rückwärts ist da eher die positive Ausnahme). Und auch, wenn mir gesagt wird, dass Petaflop (nomen est omen?) die Maßeinheit für eine Billiarde Rechenleistungen pro Sekunde darstellt, hoffe ich nur, dass uns in diesem Falle nicht ein Mega-Flop droht. Zumindest bezüglich der Erwartung, dass so ein elektronisches Superhirn jene „komplexen Fragestellungen“ zu lösen vermag, für deren Beantwortung wir uns gefälligst selber – und möglichst gemeinsam – auf den Hosenboden (und die Gehirnwindungen in Gang) setzen sollten…
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber mir stellt sich dieser graue Blechkasten, genannt Personalcomputer, an dessen Tastatur ich dies gerade schreibe, als eine Ehrfurcht einflößende Blackbox dar. Was drinnen abgeht zwischen Prozessor und Festplatte, Laufwerken und Arbeitsspeichern, das will ich gar nicht wissen. Verstehen würde ich es ohnehin nicht. Allerdings käme ich auch nicht ernsthaft auf den Gedanken, dieser Kiste so etwas wie Intelligenz zuzubilligen. Dazu sind mir ihre häufigen Fehlermeldungen viel zu dämlich formuliert. Wie sagte ein geschätzter ehemaliger Kollege stets: Das intellektuelle Problem sitzt immer vor dem Computer… Gott sei Dank, und so sollte es auch bleiben!
Nun aber schreckt mich diese Meldung auf: Der schnellste Computer Deutschlands sei kürzlich in Stuttgart in Betrieb gegangen. Das Bundesforschungsministerium habe ihn „Hermit“ getauft, was ja so viel wie Einsiedler oder Eremit bedeutet. Komischer Name für einen Superrechner, oder? Man hat sofort Stanley Kubricks HAL im Hinterkopf, der in „2001 – Odyssee im Weltraum“ ja auch ausgesprochen eigenbrötlerisch agiert. Jedenfalls scheint diese schwäbische Maschine meinen Home-PC doch deutlich zu übertreffen, nicht nur durch ihre 20-tausendfache Rechenleistung, nein: Diese Maschine besitzt ganz offensichtlich Intelligenz, und noch dazu eine uns weit überlegene. Wie sonst wäre die Pressemeldung zu deuten, Hermit solle künftig „unter anderem komplexe Fragestellungen aus den Bereichen Gesundheit, Energie, Umwelt und Mobilität beantworten“?! Ja, genau, richtig gehört & gelesen: beantworten! Nicht etwa uns bei deren Beantwortung unterstützen, nein – wir delegieren all diese brennenden Fragen mal weiter an HAL, äh, Hermit, und der wird es dann schon richten. Das macht mich hilflos und froh, denn natürlich bin ich auch dringend an Antworten interessiert.
Zweifel bleiben dennoch. Das hat aber wohl mehr mit meiner Sprachsensibilität zu tun. Die Leistungsfähigkeit von Hermit wird nämlich mit einem Petaflop angegeben. Petaflop? Man kennt ja so diverse Flops in Politik und Wirtschaft, Medien und Alltag (Dick Fosburys erfolgreiche Rolle rückwärts ist da eher die positive Ausnahme). Und auch, wenn mir gesagt wird, dass Petaflop (nomen est omen?) die Maßeinheit für eine Billiarde Rechenleistungen pro Sekunde darstellt, hoffe ich nur, dass uns in diesem Falle nicht ein Mega-Flop droht. Zumindest bezüglich der Erwartung, dass so ein elektronisches Superhirn jene „komplexen Fragestellungen“ zu lösen vermag, für deren Beantwortung wir uns gefälligst selber – und möglichst gemeinsam – auf den Hosenboden (und die Gehirnwindungen in Gang) setzen sollten…
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Sonntag, 26. Februar 2012
Margots späte Rache
zirkustiger, 12:26h
26. Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich befürchte inzwischen eine Wiederauferstehung des sattsam bekannten Ungeistes der sozialistischen DDR-Schule! Ja, ja, doch, doch! Und: Nein, keineswegs im Geheimen, sondern gefordert und gefördert von Verwaltungen, Institutionen und sogar Ministerien! Ob man nun die Volksbildungs-Mafia dahinter vermutet, ewig gestrige Hortnerinnen im Vorruhestand, die ihr ehrenamtliches Engagement dahingehend missbrauchen, sich erneut wendende Wendehälse oder Jungfunktionäre, die auf geheimnisvolle Weise mit alten Ideologien indoktriniert werden konnten, sei dahingestellt. Fakt ist jedenfalls: Die DDR-Volksbildhauerei feiert fröhliche Urstände, und das unter unser aller Augen. Ein Skandal, nicht wahr?!
Ich sei nun aber den Nachweis für meine Behauptungen schuldig, sagt ihr? Nun gut. Ich will mich da auch kurz fassen. Zum einen wird also plötzlich mal wieder über längeres gemeinsames Lernen geredet. Mit umständlich demografischen Begründungen werden Gemeinschaftsschulen aus dem Hut gezaubert und mit ebenso innovativen wie überraschenden Konzepten einer Ganztagsschule verquickt. Entstehen sollen daraus pädagogische Anstalten, die auch am Nachmittag was zu bieten haben (Arbeitsgemeinschaften, Zirkel, Projekte auf kulturellem, künstlerischem oder sportlichem Gebiet) und die nicht schon die konkurrierenden Zehnjährigen in Gymnasiasten, Real- und Hauptschüler trennen. Skandalös, findet ihr nicht? Da muss doch einer den bösen Wolf (sprich: die Polytechnische Oberschule nach DDR-Prägung mit Schulhort und umfangreichen Nachmittagsangeboten) einfach in einen neuen Schafspelz gekleidet und so fast unkenntlich ins öffentliche Bewusstsein geschmuggelt haben. Ich weiß auch, welche Verfremdungen dazu führen, dass der Wachhund unserer politischen Aufmerksamkeit nicht gleich angeschlagen hat – genau: Die Verfechter dieser ungeheuer neuen Schulkonzepte verzichten auf Fahnenappelle, FDJ-Nachmittage und Bilder von Frau Merkel im Speiseraum. Aber wie lange noch? Wehret den Anfängen, sage ich nur!
Und weiter: Die Kultusministerien in Sachsen und Sachsen-Anhalt haben sich soeben auf einen gemeinsamen Modellversuch verständigt. Es geht – man höre und staune – um die „Berufsausbildung mit Abitur“. Das stellt doch die Margot H. glatt auf den Sockel! Immerhin ist diese Erfindung vor langer Zeit in der DDR getätigt worden (als Wiederentdeckung reformpädagogischer Ideen eines praxisbezogenen Unterrichts übrigens). Nun wird also mal gründlich erprobt, ob das funktioniert und welche Wirkungen es auf die Probanden hat. Den Schulforschern seien bereits jetzt einige bedenkliche Beispiele für Spätfolgen einer derartigen BAmA aufgezeigt: Der hallesche Lyriker Wilhelm Bartsch (geb. 1950), zweifellos eine der bedeutendsten literarischen Stimmen dieser Generation, hat dereinst die Berufsausbildung zum Rinderzüchter mit dem Abitur verbunden dürfen. Genauso wie André Schinkel, Vertreter der nächsten Generation und ebenfalls bereits mit zahlreichen Literaturpreisen geadelt. Offensichtlich hat die frühe Begegnung mit diversen Hornochsen und Rindviechern äußerst förderliche Effekte auf das ästhetische Empfinden und die künstlerische Kreativität. Liebe Kultusministerien, jetzt verstehe ich auch den Hintergrund des Modellversuchs: Deutschland soll so wieder zum Land der Dichter und Denker werden! Welch verteufelt schlauer Gedanke, Hut ab!
Und zu guter Letzt noch der entlarvende Hinweis, dass in Halle-Neustadt an einem Schulhort (der sich an den Ideen des französischen Reformpädagogen Celestin Freinet – bekanntermaßen überzeugter Verfechter einer sozialistischen Demokratie – orientiert!) die Zehn-, Zwölfjährigen ein Buchprojekt auf der Freinet‘schen Druckerpresse realisiert haben, das den Titel „Wenn Mutti früh zur Arbeit geht…“ trägt. Ist das nicht der Gipfel? Haben diese Sprösslinge des 21. Jahrhunderts etwa dazu auch jenes Lied gelernt, das ich vor einem halben Jahrhundert trällerte, während mir Mutti, bevor sie früh zur Arbeit ging, das blaue Halstuch ordentlich verknotete?
Wie gesagt – bleibt wachsam! Die Zeichen mehren sich, dass die Prinzen recht haben könnten: „Es war nicht alles schlecht…“!
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich befürchte inzwischen eine Wiederauferstehung des sattsam bekannten Ungeistes der sozialistischen DDR-Schule! Ja, ja, doch, doch! Und: Nein, keineswegs im Geheimen, sondern gefordert und gefördert von Verwaltungen, Institutionen und sogar Ministerien! Ob man nun die Volksbildungs-Mafia dahinter vermutet, ewig gestrige Hortnerinnen im Vorruhestand, die ihr ehrenamtliches Engagement dahingehend missbrauchen, sich erneut wendende Wendehälse oder Jungfunktionäre, die auf geheimnisvolle Weise mit alten Ideologien indoktriniert werden konnten, sei dahingestellt. Fakt ist jedenfalls: Die DDR-Volksbildhauerei feiert fröhliche Urstände, und das unter unser aller Augen. Ein Skandal, nicht wahr?!
Ich sei nun aber den Nachweis für meine Behauptungen schuldig, sagt ihr? Nun gut. Ich will mich da auch kurz fassen. Zum einen wird also plötzlich mal wieder über längeres gemeinsames Lernen geredet. Mit umständlich demografischen Begründungen werden Gemeinschaftsschulen aus dem Hut gezaubert und mit ebenso innovativen wie überraschenden Konzepten einer Ganztagsschule verquickt. Entstehen sollen daraus pädagogische Anstalten, die auch am Nachmittag was zu bieten haben (Arbeitsgemeinschaften, Zirkel, Projekte auf kulturellem, künstlerischem oder sportlichem Gebiet) und die nicht schon die konkurrierenden Zehnjährigen in Gymnasiasten, Real- und Hauptschüler trennen. Skandalös, findet ihr nicht? Da muss doch einer den bösen Wolf (sprich: die Polytechnische Oberschule nach DDR-Prägung mit Schulhort und umfangreichen Nachmittagsangeboten) einfach in einen neuen Schafspelz gekleidet und so fast unkenntlich ins öffentliche Bewusstsein geschmuggelt haben. Ich weiß auch, welche Verfremdungen dazu führen, dass der Wachhund unserer politischen Aufmerksamkeit nicht gleich angeschlagen hat – genau: Die Verfechter dieser ungeheuer neuen Schulkonzepte verzichten auf Fahnenappelle, FDJ-Nachmittage und Bilder von Frau Merkel im Speiseraum. Aber wie lange noch? Wehret den Anfängen, sage ich nur!
Und weiter: Die Kultusministerien in Sachsen und Sachsen-Anhalt haben sich soeben auf einen gemeinsamen Modellversuch verständigt. Es geht – man höre und staune – um die „Berufsausbildung mit Abitur“. Das stellt doch die Margot H. glatt auf den Sockel! Immerhin ist diese Erfindung vor langer Zeit in der DDR getätigt worden (als Wiederentdeckung reformpädagogischer Ideen eines praxisbezogenen Unterrichts übrigens). Nun wird also mal gründlich erprobt, ob das funktioniert und welche Wirkungen es auf die Probanden hat. Den Schulforschern seien bereits jetzt einige bedenkliche Beispiele für Spätfolgen einer derartigen BAmA aufgezeigt: Der hallesche Lyriker Wilhelm Bartsch (geb. 1950), zweifellos eine der bedeutendsten literarischen Stimmen dieser Generation, hat dereinst die Berufsausbildung zum Rinderzüchter mit dem Abitur verbunden dürfen. Genauso wie André Schinkel, Vertreter der nächsten Generation und ebenfalls bereits mit zahlreichen Literaturpreisen geadelt. Offensichtlich hat die frühe Begegnung mit diversen Hornochsen und Rindviechern äußerst förderliche Effekte auf das ästhetische Empfinden und die künstlerische Kreativität. Liebe Kultusministerien, jetzt verstehe ich auch den Hintergrund des Modellversuchs: Deutschland soll so wieder zum Land der Dichter und Denker werden! Welch verteufelt schlauer Gedanke, Hut ab!
Und zu guter Letzt noch der entlarvende Hinweis, dass in Halle-Neustadt an einem Schulhort (der sich an den Ideen des französischen Reformpädagogen Celestin Freinet – bekanntermaßen überzeugter Verfechter einer sozialistischen Demokratie – orientiert!) die Zehn-, Zwölfjährigen ein Buchprojekt auf der Freinet‘schen Druckerpresse realisiert haben, das den Titel „Wenn Mutti früh zur Arbeit geht…“ trägt. Ist das nicht der Gipfel? Haben diese Sprösslinge des 21. Jahrhunderts etwa dazu auch jenes Lied gelernt, das ich vor einem halben Jahrhundert trällerte, während mir Mutti, bevor sie früh zur Arbeit ging, das blaue Halstuch ordentlich verknotete?
Wie gesagt – bleibt wachsam! Die Zeichen mehren sich, dass die Prinzen recht haben könnten: „Es war nicht alles schlecht…“!
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Samstag, 25. Februar 2012
Gefrorene Bilderfluten
zirkustiger, 14:51h
25. Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich habe immer öfter das Gefühl, in einer Bilderflut zu versinken. Nein, nein, ich meine das gar nicht medienpädagogisch angesichts der allgegenwärtigen visuellen Schwemme, die uns aus diversen Bildschirmen entgegenströmt, sondern ganz selbstkritisch: Meine Bilderflut ist nämlich haus- und handgemacht. Sozusagen, denn die Hand (genauer mein rechter Zeigefinger) bedient ja den Auslöser meiner Digitalfotokamera, die ich dank großer Speicherkarte gern auf alles draufhalte, was mir irgendwie interessant, auffällig und des Merkens wert erscheint. Das ist auch gar nichts Neues, denn fotografiert hab ich schon immer gern. Aber eben doch anders – man erinnere sich an die Zeiten der 36-Aufnahmen-ORWO-Kleinbildfilme, wo man immer schon im Kopf mitrechnete, was das Entwickeln wieder kosten würde, sodass man sich erst mal die Negative genau anschaute und penibel auswählte, was dann wirklich den verdienten Weg ins Fotoalbum fand. Diese Alben liegen heute in der Kommode, und es fällt mir schon schwer, die 80 legitimierten Fotos vom ersten Tunesien-Urlaub nach der Wende am Stück anzuschauen. Dabei ist das nichts gegen heute! Die Bilder erleben eine Inflation ohnegleichen. Anfangs dachte ich noch: Na ja, ist ja schön, so eine große Auswahl zu haben, da setzt du dich einfach an den Computer, klickst alles durch und schmeißt das raus, was doppelt ist, verwackelt, unscharf oder sonstwie nichts geworden. Ja, denkste! Nach den ersten Stunden, die ich damit zugebracht habe, bin ich dazu übergegangen, erstmal alles abzuspeichern. In getrennten Ordnern. Die Dateien tragen alle Nummern, immerhin. Und irgendwann – so mein (Irr-?)Glaube – kommt die Zeit, da werde ich mich dransetzen und die ultimative Auswahl treffen. Wenn ich Rentner bin. – Mal ehrlich: Ich glaube das ja selber nicht. Zumal ich nicht weiß, wen diese ultimative Auswahl dann noch interessieren sollte.
Bestes Beispiel ist der aktuelle Anlass meines Nachdenkens: Der Eiswinter 2012. Wir hatten ja wirklich ein paar schweinekalte Tage. Knackige 20 Grad minus in der Nacht. Und was selten passiert, geschah: Die Saale fror zu. Von Tag zu Tag ein bisschen mehr. Das ist schon ein schöner Anblick, wenn sich am Tag dann ein eisblauer Himmel drüber wölbt und die flach stehende Sonne alles glitzern lässt. Da bin ich also jeden Tag los und habe fotografiert. Nach rechts und nach links, in der Totale und mit Zoom. Schließlich durfte mein Zeigefinger nicht einfrieren, also war er ständig in Bewegung. Und noch mal diese Perspektive durch die Brücke durch, und dann mit dem bereiften Zweig im Vordergrund. Das eingefrorene Schiff. Die Ente auf einem Bein. Und so weiter. Und am nächsten Tag noch mal von vorn…
Nun ist das Wetter umgeschlagen. „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche…“ jubelt es poetisch in mir. Nach einem kurzen Rundgang an der wieder flüssigen Saale hellem Strande sitze ich am PC und lade die frostigen Bilder auf die Multimedia-Festplatte: 639 Dateien. Wow, das hätte ich nicht gedacht. Die Speicherkarte war doch nicht mal halb voll?! Ich klicke die ersten Bilder durch… Komisch, irgendwie sieht das immer gleich aus. Na ja, gut, Eis ist halt weiß. Der Himmel schön blau. Ab und zu ist es mir auch gelungen, ein paar Familienmitglieder ins Bild zu kriegen. Meist aber doch Eis, Enten, Himmel, Bäume. 639 mal. Na toll. Welches ist nun das ultimative Bild, das ich einst meinen noch ungeborenen Enkeln zeige, wenn sie fragen: Großvater, wie war das noch gleich, als im Februar 2012 die Saale zugefroren war…?! Tja eben – gute Frage!
Dabei ist doch viel spannender, wenn ich ihnen berichte, dass die Saale nicht mal in dem strengen Winter anno ’79 zugefroren war, als die DDR im Frost erstarrte: Zu viel Frostschutz-Chemie im Saale-Wasser, das benzolschillernd und schaumbekrönt der Vereisung trotzte. Und dass es nun sogar so fest zufriert, dass sich ein paar Leichtsinnige nicht abhalten lassen, den „Krug zum Grünen Kranze“ auf dem Eisweg zu besuchen! Dann rezitiere ich das pädagogische Lieblingsgedicht meiner Großmutter („Gefroren hat es heuer | noch gar kein festes Eis. | Das Büblein steht am Weiher | und sagt zu sich: Wer weiß…“). Und zeige vielleicht dieses eine Bild. Und lösche jetzt die übrigen 638 – delate!
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich habe immer öfter das Gefühl, in einer Bilderflut zu versinken. Nein, nein, ich meine das gar nicht medienpädagogisch angesichts der allgegenwärtigen visuellen Schwemme, die uns aus diversen Bildschirmen entgegenströmt, sondern ganz selbstkritisch: Meine Bilderflut ist nämlich haus- und handgemacht. Sozusagen, denn die Hand (genauer mein rechter Zeigefinger) bedient ja den Auslöser meiner Digitalfotokamera, die ich dank großer Speicherkarte gern auf alles draufhalte, was mir irgendwie interessant, auffällig und des Merkens wert erscheint. Das ist auch gar nichts Neues, denn fotografiert hab ich schon immer gern. Aber eben doch anders – man erinnere sich an die Zeiten der 36-Aufnahmen-ORWO-Kleinbildfilme, wo man immer schon im Kopf mitrechnete, was das Entwickeln wieder kosten würde, sodass man sich erst mal die Negative genau anschaute und penibel auswählte, was dann wirklich den verdienten Weg ins Fotoalbum fand. Diese Alben liegen heute in der Kommode, und es fällt mir schon schwer, die 80 legitimierten Fotos vom ersten Tunesien-Urlaub nach der Wende am Stück anzuschauen. Dabei ist das nichts gegen heute! Die Bilder erleben eine Inflation ohnegleichen. Anfangs dachte ich noch: Na ja, ist ja schön, so eine große Auswahl zu haben, da setzt du dich einfach an den Computer, klickst alles durch und schmeißt das raus, was doppelt ist, verwackelt, unscharf oder sonstwie nichts geworden. Ja, denkste! Nach den ersten Stunden, die ich damit zugebracht habe, bin ich dazu übergegangen, erstmal alles abzuspeichern. In getrennten Ordnern. Die Dateien tragen alle Nummern, immerhin. Und irgendwann – so mein (Irr-?)Glaube – kommt die Zeit, da werde ich mich dransetzen und die ultimative Auswahl treffen. Wenn ich Rentner bin. – Mal ehrlich: Ich glaube das ja selber nicht. Zumal ich nicht weiß, wen diese ultimative Auswahl dann noch interessieren sollte.
Bestes Beispiel ist der aktuelle Anlass meines Nachdenkens: Der Eiswinter 2012. Wir hatten ja wirklich ein paar schweinekalte Tage. Knackige 20 Grad minus in der Nacht. Und was selten passiert, geschah: Die Saale fror zu. Von Tag zu Tag ein bisschen mehr. Das ist schon ein schöner Anblick, wenn sich am Tag dann ein eisblauer Himmel drüber wölbt und die flach stehende Sonne alles glitzern lässt. Da bin ich also jeden Tag los und habe fotografiert. Nach rechts und nach links, in der Totale und mit Zoom. Schließlich durfte mein Zeigefinger nicht einfrieren, also war er ständig in Bewegung. Und noch mal diese Perspektive durch die Brücke durch, und dann mit dem bereiften Zweig im Vordergrund. Das eingefrorene Schiff. Die Ente auf einem Bein. Und so weiter. Und am nächsten Tag noch mal von vorn…
Nun ist das Wetter umgeschlagen. „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche…“ jubelt es poetisch in mir. Nach einem kurzen Rundgang an der wieder flüssigen Saale hellem Strande sitze ich am PC und lade die frostigen Bilder auf die Multimedia-Festplatte: 639 Dateien. Wow, das hätte ich nicht gedacht. Die Speicherkarte war doch nicht mal halb voll?! Ich klicke die ersten Bilder durch… Komisch, irgendwie sieht das immer gleich aus. Na ja, gut, Eis ist halt weiß. Der Himmel schön blau. Ab und zu ist es mir auch gelungen, ein paar Familienmitglieder ins Bild zu kriegen. Meist aber doch Eis, Enten, Himmel, Bäume. 639 mal. Na toll. Welches ist nun das ultimative Bild, das ich einst meinen noch ungeborenen Enkeln zeige, wenn sie fragen: Großvater, wie war das noch gleich, als im Februar 2012 die Saale zugefroren war…?! Tja eben – gute Frage!
Dabei ist doch viel spannender, wenn ich ihnen berichte, dass die Saale nicht mal in dem strengen Winter anno ’79 zugefroren war, als die DDR im Frost erstarrte: Zu viel Frostschutz-Chemie im Saale-Wasser, das benzolschillernd und schaumbekrönt der Vereisung trotzte. Und dass es nun sogar so fest zufriert, dass sich ein paar Leichtsinnige nicht abhalten lassen, den „Krug zum Grünen Kranze“ auf dem Eisweg zu besuchen! Dann rezitiere ich das pädagogische Lieblingsgedicht meiner Großmutter („Gefroren hat es heuer | noch gar kein festes Eis. | Das Büblein steht am Weiher | und sagt zu sich: Wer weiß…“). Und zeige vielleicht dieses eine Bild. Und lösche jetzt die übrigen 638 – delate!
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