Freitag, 13. Juli 2012
Volksversprecher
zirkustiger, 19:14h
Natürlich freue ich mich als winziges Volksteilchen, wenn ein Volksvertreter mich und meine Interessen mal wirklich vertritt, gern auch lautstark und sprachgewaltig. Insofern will ich Frau Dalbert, die für B 90/Die Grünen im Magdeburger Landtag sitzt und ihre Oppositions-Fraktion führt, auch danken für ihre mahnenden Worte zu mangelnden Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses an unseren Hochschulen. Dies sage ich, obwohl es mich nun nicht mehr unmittelbar betrifft – irgendwann ist man halt altersmäßig raus aus dem Nachwuchs-Status und hat es geschafft (oder auch nicht). Aber man soll ja auch an die nach uns Kommenden denken, keine Frage. Frau Dalbert, selbst in professoraler Würde an der Uni Magdeburg verankert, macht sich nun in einer Pressemitteilung unter dem Titel „Verkrustung aufbrechen“ stark für mehr Juniorprofessuren und vor allem dafür, dass daraus feste Stellen werden, wenn sich die Inhaber entsprechend bewährt haben. So weit, so gut, so soll es sein!
Aber warum die Naturwissenschaftlerin Claudia Dalbert dafür die deutsche Sprache derart vergewaltigen muss, ist mir trotzdem schleierhaft: Zunächst ein Ausflug ins Englische, das klingt immer gleich so ungeheuer international, und deshalb muss die Juniorprofessur in Dalberts Worten nun einen „tenure track“ aufweisen – auf gut deutsch also eine Aufstiegsleiter. Denn nur dies – und so wird die politisierende Wissenschaftlerin in ungutem Deutsch weiter zitiert – böte die Chance auf „Verdauerung der Stelle“. Oha. Ich musste das Wort mehrfach lesen, da ich zunächst Stoffwechselbeschwerden vermutete. Zumindest sprachlich, liebe Frau Dalbert, fühle ich mich also keineswegs gut vertreten…
Aber warum die Naturwissenschaftlerin Claudia Dalbert dafür die deutsche Sprache derart vergewaltigen muss, ist mir trotzdem schleierhaft: Zunächst ein Ausflug ins Englische, das klingt immer gleich so ungeheuer international, und deshalb muss die Juniorprofessur in Dalberts Worten nun einen „tenure track“ aufweisen – auf gut deutsch also eine Aufstiegsleiter. Denn nur dies – und so wird die politisierende Wissenschaftlerin in ungutem Deutsch weiter zitiert – böte die Chance auf „Verdauerung der Stelle“. Oha. Ich musste das Wort mehrfach lesen, da ich zunächst Stoffwechselbeschwerden vermutete. Zumindest sprachlich, liebe Frau Dalbert, fühle ich mich also keineswegs gut vertreten…
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Sonntag, 10. Juni 2012
Zeitsprung – Rolle rückwärts
zirkustiger, 12:41h
10. Juni
Gut, wir haben gewonnen. Am Ende fragt keiner, wie ein Eins zu Null zustande gekommen ist. Bei zwei Mal Latte (ohne Kaffee) und etlichen portugiesischen Chancen hatten wir zudem mächtig Glück. Das hatten die Dänen vorher ja auch gegen die Niederlande, aber da würde ich noch vom Glück des Tüchtigen sprechen, denn die haben wirklich geackert. So richtig tüchtig fand ich die DFB-Auswahl dagegen nicht: Standfußball über weite Strecken ohne zwingenden Zug zum Tor (man sieht, man kann auch klug über das Thema Nr. 1 des deutschen Mannes daherschwatzen, ohne wirklich Ahnung davon zu haben… - ich geb’s ja zu).
Eigentlich wollte ich auch etwas anderes sagen. Hat mal jemand auf die deutschen Fangesänge im Hintergrund geachtet, dort im Stadion der ukrainischen Stadt Lwiw, die früher mal Lemberg hieß? Kaum war das Gomez-Tor gefallen, hallte rhythmisches „Sieg - …! Sieg - …!“ durchs Stadionrund. Für das ausgesparte „Heil“ wurde genau die angemessene Pause eingehalten. Und als Manuel Neuer kurz danach einen Nahschuss in großer Manier parierte, folgte ein zackiges dreifaches „Hurra! Hurra! Hurra!“, das einer Wochenschau des Herbstes 1941 entsprungen sein könnte, die den Einmarsch deutscher Truppen in die ukrainischen Kornkammern bejubelt.
Der Stadionsprecher hatte mehrfach das Publikum gebeten, keine Kugeln aus Knüllpapier auf den Rasen zu schmeißen. Zu den verbalen Entgleisungen teutscher Fans sagte er nichts. Vielleicht hat Yogi Löw dafür ein offenes Ohr gehabt und äußert sich noch. Ich möchte jedenfalls nicht, dass ein deutsches Team unter derartigem Zuspruch irgendeine europäische Krone erobert…
Gut, wir haben gewonnen. Am Ende fragt keiner, wie ein Eins zu Null zustande gekommen ist. Bei zwei Mal Latte (ohne Kaffee) und etlichen portugiesischen Chancen hatten wir zudem mächtig Glück. Das hatten die Dänen vorher ja auch gegen die Niederlande, aber da würde ich noch vom Glück des Tüchtigen sprechen, denn die haben wirklich geackert. So richtig tüchtig fand ich die DFB-Auswahl dagegen nicht: Standfußball über weite Strecken ohne zwingenden Zug zum Tor (man sieht, man kann auch klug über das Thema Nr. 1 des deutschen Mannes daherschwatzen, ohne wirklich Ahnung davon zu haben… - ich geb’s ja zu).
Eigentlich wollte ich auch etwas anderes sagen. Hat mal jemand auf die deutschen Fangesänge im Hintergrund geachtet, dort im Stadion der ukrainischen Stadt Lwiw, die früher mal Lemberg hieß? Kaum war das Gomez-Tor gefallen, hallte rhythmisches „Sieg - …! Sieg - …!“ durchs Stadionrund. Für das ausgesparte „Heil“ wurde genau die angemessene Pause eingehalten. Und als Manuel Neuer kurz danach einen Nahschuss in großer Manier parierte, folgte ein zackiges dreifaches „Hurra! Hurra! Hurra!“, das einer Wochenschau des Herbstes 1941 entsprungen sein könnte, die den Einmarsch deutscher Truppen in die ukrainischen Kornkammern bejubelt.
Der Stadionsprecher hatte mehrfach das Publikum gebeten, keine Kugeln aus Knüllpapier auf den Rasen zu schmeißen. Zu den verbalen Entgleisungen teutscher Fans sagte er nichts. Vielleicht hat Yogi Löw dafür ein offenes Ohr gehabt und äußert sich noch. Ich möchte jedenfalls nicht, dass ein deutsches Team unter derartigem Zuspruch irgendeine europäische Krone erobert…
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Mittwoch, 18. April 2012
Ein paar Worte in Sachen Kultur
zirkustiger, 22:08h
18. April
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – manchmal reichen wenige Worte, um Wesentliches zu sagen. Ein gutes Beispiel ist der Slogan, mit dem FIGARO, das Kulturradio des Mitteldeutschen Rundfunks, in eigener Sache wirbt: „Kultur – und gut!“ Eigentlich ist damit alles gesagt. Eigentlich…
Aber manchmal ist es doch ganz gut, wenn man die Sache etwas genauer und ausführlicher betrachtet. Denn so gut ist es ja um die Kultur im realen Leben leider nicht bestellt, zumal sie nicht umsonst zu haben ist. Und in Zeiten knapper Kassen wird wo zuerst gespart? Genau: Bei Bildung und Kultur.
Sachsen-Anhalt ist ein Bundesland, das nicht nur ein reichhaltiges kulturelles Erbe aufweist, sondern auch mit einer sehr lebendigen Kulturlandschaft punkten kann. Noch, denn natürlich gibt es auch hier Begehrlichkeiten, den Hahn weiter zuzudrehen (obgleich die dadurch theoretisch möglichen Einsparbeträge lächerlich gering aussehen neben diversen Rettungsschirmen, Bonuszahlungen oder Beraterverträgen). Der neue Kultusminister Stephan Dorgerloh, als kulturvoller Mensch hinreichend unverdächtig, von sich aus den Rotstift anzusetzen, hat dafür jüngst einen Kulturkonvent installiert, der sich bis zum Herbst einigen soll, wie es in Sachen Kultur und kultureller Bildung im Bindestrich-Land weitergehen soll und kann. Da sitzen nun die Interessenvertreter vieler Sparten und Belange zusammen und grübeln und reden und streiten. Und sind sich doch im Grundsatz einig, dass es nicht darum gehen kann, dem jeweils anderen etwas wegzunehmen, sondern dafür zu sorgen, dass genug für alle da ist und Kultur nicht nur im Wahlkampf eine Rolle spielt, sondern zum unumstrittenen Alltagsgut wird. Und sage bitte keiner, wir hätten dafür kein Geld. Dem würde ich gern mal ein paar Posten aufzeigen, für die immer Geld da ist (aber ich denke, das wissen die auch ganz alleine).
Kurz und gut: Um den Konvent in seiner schwierigen Arbeit zu unterstützen und dem Landtag ein paar Forderungen ins Stammbuch zu schreiben, hat der ehrenamtlich tätige Beirat der „Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt e. V.“ (ein leider sehr sperriger Titel, zugegeben – man kann es knapper sagen: die LKJ) eine Petition verfasst und ins Netz gestellt (da wird es dann nicht nur ein soziales, sondern noch dazu ein kulturvolles Netzwerk). Diese Petition verdient eure Aufmerksamkeit und – im Falle der Zustimmung – eure Mitzeichnung! Kultur geht jeden an. Und auch Stimmen, die von außerhalb kommen, unterstützen das Anliegen, das keineswegs an Landesgrenzen Halt macht. Also bitte – es ist ein kleine Mühe. Zehntausend Unterschriften in einem halben Jahr sind das Ziel. Das sollte doch zu packen sein, oder? Und den Link zur Petition, den könnt ihr bitte gern auch an Freunde und Bekannte versenden. Es lebe das Netz!
http://www.openpetition.de/petition/online/erklaerung-zur-foerderung-der-kultur-in-einer-sich-wandelnden-gesellschaft
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – manchmal reichen wenige Worte, um Wesentliches zu sagen. Ein gutes Beispiel ist der Slogan, mit dem FIGARO, das Kulturradio des Mitteldeutschen Rundfunks, in eigener Sache wirbt: „Kultur – und gut!“ Eigentlich ist damit alles gesagt. Eigentlich…
Aber manchmal ist es doch ganz gut, wenn man die Sache etwas genauer und ausführlicher betrachtet. Denn so gut ist es ja um die Kultur im realen Leben leider nicht bestellt, zumal sie nicht umsonst zu haben ist. Und in Zeiten knapper Kassen wird wo zuerst gespart? Genau: Bei Bildung und Kultur.
Sachsen-Anhalt ist ein Bundesland, das nicht nur ein reichhaltiges kulturelles Erbe aufweist, sondern auch mit einer sehr lebendigen Kulturlandschaft punkten kann. Noch, denn natürlich gibt es auch hier Begehrlichkeiten, den Hahn weiter zuzudrehen (obgleich die dadurch theoretisch möglichen Einsparbeträge lächerlich gering aussehen neben diversen Rettungsschirmen, Bonuszahlungen oder Beraterverträgen). Der neue Kultusminister Stephan Dorgerloh, als kulturvoller Mensch hinreichend unverdächtig, von sich aus den Rotstift anzusetzen, hat dafür jüngst einen Kulturkonvent installiert, der sich bis zum Herbst einigen soll, wie es in Sachen Kultur und kultureller Bildung im Bindestrich-Land weitergehen soll und kann. Da sitzen nun die Interessenvertreter vieler Sparten und Belange zusammen und grübeln und reden und streiten. Und sind sich doch im Grundsatz einig, dass es nicht darum gehen kann, dem jeweils anderen etwas wegzunehmen, sondern dafür zu sorgen, dass genug für alle da ist und Kultur nicht nur im Wahlkampf eine Rolle spielt, sondern zum unumstrittenen Alltagsgut wird. Und sage bitte keiner, wir hätten dafür kein Geld. Dem würde ich gern mal ein paar Posten aufzeigen, für die immer Geld da ist (aber ich denke, das wissen die auch ganz alleine).
Kurz und gut: Um den Konvent in seiner schwierigen Arbeit zu unterstützen und dem Landtag ein paar Forderungen ins Stammbuch zu schreiben, hat der ehrenamtlich tätige Beirat der „Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt e. V.“ (ein leider sehr sperriger Titel, zugegeben – man kann es knapper sagen: die LKJ) eine Petition verfasst und ins Netz gestellt (da wird es dann nicht nur ein soziales, sondern noch dazu ein kulturvolles Netzwerk). Diese Petition verdient eure Aufmerksamkeit und – im Falle der Zustimmung – eure Mitzeichnung! Kultur geht jeden an. Und auch Stimmen, die von außerhalb kommen, unterstützen das Anliegen, das keineswegs an Landesgrenzen Halt macht. Also bitte – es ist ein kleine Mühe. Zehntausend Unterschriften in einem halben Jahr sind das Ziel. Das sollte doch zu packen sein, oder? Und den Link zur Petition, den könnt ihr bitte gern auch an Freunde und Bekannte versenden. Es lebe das Netz!
http://www.openpetition.de/petition/online/erklaerung-zur-foerderung-der-kultur-in-einer-sich-wandelnden-gesellschaft
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Donnerstag, 5. April 2012
Die Kraft des lyrischen Wortes
zirkustiger, 21:31h
5. April
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber ich bin durchaus erfreut, welche Wirkung die Kunst allen Unkenrufen zum Trotz in unserer Zeit doch noch hat. Friedrich Wolf hätte seine Genugtuung: „Kunst ist Waffe“ – jawoll! Obwohl: Kunst?! Na ja, also, die lyrische Poesie war noch nie die Stärke unseres Nobelpreisträgers. Dass er Geschichten erzählen kann, wissen wir seit der Blechtrommel, und zeichnen und modellieren kann er auch. Und ein politischer Mensch ist der alte Herr schon immer gewesen, zu unterschiedlichen Zeiten sogar. Doch als Lyriker ist Grass eigentlich noch nie wahrgenommen worden, oder? Aber jetzt – und wie!
Obwohl mich diese ungeheure Resonanz, dieses Rauschen im Blätterwald, das Raunen im Rundfunk, das Zwitschern im Web und die eilfertige Betroffenheit diverser Gesichter im TV dann doch erstaunt. Was ist eigentlich passiert? Da hat also jemand ein Gedicht veröffentlicht, das sich – entgegen sonstigen künstlerischen Gepflogenheiten – mit der tagesaktuellen Politik befasst. Dieser Jemand ist der bekannteste lebende deutsche Dichter, und er hat sich internationaler Podien bedient, von denen herunter gesprochen seinen Worten die gebührende Aufmerksamkeit gewiss war. Aber, Freunde, ist es nicht am Ende noch immer nur ein Gedicht?! Eines zudem – ich erwähnte es –, das nicht unbedingt durch sorgsame Rhythmik, poetische Bilder oder schlüssige Reime beeindruckt. Formal erinnert es zwar ein wenig an Goethes provokante Prometheus-Ode, aber welch Abstand zum lyrischen Pathos des Sturm und Drang?! Wenn auch das provokante Potenzial der Grass’schen Strophen beinah mithalten kann mit jenem "Zündkraut einer Explosion", wie nun klar wird (Goethe seinerzeit war ja wesentlich vorsichtiger: Er hat sein höchst politisches Gedicht, als es ihm aus der Feder geflossen, vorsorglich versteckt und erst viel später der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben). Grass aber sagt, er habe schon zu lange ge- und damit verschwiegen. Nun spricht er also, nutzt sein lyrisches Ich, um (sich selbst zunächst, das sei betont) unbequeme Fragen zu stellen, die ihn als Homo politicus kenntlich machen, der auch seine eigenen Irrungen nicht ausklammert (ausgerechnet der Grass mit seiner SS-Jugend, sagen manche jetzt; doch er spricht ja auch davon und nennt seine Herkunft „von nie zu tilgendem Makel behaftet“). Soll er deshalb nicht reden dürfen?
Sachliche Fehler sind dem Text jedenfalls nicht vorzuwerfen. Israel entzieht sich als Atommacht jeglicher internationaler Kontrolle; die Schlagkraft seiner Kernwaffen kann bestenfalls vermutet werden. Die israelische Gesellschaft ist eingedenk leidvoller Erfahrungen militärisch extrem durchgestylt, und das ist nicht nur ihr Habitus, sondern ihre Handlungsmaxime, wobei (man denke an 1967) der Erstschlag, um dem (realen wie angenommenen) Feind zuvorzukommen, die Strategie bestimmt. Das von Deutschland geschäftsmäßig gelieferte U-Boot ist ebenfalls nicht zu leugnen, und dass eine Provokation die andere nach sich zieht, ist auch jedem bewusst. Ob die Demonstration militärischer Stärke und politischer Entschlossenheit in so einer brisanten Situation und dazu noch in „einer von Wahn okkupierten Region“ zur dauerhaften Abschreckung ausreicht, darf bezweifelt werden, zumal der iranische „Maulheld“ ja gerade daraus seine Legitimation ableitet für den „organisierten Jubel“ und mehr.
Vielleicht sieht das lyrische Ich, das Grass seinem Gedicht einschreibt, manche Kausalitäten und Zusammenhänge auf sehr eigene Weise, zugegeben. Darüber kann man nachdenken, darüber muss man reden. Aber: Welche political correctness erwarten denn jene von der Kunst, die Grass ob seines Textes nun wütend angreifen, harsch kritisieren oder als Antisemiten (der er schon immer gewesen sei) verunglimpfen? Jene DDR-Friedenslieder-Mentalität von 1980 etwa, die die (von Biermann als „Kaiser-Geburtstagssänger“ gegeißelten) FDJ-Singebeweger im Duktus des vertonten Zentralorgans ihren pseudokünstlerischen Absonderungen zugrunde legten? Da lobe ich mir doch lieber das garstige, „mit letzter Tinte“ entäußerte Grummeln des alten Mannes und freue mich ob der Aufregung, die ein Gedicht in unserer Zeit noch zu verursachen vermag.
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber ich bin durchaus erfreut, welche Wirkung die Kunst allen Unkenrufen zum Trotz in unserer Zeit doch noch hat. Friedrich Wolf hätte seine Genugtuung: „Kunst ist Waffe“ – jawoll! Obwohl: Kunst?! Na ja, also, die lyrische Poesie war noch nie die Stärke unseres Nobelpreisträgers. Dass er Geschichten erzählen kann, wissen wir seit der Blechtrommel, und zeichnen und modellieren kann er auch. Und ein politischer Mensch ist der alte Herr schon immer gewesen, zu unterschiedlichen Zeiten sogar. Doch als Lyriker ist Grass eigentlich noch nie wahrgenommen worden, oder? Aber jetzt – und wie!
Obwohl mich diese ungeheure Resonanz, dieses Rauschen im Blätterwald, das Raunen im Rundfunk, das Zwitschern im Web und die eilfertige Betroffenheit diverser Gesichter im TV dann doch erstaunt. Was ist eigentlich passiert? Da hat also jemand ein Gedicht veröffentlicht, das sich – entgegen sonstigen künstlerischen Gepflogenheiten – mit der tagesaktuellen Politik befasst. Dieser Jemand ist der bekannteste lebende deutsche Dichter, und er hat sich internationaler Podien bedient, von denen herunter gesprochen seinen Worten die gebührende Aufmerksamkeit gewiss war. Aber, Freunde, ist es nicht am Ende noch immer nur ein Gedicht?! Eines zudem – ich erwähnte es –, das nicht unbedingt durch sorgsame Rhythmik, poetische Bilder oder schlüssige Reime beeindruckt. Formal erinnert es zwar ein wenig an Goethes provokante Prometheus-Ode, aber welch Abstand zum lyrischen Pathos des Sturm und Drang?! Wenn auch das provokante Potenzial der Grass’schen Strophen beinah mithalten kann mit jenem "Zündkraut einer Explosion", wie nun klar wird (Goethe seinerzeit war ja wesentlich vorsichtiger: Er hat sein höchst politisches Gedicht, als es ihm aus der Feder geflossen, vorsorglich versteckt und erst viel später der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben). Grass aber sagt, er habe schon zu lange ge- und damit verschwiegen. Nun spricht er also, nutzt sein lyrisches Ich, um (sich selbst zunächst, das sei betont) unbequeme Fragen zu stellen, die ihn als Homo politicus kenntlich machen, der auch seine eigenen Irrungen nicht ausklammert (ausgerechnet der Grass mit seiner SS-Jugend, sagen manche jetzt; doch er spricht ja auch davon und nennt seine Herkunft „von nie zu tilgendem Makel behaftet“). Soll er deshalb nicht reden dürfen?
Sachliche Fehler sind dem Text jedenfalls nicht vorzuwerfen. Israel entzieht sich als Atommacht jeglicher internationaler Kontrolle; die Schlagkraft seiner Kernwaffen kann bestenfalls vermutet werden. Die israelische Gesellschaft ist eingedenk leidvoller Erfahrungen militärisch extrem durchgestylt, und das ist nicht nur ihr Habitus, sondern ihre Handlungsmaxime, wobei (man denke an 1967) der Erstschlag, um dem (realen wie angenommenen) Feind zuvorzukommen, die Strategie bestimmt. Das von Deutschland geschäftsmäßig gelieferte U-Boot ist ebenfalls nicht zu leugnen, und dass eine Provokation die andere nach sich zieht, ist auch jedem bewusst. Ob die Demonstration militärischer Stärke und politischer Entschlossenheit in so einer brisanten Situation und dazu noch in „einer von Wahn okkupierten Region“ zur dauerhaften Abschreckung ausreicht, darf bezweifelt werden, zumal der iranische „Maulheld“ ja gerade daraus seine Legitimation ableitet für den „organisierten Jubel“ und mehr.
Vielleicht sieht das lyrische Ich, das Grass seinem Gedicht einschreibt, manche Kausalitäten und Zusammenhänge auf sehr eigene Weise, zugegeben. Darüber kann man nachdenken, darüber muss man reden. Aber: Welche political correctness erwarten denn jene von der Kunst, die Grass ob seines Textes nun wütend angreifen, harsch kritisieren oder als Antisemiten (der er schon immer gewesen sei) verunglimpfen? Jene DDR-Friedenslieder-Mentalität von 1980 etwa, die die (von Biermann als „Kaiser-Geburtstagssänger“ gegeißelten) FDJ-Singebeweger im Duktus des vertonten Zentralorgans ihren pseudokünstlerischen Absonderungen zugrunde legten? Da lobe ich mir doch lieber das garstige, „mit letzter Tinte“ entäußerte Grummeln des alten Mannes und freue mich ob der Aufregung, die ein Gedicht in unserer Zeit noch zu verursachen vermag.
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Dienstag, 3. April 2012
Blindheit ist auch eine Gnade
zirkustiger, 22:17h
3. April
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – und es ist ja auch schon viel darüber gespottet worden, dass Justitia als Gallionsfigur unserer Rechtsprechung die Waage der Gerechtigkeit mit verbundenen Augen halten muss. Oder darf? Eine vieldeutige Metapher jedenfalls, die mir heute wieder in den Sinn kam, als ich im Radio die Nachricht hörte, in Berlin sei ein Brandstifter zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Wir erinnern uns gut an jene Brandserie, der im Vorjahr vor allem teure Autos in der Hauptstadt zum Opfer fielen. Die Ermittlungsbehörden hatten zunächst organisierte linke Terroristen im Verdacht, und einschlägig bekannte Politiker nutzten das Phantom sogleich für die Mahnung, nicht nur immer nach rechts zu schauen, wenn man die Demokratie durch kriminellen Terror bedroht wähne. Na ja, war dann doch nix mit der Anarchie; es war nur ein frustrierter Langzeitarbeitsloser, dem die blanken Nobelkarossen offenbar so ins Auge stachen, dass er ihnen die selbstgebastelten Brandsätze einfach unter die Radkästen legen musste. Als zweifelhafter Akt einer sehr subjektiv ausgleichenden Gerechtigkeit. Über hundert Fahrzeuge kommen auf sein Konto; da sah das hohe Gericht wohl schon die Flammen an den Fundamenten unserer Verfassung emporzüngeln und ließ das Gesetz in seiner ganzen Härte sprechen. Wobei nur die Geständigkeit des Mannes (ohne die ihm gar nichts hätte nachgewiesen werden können!) zur Milde dieser sieben Jahre beigetragen habe, wie es in der Urteilsbegründung heißt, die zudem genüsslich erwähnt, der Täter habe aus „Hass auf Reiche“ gehandelt. Dafür sieben Jahre; nun gut, ich will ja nicht sagen, dass ich das – für sich genommen – für unangemessen halte. Und als religiöser Mensch, so der Verteidiger, werde sein Mandant diese Zeit zur Buße nutzen.
Andererseits ist es nur wenige Tage her, da kam ein Berliner S-Bahn-Schläger, der sein Opfer in den Tod gehetzt hatte, mit zwei Jahren auf Bewährung davon. Die Staatsanwaltschaft hatte zwar eine Haftstrafe gefordert; der Richter kam aber zum Schluss, der Täter, der den Tod seines Opfers verursacht und billigend in Kauf genommen hat, verdiene die berühmte zweite Chance der Bewährung (in einschlägigen Kreisen wird so ein Urteil bekanntlich als Freispruch gefeiert).
Na ja, und an der Stelle ist Justitia dann sicher ganz froh, dass man ihr gnädig die Augen verbunden hat. Da muss sie nicht mit ansehen, wie sich im einen wie im andern Falle die Waage neigt. Aber wir sollten daraus unsere Schlüsse ziehen: Statt „Hass auf Reiche“ kommt nun ins Heckfenster des Autos doch besser der Aufkleber mit dem Spruch „Eure Armut kotzt mich an“. Und dann natürlich gut versichern die Karre - gegen Brandstiftung und Vandalismus!
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – und es ist ja auch schon viel darüber gespottet worden, dass Justitia als Gallionsfigur unserer Rechtsprechung die Waage der Gerechtigkeit mit verbundenen Augen halten muss. Oder darf? Eine vieldeutige Metapher jedenfalls, die mir heute wieder in den Sinn kam, als ich im Radio die Nachricht hörte, in Berlin sei ein Brandstifter zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Wir erinnern uns gut an jene Brandserie, der im Vorjahr vor allem teure Autos in der Hauptstadt zum Opfer fielen. Die Ermittlungsbehörden hatten zunächst organisierte linke Terroristen im Verdacht, und einschlägig bekannte Politiker nutzten das Phantom sogleich für die Mahnung, nicht nur immer nach rechts zu schauen, wenn man die Demokratie durch kriminellen Terror bedroht wähne. Na ja, war dann doch nix mit der Anarchie; es war nur ein frustrierter Langzeitarbeitsloser, dem die blanken Nobelkarossen offenbar so ins Auge stachen, dass er ihnen die selbstgebastelten Brandsätze einfach unter die Radkästen legen musste. Als zweifelhafter Akt einer sehr subjektiv ausgleichenden Gerechtigkeit. Über hundert Fahrzeuge kommen auf sein Konto; da sah das hohe Gericht wohl schon die Flammen an den Fundamenten unserer Verfassung emporzüngeln und ließ das Gesetz in seiner ganzen Härte sprechen. Wobei nur die Geständigkeit des Mannes (ohne die ihm gar nichts hätte nachgewiesen werden können!) zur Milde dieser sieben Jahre beigetragen habe, wie es in der Urteilsbegründung heißt, die zudem genüsslich erwähnt, der Täter habe aus „Hass auf Reiche“ gehandelt. Dafür sieben Jahre; nun gut, ich will ja nicht sagen, dass ich das – für sich genommen – für unangemessen halte. Und als religiöser Mensch, so der Verteidiger, werde sein Mandant diese Zeit zur Buße nutzen.
Andererseits ist es nur wenige Tage her, da kam ein Berliner S-Bahn-Schläger, der sein Opfer in den Tod gehetzt hatte, mit zwei Jahren auf Bewährung davon. Die Staatsanwaltschaft hatte zwar eine Haftstrafe gefordert; der Richter kam aber zum Schluss, der Täter, der den Tod seines Opfers verursacht und billigend in Kauf genommen hat, verdiene die berühmte zweite Chance der Bewährung (in einschlägigen Kreisen wird so ein Urteil bekanntlich als Freispruch gefeiert).
Na ja, und an der Stelle ist Justitia dann sicher ganz froh, dass man ihr gnädig die Augen verbunden hat. Da muss sie nicht mit ansehen, wie sich im einen wie im andern Falle die Waage neigt. Aber wir sollten daraus unsere Schlüsse ziehen: Statt „Hass auf Reiche“ kommt nun ins Heckfenster des Autos doch besser der Aufkleber mit dem Spruch „Eure Armut kotzt mich an“. Und dann natürlich gut versichern die Karre - gegen Brandstiftung und Vandalismus!
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Dienstag, 28. Februar 2012
Das ganz große Geld
zirkustiger, 20:08h
28. Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich jedenfalls bin kein Experte fürs richtig große Geld. So im Alltag kommt alles hin, es bleibt auch mal was übrig, und ich gebe das, was ich habe, auch ganz gerne aus. Es gibt ja so viele schöne Sachen, die man sicher nicht alle notwendig braucht, aber wenn sich Leben nur auf das Notwendige beschränkt, ist es auch nicht so prickelnd. Aber wie gesagt – das richtig große Geld ist nicht so mein Ding, zumal auch meine mathematische Vorstellungskraft rasch an Grenzen stößt. Wie viel zum Beispiel sind 130 Milliarden Euro? Sicher, eine 130 mit anschließend noch neun Nullen. Aber mal umgemünzt in Geldkoffer? Wer weiß das schon. Jedenfalls ist das das Euro-Hilfspaket, das jetzt für Griechenland verabschiedet wurde. Und zu dem die Kanzlerin keine Kanzler-Mehrheit bekam, genau (wobei es in diesem Falle eigentlich Kanzlerinnen-Mehrheit heißen müsste). Aber darum geht’s mir gar nicht – bleiben wir mal beim Geld. Moment – ich brauche dazu einen Zettel (wie gesagt: meine mangelnde mathematische Vorstellungskraft).
Wir Deutschen (Gott, das kommt mir immer noch schwer aus der Tastatur) – also, wir Deutschen verfügen laut Statistik des Bundesverbandes deutscher Banken aktuell über ein Geldvermögen in Höhe von 4,93 Billionen Euro. Geldvermögen heißt: Exklusive Grundbesitz, Immobilien, Fabriken. Also nur das, was man auf der Bank, in Aktien oder von mir aus auch im Sparstrumpf hat. Eine Billion ist eine Zahl mit zwölf Nullen. Nehmen wir der Einfachheit halber hier mal fünf an: 5.000.000.000.000. Umgerechnet auf etwa 80 Millionen Deutsche (man kann erst mal viele Nullen wegkürzen, dann wird die Division einfacher) ergibt das für jeden von uns das hübsche Sümmchen von rund 60.000 Euro. Allein – das steht nur auf dem Papier. Erst dachte ich, meine Frau hat sich meine 60.000 unter den Nagel gerissen, aber sie hat mir glaubwürdig versichert, dass sie noch nicht mal ihre eigenen hat?! Unsere Kinder kommen ebenso wenig in Frage wie unsere Eltern. Und auch das befreundete Ehepaar, das wir kürzlich mit neidischem Unterton ob ihrer gemeinsamen 120.000 Euronen auf dem Sparbuch anfrozzelten, musste passen. Da beginnt man sich doch spätestens zu wundern: Wer hat denn nun eigentlich seine 60.000 flüssig verfügbar? Und vor allem: Wer hat unsere? Irgendwie muss der Durchschnitt ja rauskommen… Aber das nur am Rande, denn es führt weit weg von Griechenland (hin zum eigenen Bauchnabel). Zurück also zum Hilfspaket für die Hellenen.
Nehmen sich diese 130 Milliarden nicht geradezu lächerlich aus neben unserem deutschen Sparstrumpf? Mir ist das Gejammere jetzt fast ein bisschen peinlich, wo all die großen Zahlen hier auf meinem Zettel stehen. Nun kommt noch eine Zahl hinzu – die Gesamtsumme der deutschen Staatsverschuldung: Die Bundesrepublik Deutschland steht momentan bei ihren Gläubigern mit nicht mal zwei Billionen Euro in der Kreide. Klar, das ist eine hübsche Summe, und weil die Zinsuhr tickt, wird sie halt auch nicht kleiner (man kann dabei ja zuschauen in Berlin). Aber verglichen mit dem, was hier auf der hohen Kante rumliegt… Klar ausgesprochen: Gäbe jeder von uns ein Drittel von dem, was er hat, wären wir über Nacht schuldenfrei. Aber jeder müsste mitmachen, ehrlich und ohne Hintertürchen in ein Schweizer Bankhaus. Der Penner, der sich heute drei Euro zusammengeschnorrt hat, gibt einen davon ab. Wer 30 Euro hat, legt zehn in den gemeinsamen Topf. Ich lege mein Drittel dazu, und der drei Millionen hat, gibt eine davon her. Und so weiter. Stellt euch vor – wir könnten wieder ruhig schlafen, weil unsere Enkel nicht an unseren Staatsschulden rumknaupeln müssten… Wie bitte? Ihr schlaft auch so ruhig? Wahrscheinlich habt ihr euern Sparstrumpf unterm Kopfkissen, was? Ja, ja – ist ja gut. Ich schmeiß meinen Zettel in den Papierkorb und weiß ja selbst, dass so nur Milchmädchen rechnen und keine erwachsenen Menschen. Zumal wenn sie Deutsche sind.
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich jedenfalls bin kein Experte fürs richtig große Geld. So im Alltag kommt alles hin, es bleibt auch mal was übrig, und ich gebe das, was ich habe, auch ganz gerne aus. Es gibt ja so viele schöne Sachen, die man sicher nicht alle notwendig braucht, aber wenn sich Leben nur auf das Notwendige beschränkt, ist es auch nicht so prickelnd. Aber wie gesagt – das richtig große Geld ist nicht so mein Ding, zumal auch meine mathematische Vorstellungskraft rasch an Grenzen stößt. Wie viel zum Beispiel sind 130 Milliarden Euro? Sicher, eine 130 mit anschließend noch neun Nullen. Aber mal umgemünzt in Geldkoffer? Wer weiß das schon. Jedenfalls ist das das Euro-Hilfspaket, das jetzt für Griechenland verabschiedet wurde. Und zu dem die Kanzlerin keine Kanzler-Mehrheit bekam, genau (wobei es in diesem Falle eigentlich Kanzlerinnen-Mehrheit heißen müsste). Aber darum geht’s mir gar nicht – bleiben wir mal beim Geld. Moment – ich brauche dazu einen Zettel (wie gesagt: meine mangelnde mathematische Vorstellungskraft).
Wir Deutschen (Gott, das kommt mir immer noch schwer aus der Tastatur) – also, wir Deutschen verfügen laut Statistik des Bundesverbandes deutscher Banken aktuell über ein Geldvermögen in Höhe von 4,93 Billionen Euro. Geldvermögen heißt: Exklusive Grundbesitz, Immobilien, Fabriken. Also nur das, was man auf der Bank, in Aktien oder von mir aus auch im Sparstrumpf hat. Eine Billion ist eine Zahl mit zwölf Nullen. Nehmen wir der Einfachheit halber hier mal fünf an: 5.000.000.000.000. Umgerechnet auf etwa 80 Millionen Deutsche (man kann erst mal viele Nullen wegkürzen, dann wird die Division einfacher) ergibt das für jeden von uns das hübsche Sümmchen von rund 60.000 Euro. Allein – das steht nur auf dem Papier. Erst dachte ich, meine Frau hat sich meine 60.000 unter den Nagel gerissen, aber sie hat mir glaubwürdig versichert, dass sie noch nicht mal ihre eigenen hat?! Unsere Kinder kommen ebenso wenig in Frage wie unsere Eltern. Und auch das befreundete Ehepaar, das wir kürzlich mit neidischem Unterton ob ihrer gemeinsamen 120.000 Euronen auf dem Sparbuch anfrozzelten, musste passen. Da beginnt man sich doch spätestens zu wundern: Wer hat denn nun eigentlich seine 60.000 flüssig verfügbar? Und vor allem: Wer hat unsere? Irgendwie muss der Durchschnitt ja rauskommen… Aber das nur am Rande, denn es führt weit weg von Griechenland (hin zum eigenen Bauchnabel). Zurück also zum Hilfspaket für die Hellenen.
Nehmen sich diese 130 Milliarden nicht geradezu lächerlich aus neben unserem deutschen Sparstrumpf? Mir ist das Gejammere jetzt fast ein bisschen peinlich, wo all die großen Zahlen hier auf meinem Zettel stehen. Nun kommt noch eine Zahl hinzu – die Gesamtsumme der deutschen Staatsverschuldung: Die Bundesrepublik Deutschland steht momentan bei ihren Gläubigern mit nicht mal zwei Billionen Euro in der Kreide. Klar, das ist eine hübsche Summe, und weil die Zinsuhr tickt, wird sie halt auch nicht kleiner (man kann dabei ja zuschauen in Berlin). Aber verglichen mit dem, was hier auf der hohen Kante rumliegt… Klar ausgesprochen: Gäbe jeder von uns ein Drittel von dem, was er hat, wären wir über Nacht schuldenfrei. Aber jeder müsste mitmachen, ehrlich und ohne Hintertürchen in ein Schweizer Bankhaus. Der Penner, der sich heute drei Euro zusammengeschnorrt hat, gibt einen davon ab. Wer 30 Euro hat, legt zehn in den gemeinsamen Topf. Ich lege mein Drittel dazu, und der drei Millionen hat, gibt eine davon her. Und so weiter. Stellt euch vor – wir könnten wieder ruhig schlafen, weil unsere Enkel nicht an unseren Staatsschulden rumknaupeln müssten… Wie bitte? Ihr schlaft auch so ruhig? Wahrscheinlich habt ihr euern Sparstrumpf unterm Kopfkissen, was? Ja, ja – ist ja gut. Ich schmeiß meinen Zettel in den Papierkorb und weiß ja selbst, dass so nur Milchmädchen rechnen und keine erwachsenen Menschen. Zumal wenn sie Deutsche sind.
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Samstag, 11. Februar 2012
Der Keim der (teutschen) Revolution
zirkustiger, 11:41h
Elfter Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber es gibt Momente, da fühle ich mich der Revolution nahe. Der, die echt ist, die kommen muss und wird, an der ich teilhabe und mit deren Konsequenzen ich einverstanden bin. Es ist ein erhebendes Gefühl, wirklich! Ich erlebe meinen Verstand in diesen Momenten als hellsichtig wie selten, ich erkenne, wo die Säge klemmt, und finde meine geheimsten Annahmen bestätigt, und ich sehe auch den Ausweg, der mehr ist als das, nämlich: Der Weg in ein Morgen, das nicht nur das Heute irgendwie fortsetzt, sondern zeigt, dass es auch ganz anders geht…
Aha, sagen jetzt einige und nicken weise: Der Zirkustiger ist sicher bei einem Auftritt von Hagen Rether gewesen! Und sie haben Recht, zugegeben. Ja, da war ich gestern.
Nun habe ich gar keine Lust, hier über die Faszination eines reichlich dreistündigen Solo-Abends zu schwadronieren, und auch eine traditionelle Rezension soll es nicht werden. Ich will nur all jenen Enttäuschten, die das politische Kabarett bereits in den unheiligen Jagdgründen der Comedy verendet sehen, zurufen: Es gibt noch Hoffnung! Wir waren tausend Leute gestern Abend im halleschen Steintor-Varieté, das Lachen blieb uns oft genug im Halse stecken, und wenn Rether am Ende die standing ovations genutzt hätte, dem heiter-intellektuellen Volkszorn eine Richtung zu weisen, wären die Barrikaden bereits errichtet. So bin ich dann mit meiner Frau aufgekratzt ins eisfrei gekratzte Auto gestiegen, wir haben uns im Heim noch an Gesprächen und Kerzenschein erwärmt und sind zufrieden und einig wie selten eingeschlummert.
Heute früh dann die Ernüchterung: Die Medien berichten und kommentieren, dass es nun doch nichts werden könnte mit der Steuersenkung durch die schwarzgelbe Koalition. Der Schäuble stellt sich irgendwie quer, die 3-Prozent-Liberalen jaulen dazu, und die Merkel hält an ihrer „Im Prinzip ja, aber“-Taktik fest.
Hätte ich wenige Stunden zuvor nicht Hagen Rether erlebt, gingen derartige Meldungen durch mich hindurch, ohne tiefere Spuren zu hinterlassen. Nun aber, sensibilisiert durch den am Flügel (den er zuvor eine Stunde lang gewienert hat!) vor sich hin präludierenden Ruhrpott-Feingeist, darf mich das nicht kalt lassen. Zumal auch meine dänischen Freunde längst nicht mehr grinsen über diese deutsch-arrogante Widersprüchlichkeit. Wollt ihr nun besser ausgestattete Schulen und Kindergärten? fragen sie mich. Seid ihr mit euren Altenheimen etwa zufrieden? Meckert ihr nicht ständig über Schlaglöcher, Baustellen, Umleitungen? Sagt ihr nicht, wer in Bildung investiert, investiert in die Zukunft? Und wie sie mit ihren Alten umgeht, zeige den kulturellen Status einer Gesellschaft?!?
Ich nicke hilflos – ja, und?
Wie arrogant seid ihr eigentlich, da Steuerentlastungen zu erwarten? Wir (sagen die Dänen) zahlen schon lange 25 % Mehrwertsteuer (die deutschen Urlauber bringen sich ja ihr Bier deshalb auch selbst mit – schön blöd, nicht wahr). Aber dafür sind unsere Straßen in Ordnung, die Kommunen solide, die Schulen offen, hell und freundlich, die Kultur hat Heimstätten, und die Alten sind uns nicht vom Tisch gefallen. Sicher, auch bei uns (sagen die Dänen) gibt es Dreck unterm Teppich und hinter den Kulissen. Ein bisschen davon hat die letzte Folketing-Wahl ja getilgt. Aber zu erwarten, dass es allen durch weniger Steuern besser gehen könne, darauf könnten nur die Deutschen kommen.
Sagen meine dänischen Freunde.
Und Hagen Rether – mit seinen Worten – irgendwie auch.
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber es gibt Momente, da fühle ich mich der Revolution nahe. Der, die echt ist, die kommen muss und wird, an der ich teilhabe und mit deren Konsequenzen ich einverstanden bin. Es ist ein erhebendes Gefühl, wirklich! Ich erlebe meinen Verstand in diesen Momenten als hellsichtig wie selten, ich erkenne, wo die Säge klemmt, und finde meine geheimsten Annahmen bestätigt, und ich sehe auch den Ausweg, der mehr ist als das, nämlich: Der Weg in ein Morgen, das nicht nur das Heute irgendwie fortsetzt, sondern zeigt, dass es auch ganz anders geht…
Aha, sagen jetzt einige und nicken weise: Der Zirkustiger ist sicher bei einem Auftritt von Hagen Rether gewesen! Und sie haben Recht, zugegeben. Ja, da war ich gestern.
Nun habe ich gar keine Lust, hier über die Faszination eines reichlich dreistündigen Solo-Abends zu schwadronieren, und auch eine traditionelle Rezension soll es nicht werden. Ich will nur all jenen Enttäuschten, die das politische Kabarett bereits in den unheiligen Jagdgründen der Comedy verendet sehen, zurufen: Es gibt noch Hoffnung! Wir waren tausend Leute gestern Abend im halleschen Steintor-Varieté, das Lachen blieb uns oft genug im Halse stecken, und wenn Rether am Ende die standing ovations genutzt hätte, dem heiter-intellektuellen Volkszorn eine Richtung zu weisen, wären die Barrikaden bereits errichtet. So bin ich dann mit meiner Frau aufgekratzt ins eisfrei gekratzte Auto gestiegen, wir haben uns im Heim noch an Gesprächen und Kerzenschein erwärmt und sind zufrieden und einig wie selten eingeschlummert.
Heute früh dann die Ernüchterung: Die Medien berichten und kommentieren, dass es nun doch nichts werden könnte mit der Steuersenkung durch die schwarzgelbe Koalition. Der Schäuble stellt sich irgendwie quer, die 3-Prozent-Liberalen jaulen dazu, und die Merkel hält an ihrer „Im Prinzip ja, aber“-Taktik fest.
Hätte ich wenige Stunden zuvor nicht Hagen Rether erlebt, gingen derartige Meldungen durch mich hindurch, ohne tiefere Spuren zu hinterlassen. Nun aber, sensibilisiert durch den am Flügel (den er zuvor eine Stunde lang gewienert hat!) vor sich hin präludierenden Ruhrpott-Feingeist, darf mich das nicht kalt lassen. Zumal auch meine dänischen Freunde längst nicht mehr grinsen über diese deutsch-arrogante Widersprüchlichkeit. Wollt ihr nun besser ausgestattete Schulen und Kindergärten? fragen sie mich. Seid ihr mit euren Altenheimen etwa zufrieden? Meckert ihr nicht ständig über Schlaglöcher, Baustellen, Umleitungen? Sagt ihr nicht, wer in Bildung investiert, investiert in die Zukunft? Und wie sie mit ihren Alten umgeht, zeige den kulturellen Status einer Gesellschaft?!?
Ich nicke hilflos – ja, und?
Wie arrogant seid ihr eigentlich, da Steuerentlastungen zu erwarten? Wir (sagen die Dänen) zahlen schon lange 25 % Mehrwertsteuer (die deutschen Urlauber bringen sich ja ihr Bier deshalb auch selbst mit – schön blöd, nicht wahr). Aber dafür sind unsere Straßen in Ordnung, die Kommunen solide, die Schulen offen, hell und freundlich, die Kultur hat Heimstätten, und die Alten sind uns nicht vom Tisch gefallen. Sicher, auch bei uns (sagen die Dänen) gibt es Dreck unterm Teppich und hinter den Kulissen. Ein bisschen davon hat die letzte Folketing-Wahl ja getilgt. Aber zu erwarten, dass es allen durch weniger Steuern besser gehen könne, darauf könnten nur die Deutschen kommen.
Sagen meine dänischen Freunde.
Und Hagen Rether – mit seinen Worten – irgendwie auch.
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Sonntag, 5. Februar 2012
Rosa verteidigt Karl-Theodor
zirkustiger, 13:40h
Fünfter Februar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber die Diskussions- und Streitkultur ist so eine Sache. Ebenso wie die freie Meinungsäußerung an sich, die uns allen doch verfassungsmäßig garantiert ist. Die Art und Weise derselben unterliegt jedoch stark subjektiver Auslegungen, und so darf ich zumindest meine Meinung äußern, dass die vorgehaltene Maske eines erzkatholischen englischen Terroristen aus dem späten Mittelalter mir persönlich dafür nicht unbedingt geeignet erscheint. Aber wie gesagt – das ist meine persönliche Meinung. Nun üben sich die selbsternannten Sachwalter der schrankenlosen Freiheit im Internet auch noch in Stummfilmattitüden a la Dick und Doof: Sie schmeißen mit Sahnetorten! Ausgerechnet in das völlig unmaskierte und stets gut gebräunte Gesicht des Freiherrn zu Guttenberg, der von der EU bestallt ist, eben diese Freiheit des Internets in Regeln zu bringen und dafür geeignete Modalitäten zu entwickeln. Dazu traf er sich immerhin mit einem Protagonisten der Piraten-Partei, die dadurch eine Aufwertung erfährt, die ihrem diffusen und bisher von wenig Sachkenntnis getrübten Geschwätz auf politischen Bühnen erstaunlich unangemessen erscheint (auch dies, bitteschön, ist eine ganz persönliche Meinungsäußerung). Und nachdem die Torte geflogen und die Sahne vom Gesicht geleckt war, haben sie tatsächlich noch weiter geredet da im Berliner Abgeordnetenhaus. Zum Tortenwurf bekannt hat sich inzwischen die „Hedonistische Internationale“. Das entsprechende Video wird im freien Internet mit Klickorgien geadelt. Guttenberg hat via Facebook reagiert – wie angemessen. Und sogar halbwegs witzig. Und ich verspüre beim Versuch, dies alles zu verarbeiten und mir dazu eine Meinung zu bilden, so ein leichtes Grummeln im Untergrund. Nach anfänglicher Verunsicherung (die Erdbeben kommen ja auch immer näher) wird mir schnell klar: Da rotiert Rosa Luxemburg in ihrem Grabe…! Wie schrieb sie doch einst? Freiheit sei immer die Freiheit der Andersdenkenden?! Damit flöge sie heutzutage bei den Piraten wohl ebenso raus wie bei Anonymous…
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber die Diskussions- und Streitkultur ist so eine Sache. Ebenso wie die freie Meinungsäußerung an sich, die uns allen doch verfassungsmäßig garantiert ist. Die Art und Weise derselben unterliegt jedoch stark subjektiver Auslegungen, und so darf ich zumindest meine Meinung äußern, dass die vorgehaltene Maske eines erzkatholischen englischen Terroristen aus dem späten Mittelalter mir persönlich dafür nicht unbedingt geeignet erscheint. Aber wie gesagt – das ist meine persönliche Meinung. Nun üben sich die selbsternannten Sachwalter der schrankenlosen Freiheit im Internet auch noch in Stummfilmattitüden a la Dick und Doof: Sie schmeißen mit Sahnetorten! Ausgerechnet in das völlig unmaskierte und stets gut gebräunte Gesicht des Freiherrn zu Guttenberg, der von der EU bestallt ist, eben diese Freiheit des Internets in Regeln zu bringen und dafür geeignete Modalitäten zu entwickeln. Dazu traf er sich immerhin mit einem Protagonisten der Piraten-Partei, die dadurch eine Aufwertung erfährt, die ihrem diffusen und bisher von wenig Sachkenntnis getrübten Geschwätz auf politischen Bühnen erstaunlich unangemessen erscheint (auch dies, bitteschön, ist eine ganz persönliche Meinungsäußerung). Und nachdem die Torte geflogen und die Sahne vom Gesicht geleckt war, haben sie tatsächlich noch weiter geredet da im Berliner Abgeordnetenhaus. Zum Tortenwurf bekannt hat sich inzwischen die „Hedonistische Internationale“. Das entsprechende Video wird im freien Internet mit Klickorgien geadelt. Guttenberg hat via Facebook reagiert – wie angemessen. Und sogar halbwegs witzig. Und ich verspüre beim Versuch, dies alles zu verarbeiten und mir dazu eine Meinung zu bilden, so ein leichtes Grummeln im Untergrund. Nach anfänglicher Verunsicherung (die Erdbeben kommen ja auch immer näher) wird mir schnell klar: Da rotiert Rosa Luxemburg in ihrem Grabe…! Wie schrieb sie doch einst? Freiheit sei immer die Freiheit der Andersdenkenden?! Damit flöge sie heutzutage bei den Piraten wohl ebenso raus wie bei Anonymous…
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Donnerstag, 19. Januar 2012
Fröhlich, feucht und liberal
zirkustiger, 12:20h
Neunzehnter Januar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich halte Westerwelles Brille für den Grund allen Übels (vor allem natürlich der üblen Meinung, die die Mehrheit offenbar von unserem Außenminister hat). Wieso, fragt ihr? Ist euch das noch nie aufgefallen?! Die Stärke seiner Brillengläser führt zu einer lupenartigen Vergrößerung seiner Augen, deren starrer Blick damit den ausgesprochen naiven Ausdruck andauernden Nichtbegreifens dessen, was da zeitgleich seinem Munde entquillt, annimmt und verstärkt. Natürlich bestätigt uns dieser Effekt auch im guten Grundgefühl, diese wässrig blauen Augen (oder sind sie eher unschuldig rehbraun?) könnten ohnehin kein Wässerchen trüben, aber da sei man sich mal nicht zu sicher. Ob Haftlinsen die Lösung wären, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht sollte er einfach etwas häufiger blinzeln und die Augen nicht noch zusätzlich aufreißen, was den Vergrößerungseffekt der Brillengläser potenziert und die sich hinter den Pupillen andeutende Leere zum Vakuum geraten lässt. Oder Guido sollte sich doch besser einen anderen Job suchen, bei dem eine gewisse Comedy-taugliche Erscheinung eher tolerierbar ist als im Auswärtigen Amt. Zum Beispiel könnte er Partys geben. Genau – hat er gerade getan, anlässlich seines fünfzigsten Geburtstages. Das bringt mich ja auch auf den Gedanken: Da war er nämlich gar nicht so schlecht wie sonst! Er hat launig geplaudert, die Kanzlerin hat mit ihm gelacht und sich an frühere Begegnungen erinnert, selbst der ebenfalls geladene Gysi hat über den erneut bemühten Vergleich des demokratischen Sozialismus mit einem vegetarischen Schlachthaus geschmunzelt. Wowi war auch da, natürlich, der feiert ja auch gern (zumal die beiden, wie Guido etwas anzüglich bemerkte, ja noch mehr verbindet als nur die feuchtfröhliche Partylaune).
Kurz und gut: Es schien, als bedaure Guido am Ende selbst, dieses Parkett wieder mit dem ungleich glatteren der internationalen Politik tauschen zu müssen. Obwohl – seine letzten Sätze klangen wie eine Drohung: Er sei ja erst 50 geworden und keine 80, und da werde er sich noch lange und spürbar in die liberale Politik einmischen… Bin ich froh, dass die demnächst nicht mehr gewählt werden: die 18 (Promille) steht schließlich als Ziel, oder?
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – ich halte Westerwelles Brille für den Grund allen Übels (vor allem natürlich der üblen Meinung, die die Mehrheit offenbar von unserem Außenminister hat). Wieso, fragt ihr? Ist euch das noch nie aufgefallen?! Die Stärke seiner Brillengläser führt zu einer lupenartigen Vergrößerung seiner Augen, deren starrer Blick damit den ausgesprochen naiven Ausdruck andauernden Nichtbegreifens dessen, was da zeitgleich seinem Munde entquillt, annimmt und verstärkt. Natürlich bestätigt uns dieser Effekt auch im guten Grundgefühl, diese wässrig blauen Augen (oder sind sie eher unschuldig rehbraun?) könnten ohnehin kein Wässerchen trüben, aber da sei man sich mal nicht zu sicher. Ob Haftlinsen die Lösung wären, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht sollte er einfach etwas häufiger blinzeln und die Augen nicht noch zusätzlich aufreißen, was den Vergrößerungseffekt der Brillengläser potenziert und die sich hinter den Pupillen andeutende Leere zum Vakuum geraten lässt. Oder Guido sollte sich doch besser einen anderen Job suchen, bei dem eine gewisse Comedy-taugliche Erscheinung eher tolerierbar ist als im Auswärtigen Amt. Zum Beispiel könnte er Partys geben. Genau – hat er gerade getan, anlässlich seines fünfzigsten Geburtstages. Das bringt mich ja auch auf den Gedanken: Da war er nämlich gar nicht so schlecht wie sonst! Er hat launig geplaudert, die Kanzlerin hat mit ihm gelacht und sich an frühere Begegnungen erinnert, selbst der ebenfalls geladene Gysi hat über den erneut bemühten Vergleich des demokratischen Sozialismus mit einem vegetarischen Schlachthaus geschmunzelt. Wowi war auch da, natürlich, der feiert ja auch gern (zumal die beiden, wie Guido etwas anzüglich bemerkte, ja noch mehr verbindet als nur die feuchtfröhliche Partylaune).
Kurz und gut: Es schien, als bedaure Guido am Ende selbst, dieses Parkett wieder mit dem ungleich glatteren der internationalen Politik tauschen zu müssen. Obwohl – seine letzten Sätze klangen wie eine Drohung: Er sei ja erst 50 geworden und keine 80, und da werde er sich noch lange und spürbar in die liberale Politik einmischen… Bin ich froh, dass die demnächst nicht mehr gewählt werden: die 18 (Promille) steht schließlich als Ziel, oder?
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Samstag, 7. Januar 2012
Geheimnis des Erfolgs
zirkustiger, 21:04h
Sechster Januar
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber eigentlich war das ja zu erwarten: Gregor Schlierenzauer hat die Vier-Schanzen-Tournee gewonnen. Die Österreicher haben durchgängig dominiert. Die deutschen Ski-Adler flatterten flügellahm hinterdrein. Alles wie gehabt also, seit Hungerkünstler Hannawald ausgebrannt abgetreten ist und seinen alternden Kumpel Schmitt zurückgelassen hat. Nun versuchen wir schon seit Jahren, durch einen österreichischen Trainer Anschluss an das österreichische Skiwunder zu bekommen, aber es will nicht gelingen. Und seit heute weiß ich auch, wieso… Das Geheimnis heißt: AVWF!
Was, nie gehört? Ich zuvor auch nicht. Aber aufgefallen ist mir schon, dass diese Schlieri, Morgi, Andi und Kochi da ständig mit auffälligen Kopfhörern rumliefen, sich locker in den Hüften wiegend und stets ein beseeltes Grinsen auf den schmalen Kindergesichtern. Das ist sie nämlich, diese AVWF, was in Gänze nichts weniger bedeutet als „AudioVisuelle WahrnehmungsFörderung“. Klar hat das was mit Psycho zu tun, und ohne Psycho geht heutzutage in der Sportwelt ja gar nichts mehr (Magdalena „Strahlemädchen“ Neuner hat sich auch gerade per Telefon von ihrem Mentaltrainer wieder einwummern lassen, nachdem sie die Biathlon-Staffel mit vier Strafrunden beim letzten Schießen grandios vergeigt hatte, und siehe da: Heute in Oberhof hüpfte sie gleich wieder aufs oberste Podium beim Sprint).
AVWF also. Ein gewisser Ulrich Conrady hat sie entwickelt. Was da passiert? Einem Musikstück, das man gern hört, werden Schallwellen beigemischt oder vorhandene so verändert, dass sie „das autonome Nervensystem stimulieren und wieder in Balance bringen“ (so heißt es auf der offiziellen AVWF-Website). Die Leistungsbereitschaft kehre zurück und werde spürbar gesteigert. Wichtig seien die geschlossenen Kopfhörersysteme – da darf wirklich nichts hereindringen von außen. Der Rest passiert dann fast von allein – schließlich läuft ohnehin alles im Unterbewussten ab, wie Herr Conrady herausgefunden hat.
Was für ein später Triumpf für mich! Vor Jahrzehnten mit dem ersten in der DDR erhältlichen Walkman von SONY ausgestattet, stolperte ich auch ziemlich weltentrückt durch die Gegend und wurde selbstverständlich zum Kritikpunkt für Eltern und Lehrer. Die wussten halt noch nichts von den leistungssteigernden Wirkungen dieses auditiven Dopings. Und ich werde mich nun um mehr Nachsicht gegenüber jungen Leuten bemühen müssen, die mit mehr oder weniger auffälligen Ohrstöpseln signalisieren, dass sie sich gerade von manipulierten Schallwellen stimulieren lassen. Offen bleibt allerdings die Frage, wie ich reagiere, wenn meine Studenten in der Vorlesung sich die Muscheln überstülpen. Soll ich sie nun tadeln, dass sie mir nicht zuhören, oder loben, dass sie mittels AVWF ihren Lernerfolg zu steigern suchen? Für diesbezügliche Handlungsvorschläge wäre ich sehr dankbar...
Ich weiß ja nicht, wie es euch damit geht – aber eigentlich war das ja zu erwarten: Gregor Schlierenzauer hat die Vier-Schanzen-Tournee gewonnen. Die Österreicher haben durchgängig dominiert. Die deutschen Ski-Adler flatterten flügellahm hinterdrein. Alles wie gehabt also, seit Hungerkünstler Hannawald ausgebrannt abgetreten ist und seinen alternden Kumpel Schmitt zurückgelassen hat. Nun versuchen wir schon seit Jahren, durch einen österreichischen Trainer Anschluss an das österreichische Skiwunder zu bekommen, aber es will nicht gelingen. Und seit heute weiß ich auch, wieso… Das Geheimnis heißt: AVWF!
Was, nie gehört? Ich zuvor auch nicht. Aber aufgefallen ist mir schon, dass diese Schlieri, Morgi, Andi und Kochi da ständig mit auffälligen Kopfhörern rumliefen, sich locker in den Hüften wiegend und stets ein beseeltes Grinsen auf den schmalen Kindergesichtern. Das ist sie nämlich, diese AVWF, was in Gänze nichts weniger bedeutet als „AudioVisuelle WahrnehmungsFörderung“. Klar hat das was mit Psycho zu tun, und ohne Psycho geht heutzutage in der Sportwelt ja gar nichts mehr (Magdalena „Strahlemädchen“ Neuner hat sich auch gerade per Telefon von ihrem Mentaltrainer wieder einwummern lassen, nachdem sie die Biathlon-Staffel mit vier Strafrunden beim letzten Schießen grandios vergeigt hatte, und siehe da: Heute in Oberhof hüpfte sie gleich wieder aufs oberste Podium beim Sprint).
AVWF also. Ein gewisser Ulrich Conrady hat sie entwickelt. Was da passiert? Einem Musikstück, das man gern hört, werden Schallwellen beigemischt oder vorhandene so verändert, dass sie „das autonome Nervensystem stimulieren und wieder in Balance bringen“ (so heißt es auf der offiziellen AVWF-Website). Die Leistungsbereitschaft kehre zurück und werde spürbar gesteigert. Wichtig seien die geschlossenen Kopfhörersysteme – da darf wirklich nichts hereindringen von außen. Der Rest passiert dann fast von allein – schließlich läuft ohnehin alles im Unterbewussten ab, wie Herr Conrady herausgefunden hat.
Was für ein später Triumpf für mich! Vor Jahrzehnten mit dem ersten in der DDR erhältlichen Walkman von SONY ausgestattet, stolperte ich auch ziemlich weltentrückt durch die Gegend und wurde selbstverständlich zum Kritikpunkt für Eltern und Lehrer. Die wussten halt noch nichts von den leistungssteigernden Wirkungen dieses auditiven Dopings. Und ich werde mich nun um mehr Nachsicht gegenüber jungen Leuten bemühen müssen, die mit mehr oder weniger auffälligen Ohrstöpseln signalisieren, dass sie sich gerade von manipulierten Schallwellen stimulieren lassen. Offen bleibt allerdings die Frage, wie ich reagiere, wenn meine Studenten in der Vorlesung sich die Muscheln überstülpen. Soll ich sie nun tadeln, dass sie mir nicht zuhören, oder loben, dass sie mittels AVWF ihren Lernerfolg zu steigern suchen? Für diesbezügliche Handlungsvorschläge wäre ich sehr dankbar...
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