Freitag, 19. Juni 2020
Geschlechterfragen
Es gibt Tage, die gehen vorüber, ohne dass ich mich über irgendwas aufregen könnte. Nicht, dass ich mit allem einverstanden wäre, was da so passiert und angedeutet, verbreitet, erklärt oder behauptet wird, aber als Aufreger reicht es halt nicht. Dann aber gibt es Momente, da möchte ich aus der Haut fahren. Und es ist ungesund, dies nicht zu tun.
So will und muss ich mich heute erregen über all die strengen Sittenwächter*innen und *außen, die gendern, was das Zeug hält (das Zeug – Neutrum!), die Sternchen verteilen, um damit eine ganz eigene Wertung vorzunehmen, und die Gaps aufreißen, über die ich nicht nur sprechend schwer hinwegkomme. Besonders brisant wird es für mich, wenn es der Kunst an den Kragen bzw. ans Geschlecht – im übertragenen wie wörtlichen Sinne – geht. Wie hat mich da jüngst das „Eiskalte Aufklärungsmanifest“ von Maxim Biller im Feuilleton der ZEIT (24/2020) erfreut, denn auch ihm geht da manches gegen den Strich.
Konkreter Anlass war allerdings keineswegs ein Strich, sondern eher das Gegenteil: „der erstklassige Penis“ (Zitat!) nämlich von Rammstein-Röhre Till Lindemann…, nun gut, das soll – wer will – dort selbst nachlesen. Allerdings übertrug sich der öffentliche Vorwurf männlicher Härte dann aufs poetische Werk des einstigen DDR-Schwimmkaders (die Frage, inwieweit das Staatsdoping zu dieser Härte im einen wie anderen Fall beigetragen haben könnte, stellt sich mir in diesem Zusammenhang, bleibt aber unbeantwortet und damit auch hier außen vor).
Und damit wird es zum leider nicht neuen Problem in Zeiten, da Eugen Gomringer, der altlüsterne Bewunderer der Frauen, nicht ungestraft eine Hochschulfassade betexten darf, hinter der heutige Student*/_Innen ihre feminine Militanz ausleben. (Dass Gomringers Schlüsseltext der Konkreten Poesie inzwischen an einer anderen Fassade ganz in der Nähe wiedererstanden ist, sei mit Dank an die Berliner Wohnungsgenossenschaft "Grüne Mitte" vermerkt – es gibt noch Mut in dieser Welt!)
Nun will ich gar nicht versuchen, Gomringer und Lindemann auf eine Stufe zu stellen; Vergleiche hinken ohnehin. Aber wenn schon, denn schon: Konsequenterweise empfehle ich, endlich den ollen Goethe vom Sockel zu schubsen, in Weimar und anderswo: „Und der wilde Knabe brach’s / Röslein auf der Heiden. / Röslein wehrte sich und stach, / half ihm doch kein Weh und Ach, / musst es eben leiden…“ – aber hallo! Das ist die reinste Vergewaltigungslyrik, meine Dam*innen! Und wer beim nächsten Abend mit Schubert-Liedern nicht bei der Forelle entrüstet aufspringt, gehört ausgepeitscht: Eine dreiste Verführung wird da besungen mit Lug und Betrug! Christian Friedrich Daniel Schubart, der Textdichter, sagt es in der letzten Strophe (die Schubert übrigens unvertont beiseite ließ?!) sehr deutlich: „Meist fehlt ihr nur aus Mangel / Der Klugheit; Mädchen, seht / Verführer mit der Angel – / Sonst blutet ihr zu spät“! Da kann dieser Schubart noch so sozialkritisch und antifeudal gedichtet haben, wie er will – so ein Text gehört auf den Scheiterhaufen der Geschichte. Und wenn der schon entzündet wird, werft bitte Heinrich von Kleist mit hinein: „Die Marquise von O.“ hat es verdient (bzw. derjenige, der laut Kleist ihre Ohnmacht für Dinge ausnutzte, die zu schildern sich in einem für Jugendliche unter 18 Jahren frei zugänglichen Blogbeitrag selbstredend verbietet). Von den Gebrüdern Grimm ganz zu schweigen, denn welche Moral muss man aus der Geschichte „Vom Fischer un sin Fru“ extrahieren? Genau: Das gierige Weib ist schuld am Unglück, in dem am Schluss der Story beide wieder sitzen! Der brave Mann kann nix dafür – außer dass er keinen A… in der Hose hatte, um sich gegen die zänkische Alte mal durchzusetzen.
So, nun geht es mir schon viel besser. Und eines ist sicher: Ihr habt noch viel zu tun!

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 20. Februar 2015
Wenn die Babys zweimal piepen
Das ist doch endlich mal ein Schritt in die richtige Richtung: Das Krankenhaus in Stendal im nördlichen Sachsen-Anhalt stattet ab sofort seine Neugeborenen mit einem Transponder aus, der über Bluetooth signalisiert, wo sich das süße Scheißerchen gerade befindet. Ein armbanduhrgroßes Empfangsgerät am Handgelenk der Mutter sowie natürlich die Überwachungstechnik der Klinik sorgen dafür, dass niemand den frischen Erdenbürger aus der Klinik entführt, und auch Verwechslungen der Babys, die ja häufig genug vorkommen (zumindest in Groschenromanen und TV-Vorabendserien), seien dadurch ausgeschlossen, versichert die Krankenhausleitung stolz. Apropos häufig: Deutschlandweit soll es jährlich ein Dutzend Babyentführungen aus Kliniken geben. Sagt nicht das Stendaler Krankenhaus, sondern die Statistik…, sagt das Krankenhaus (also doch). Und im Mitteldeutschen Rundfunk versichert eine Stendaler Mutti, wie froh sie nun sei, denn es nehme ja immer mehr zu, dass Kinder aus Krankenhäusern gediebstählt würden... Dortselbst, also in Stendal, sei das allerdings noch nie vorgekommen. Man habe aber von einem Fall in Nürnberg gehört und sorge nun vor. Na, immerhin. Ach ja – 40.000 Euro habe die neue Technologie gekostet. Dafür könnte man ja sogar anderthalb Kinderkrankenschwestern einstellen, habe ich errechnet, aber die piepsen natürlich nicht so schön wie dieses neue Gerät, dessen Strahlung übrigens völlig unbedenklich sei für die Babys, keine Sorge! Zumal niemand weiß, wo genau der Transponder an den kleinen Wesen angebracht wird – da halten sich die stolzen Medizintechniker nämlich bedeckt.
Andererseits wirkt auch dieser Schritt letztlich wieder nur halbherzig. Es wäre doch für eine Klinik sicher keine Hürde, dem Neugeborenen gleich einen MicroChip in seine dralle Pobacke zu implantieren. Der könnte dann ein Leben lang Auskunft geben, wo der oder die Betreffende sich gerade seinen bzw. ihren Hintern breitsitzt. Ungeahnte Möglichkeiten für Polizei, Steuerfahndung sowie gehörnte Lebenspartner/-innen. Aber keine Sorge: Ich bin sicher, dass wir darauf nicht lange warten müssen. Der Fortschritt lässt sich nämlich nicht aufhalten! Und was Fortschritt ist, bestimmen auf diesem Planeten längst schon die Technologen…

... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 9. März 2014
Die Welt ist aus den Fugen
Dass Pferde inzwischen sogar in die Apotheken kotzen, wundert nicht einmal mehr die Pharmavertreter.
Jedes Rindviech furzt fröhlich Löcher in die Stratosphäre und behauptet wiederkäuend, dies diene der besseren Betrachtung des Mondes.
Wölfe kopulieren mit Schafen, auf dass ihren Nachkommen jegliche Eindeutigkeit abgehe.
Um den in die Antarktis einwandernden Löwenrudeln zu entgehen, exilieren Pinguine in die Sahara und beschweren sich bei den Kamelen, dass diese sämtliche Gletscher rutschfest abgestreut hätten.
Immer häufiger lassen sich Lemminge als Bergführer für einmalige Erlebnistouren engagieren.
Die Schweine haben Orwells „Animal Farm“ vom Index genommen und planen eine Reality Show mit menschlichen Darstellern – die ersten Castings laufen schon.
Schimpansen ignorieren Freundschaftsanfragen auf Facebook; gerüchteweise sei bei ihnen bereits eine Ape-App in Gebrauch.
Und die Delphine hätten, so heißt es, ihre Forschungsarbeiten zur Überwindung jeglicher Sprachbarrieren mangels Interesses eingestellt.
Irgendwie kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, das alles liefe hier zunehmend aus dem Ruder.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 6. Februar 2014
Kein Ort. Nirgends? - Ein geografisches Problem
Kann mir mal jemand helfen und verraten, wo genau Kürze liegt? Nein, nein, nicht Kürzell – das liegt im Badischen mit der Postleitzahl 77974. So weit bin ich mit meinen Recherchen schon selbst gekommen. Na ja, wahrscheinlich liegt Kürze auch gar nicht in Deutschland. Sonst wäre es ja erreichbar. Sicher irgendwo am andern Ende der Welt, im australischen Outback, im unwirtlichen Feuerland, auf der karelischen Halbinsel. Das würde ich dann auch verstehen, denn der Transportweg dorthin (und zurück) ist enorm aufwändig, sodass es schon mal zu Verzögerungen kommen kann. Oder sich eventuell auch gar nicht lohnt. Aber dann sollte man es auch nicht versprechen, oder?
Was ich eigentlich meine? Ach so, ja – ihr geht ja wahrscheinlich nicht in dasselbe Fitnessstudio, in das ich (in unregelmäßig großen Abständen) meinen erschlaffenden Körper schleppe, um dem Muskelschwund (zumindest gefühlt) gegenzusteuern. Dort nämlich, in diesem Studio, dessen drei „s“ mich immer noch verwirren, steht so ein einfaches Gerät zum Training der Bauchmuskeln – man kann Sit-Ups darauf machen, wie die blutjunge und gertenschlanke Trainerin mir einst mit verschwörerischem Blick verriet (wir sagten früher im Sportunterricht „Rumpfheben“ dazu, was natürlich längst nicht so modern klingt). Ich habe das jedenfalls auch immer mal ausprobiert, aber nun liegt seit einem guten Vierteljahr auf diesem Gerät ein Schild mit der Aussage „Wird in Kürze repariert“! Anfangs dachte ich noch, damit wäre eine simple Zeiteinheit gemeint, eben eine kurze Spanne, und dann wäre alles wieder benutzbar. Doch als ich heute das Schild noch immer auf dem Gerät entdeckte, kamen mir Zweifel: Ein Vierteljahr – das ist im beschleunigten Zeitalter nicht kurz, sondern eine gefühlte Ewigkeit. Also muss „Kürze“ wohl doch etwas anderes bedeuten: Der Name des einzigen Ortes weltweit wahrscheinlich, in dem es eine Spezialwerkstatt für derartige Sit-Up-Maschinen gibt. Leider muss dieses Kürze wohl sehr weit entfernt sein, verborgen liegen und schlecht zu erreichen; auch meine Suchmaschine hat es jedenfalls nicht gefunden. Habt ihr eventuell einen Hinweis, den ich dem Fitnessstudio mal geben könnte?

... link (0 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 22. Januar 2014
Die Zukunft beginnt. Heute...
Da sitze ich in unserer erfreulich analogen Wohnung und werde heimgesucht von Visionen. Keineswegs von düsteren, eher vom Gegenteil: Sie sind hell, sauber, chromblitzend vielleicht und beinahe lautlos. So soll es sein, wenn die Computernetzwerke in den Haushalt hineinwachsen und den Chip des Handelns in den eigenen Host nehmen. Auf einschlägigen Messen wird darüber informiert, Fach- und Frauenzeitschriften berichten exklusiv, und was hinter prozessorverschlossenen Türen in echten Expertenkreisen dazu bereits abgeht, das möchte ich gar nicht erst wissen. Denn ich will das alles nicht! Ich will mich noch ärgern dürfen, wenn ich vergessen habe einzukaufen und der Kühlschrank leer ist. Ich will die Heizung dann aufdrehen, wenn ich nach Hause komme, und mich daran erfreuen, wie ich allmählich von ihr erwärmt werde (mit einem Glas heißer Honigmilch in der Hand). Ich will noch mit dem Staubsauger selbst in die Ecken fuchteln und auch nicht anschließend vom Gerät gesagt bekommen, ich hätte dabei genau siebenunddreißigkommasechs Kilokalorien verbraucht (und mir also ein Extrastück Schokolade verdient). Falls ich (was einmal im Jahr vorkommt) mir aus Heißhunger eine Pizza Napoli bestellt habe, sollen sich nicht im Anschluss die Kartons in meinem Tiefkühlfach stapeln, nur weil mein digitaler Hausfreund glaubt, mein Geschmack habe sich geändert. Und meine Unterhose muss mir auch nicht mit metallener Stimme mitteilen, wann sie gewaschen werden will. „Wearable Technologies” seien der neue Trend: Der Körper wird zur Fernbedienung. Brille, Watch, Implantate, Sensoren… - RoboCop meets Terminator. Sagte ich schon, dass ich noch immer einen Röhrenfernseher habe? Freilich hat mein Enkel (18 Monate) auch schon ausprobiert, ob es sich dabei um einen Touchscreen handelt – Fehlanzeige! Hier werden keine Bilder weggewischt, sondern nur die Spuren der Digital Natives. Übrigens ein LOEWE, genau, aus der beinah plattgemachten Edelschmiede; den gab‘s vor einigen Jahren fast neu zum Spottpreis, weil alle Welt nur noch die flachen Scheiben wollte. Und jetzt staunen meine Freunde, was für ein natürlich schönes Bild mein Kasten zaubert…
Zurück zum vernetzten Haus. Das könne die Raumtemperatur regeln in Abhängigkeit von der Wärme, die dort anwesende Menschen selbst produzieren, indem sie Kohlenhydrate oder Körperfett verbrennen. Muss ich das gut finden? Brauche ich das? Ich stelle mir vor, wie das Netz reagiert, wenn ich beim gelegentlichen Liebesspiel mit meiner Holden mal etwas transpiriere (und sie womöglich auch): Flugs wird das Zimmer runtergekühlt, und aus dem schönen Kuschelabend wird eine Polarexpedition. Nein, danke! Oder die angepriesene Gesichtserkennung als Türöffner?! Manchmal erkenne ich mich ja selbst nicht mehr im Spiegel. Clevere Kriminelle aber fischen aus dem Netz, das nichts vergisst, irgendein altes Foto von mir, drucken es aus in Hochglanz und mit 600dpi und halten es vors wachsame, aber dumme Auge: Schon springt die Tür auf, irgendwo aus dem Raum raunt den Einbrechern gar ein einprogrammiertes herzliches Willkommen zu, und flugs schleppen sie die fette Beute (beispielsweise meinen LOEWE als gesuchte Antiquität) hinaus. Diese Entwicklung birgt also Gefahren, wohin man auch surft.
Woher ich das alles weiß? Na, das hab ich grad‘ mit meiner News-App auf meinem Tablet gelesen...

... link (0 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 21. Januar 2014
Prima Primzahlen!
Ich ging im Walde so für mich hin / und hatte doch eigentlich gar nichts im Sinn… - so will ich mal den Klassiker bemühen angesichts dessen, was mir heute widerfahren ist beim Spaziergang durch einen neblig nassgrauen Wintertag. Da kann man natürlich nicht wie Goethe auf Blümlein hoffen, die man ausbuddeln und in den gut umzäunten heimischen Garten verbringen könnte. Es war eher die trübe Stimmung für was Abstraktes, so was wie… Primzahlen zum Beispiel. Primzahlen? Also, ich kam wohl irgendwie über Märchen drauf (da primt es ja bekanntlich gewaltig): die sieben Zwerge, die sieben Geißlein, die sieben Raben… Das kleinste unteilbare Ganze. Oder jene überzählige Fee, die als Dreizehnte über das harmonisch runde Dutzend der goldenen Teller im Königspalast hinausreicht…
Addiert man zwei Primzahlen, bekommt man übrigens nicht etwa eine neue Primzahl, sondern immer eine gerade Zahl, die zudem noch sehr gut teilbar ist (wie 7 + 13 = 20, 11 + 13 = 24 oder 11 + 19 = 30 anschaulich zeigen). Nein, nein – ehe hier falsche Schlüsse aufkommen: Ich bin beileibe kein Mathematiker und habe ansonsten mit Zahlen eher weniger am Hut. Aber an so einem abstrakten Tage kann das ja mal passieren! Inzwischen beschäftigte mich die Frage nach richtig großen Primzahlen. Dreistelligen, vierstelligen vielleicht? Gibt’s die eigentlich? Der Theoretiker sagt, da die Folge der natürlichen Zahlen unendlich ist, muss auch die Anzahl der darin enthaltenen Primzahlen unendlich groß sein. Womit die eine Unendlichkeit zwangsläufig die Teilmenge der anderen Unendlichkeit wäre – das verstehe wer will.
Ich bin da praktischer veranlagt und probierte es einfach mal aus: 1 und 2 und 3 und 4, vierstellig wird das 1234. Das ist natürlich keine Primzahl, wenn die letzte Ziffer gerade ist. Also rasch einen kleinen Zahlendreher eingefügt: 1243. Sieh mal an! Durch 2 schon mal nicht teilbar, also auch nicht durch 4, 6, 8 oder 10. Die Quersumme 10 ist nicht durch 3 teilbar, damit fällt also auch die 9 als Divisor raus. Dass die 5 nicht passt, sehen wahrscheinlich schon Förderkinder aus der KiTa. Bleibt mal wieder die verflixte 7, selbst die einzige Primzahl unter den einstelligen Zahlen. Da muss ich ein bisschen Kopfrechnen und aufpassen, dass ich nicht stolpere oder ausrutsche auf dem überfrorenen Feldweg. Dann steht fest: Auch da bleibt ein Rest. Tatsächlich also – 1243 ist eine Primzahl, und eine ziemlich große noch dazu. Der Stolz beflügelte meine Schritte…
Ob es noch größere gibt? Sicher (siehe oben). Aber die Lust am abstrakten Denken war mir nach dieser ungewohnten Anstrengung vergangen. Wozu gibt es schließlich die Community da draußen? Also, Freunde – werft mir Primzahlen zu! Je größer, je besser...

... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 30. Juni 2013
Auch blinde Hühner können lachen
Das wird ein sehr kurzer Blogeintrag, versprochen (zumal der letzte über mein Renft-Erlebnis ja ziemlich lang geraten ist, aber das musste halt mal gesagt werden). Nein, der aktuelle Gegenstand gibt da auch nicht mehr her als die paar Zeilen. Dennoch ist er amüsant und diese kurze Replik allemal wert. Also langer Rede…
Meine Heimatstadt beheimatet neben vielen netten und etlichen doofen Menschen auch einige wirklich schöne, so unter anderem eine „Miss Ostdeutschland“. Weil man von Schönheit allein bestenfalls eine kurze Weile leben kann, muss man das Eisen schmieden, solange es glüht. Also geht sie, die Miss O-D, nun moderierend auf Bühnen. Ihre Aussprache ist tatsächlich bemerkenswert ungeprägt vom Ur-Hallisch des Stadtteils Glaucha. So weit, so gut. Drauflosplaudern kann sie offenbar auch mit der Unbekümmertheit der späten Geburt. Auch das wäre also kaum der Erwähnung wert. Doch das alles (und darauf will ich ja eigentlich hinaus) stellt sie nun unter Beweis zur „zehnten XXL-Mallorca-Party auf dem Hühnerhof in Steuden“. Und darüber – mal ganz ehrlich – lachen ja sogar die Hühner. Oder?

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 29. Juni 2013
Renft: Die Dekonstruktion einer Legende
Ich bin kein gläubiger Mensch, zumindest nicht im religiösen Sinne. Doch gewisse Weisheiten aus dem biblischen Kontext haben ihre Berechtigung. Ein Jegliches habe seine Zeit, heißt es im Buch der Bücher (Prediger 3,1). Der Sinnspruch werde – weiß mein Zitatenlexikon – gern „bei Beerdigungen als tröstende Lesung genutzt“. Und obwohl es fast einer Beerdigung gleichkommt, tröstet mich das in diesem Falle nicht wirklich…
Ich war nämlich gestern beim Konzert einer Legende. Einer Ost-Legende, die vielen meiner Generationsgefährten (der heute um die 60-Jährigen) was bedeutet: Die Renft-Combo. Eingeladen war ins hallesche CAPITOL, das über einen großen und einen kleinen Konzertsaal verfügt. Schon als ich am großen Saal vorbei die Treppe zum kleinen Saal erklimmen musste, schwante mir nichts Gutes. Aber ein Konzerterlebnis wertet man ja nicht an der Quantität der Besucher. Hinterher wusste ich, dass all jene, die nicht dabei waren, es richtig gemacht haben. Sie haben aber auch etwas verpasst: Die Selbst-Dekonstruktion einer Legende…
Dass nur noch Thomas „Monster“ Schoppe dabei ist von jener legendären Combo, die 1975 von der Staatsmacht verboten wurde und quasi über Nacht aus den DDR-Beatlexika sowie den Playlists der DDR-Radiostationen verschwand, ist bekannt. Dass zahlreiche Schicksalsschläge hinzukommen, weiß der Eingeweihte auch: der Tod von Pjotr, von Pannach, von Cäsar und Jenny, ja letztlich auch der von Kutte Demmler, der Verlust des Gehörs bei Kuno, die endlosen Streitigkeiten der Vergangenheit, ob man nun am umjubelten Revival-Status der Nachwendezeit festhalten solle oder Neues wagen wolle und und und. Nunmehr also hält Monster nebst Pitti, Delle und Marcus allein noch die Renft-Fahne hoch: Ermutigung – trotz alledem! Doch tun sie sich damit einen Gefallen? Und uns? Oder gar der Erinnerung an Renft, an das, was die Jungs vor 40 Jahren geleistet haben in einem Land, dessen Lebensgefühl sie seinerzeit wohl mehr unbewusst erfassten und im alternativen Entwurf zu den FDJ-gehätschelten Puhdys an uns Jeans- und Parka-Träger weitergaben? Seit ich Renft 1973 in Weimar erstmals gehört hatte, wusste ich zumindest, was ich nicht wollte. Ein bisschen was von den Stones hatten sie, wenn ihr wisst, was ich meine.
Okay, alte Geschichten. Zurück zu gestern. Ein halb gefüllter kleiner Saal also, von der Vorband bereits ohrenbetäubend zugedröhnt. Dann kommen sie endlich, man rückt erwartungsvoll näher: Ein kleiner Kreis alter Freunde, die bedingungslos akzeptieren, was Monster & Co. abliefern werden, und ein kaum größerer Kreis an etwas ferneren Bekannten (wie ich), die überprüfen wollen, was noch stimmt vom alten Gefühl in mehrfach gewendeten Zeiten. Los geht’s mit „Wandersmann“, dann „Flüsse und Tränen“, von Monster als „Umweltsong“ angekündigt. Die Textbilder – einstmals nötig, um an der Zensur vorbei die Gleichgesinnten zu erreichen – wirken heute umständlich, aufgesetzt, irgendwie pseudo. Musikalisch kann man eigentlich nicht meckern, eigentlich: Jeder beherrscht sein Instrument. Aber wird daraus wirklich Musik in jenem filigranen, abwechslungsreichen Sinne, für den ich Renft einst geliebt habe? Monsters Stimme ist schon nach drei Titeln am Ende. Die 40 Jahre alten Stücke wurden seinerzeit für eine Stimmlage geschrieben, die nun, „da die Eier im Sack ein ganzes Stück tiefer hängen“ (O-Ton Kuno schon vor Jahren), unerreichbar ist. Zumal die Renft-Songs eben auch von der Unterschiedlichkeit der Solostimmen (Cäsar, Kuno und Monster) lebten. Nun will Monsters gequältes Organ das allein schaffen? Keine Chance. Auch Pittis Gitarre passt stilistisch irgendwie nicht rein. Dass er ein guter Gitarrist ist, weiß er. Ich weiß das auch. Dennoch vermisse ich den warmen, mitunter fast wehmütigen Ton von Cäsars Saitenspiel. Und die transparente Farbe der Akustikgitarre – seinerzeit meisterhaft von Kuno gespielt und von Monster ergänzt – bleibt komplett außen vor. Von Orgel und Piano ganz zu schweigen. „Wer die Rose ehrt“ kommt tatsächlich als Zugabe – ohne Orgel?! Delle Kriese und Marcus Schloussen machen ihre Rhythmus-/Bass-Arbeit grundsolide. Eigentlich reicht das ja aus, wenn sich darüber was entfaltet. Aber das passiert nicht. Monster tut mir zunehmend leid. Bei „Mama“ kräht er nur noch. Beim „Gänselieschen“ singt zum Glück das Publikum brav mit: „Unsre EllPehGeh hat hundert Gänse und ein Gänselieschen, das ist meins…“. Auch für mich ist das ein Abend zwischen Liebe und Zorn:„Revolution ist das Morgen schon im Heute / ist kein Bett und kein Thron für den Arsch zufriedner Leute…“; ja ja, das war seinerzeit sehr provokativ. Wir wussten, da waren die Funktionärchen gemeint, die sich ihre Privilegien gesichert hatten und darauf warteten, dass uns der Sozialismus vom Himmel falle. Heute klingt das merkwürdig fremd und fern. Vielleicht liegt es auch daran, dass Menschen unter 50 an diesem Abend im Publikum fehlen. Renft haben es nie geschafft, nach der Wende eine Brücke zu bauen von jenen Fans der ersten Stunde hin zu nachwachsenden Rohstoffen, also will sagen: zu nachwachsenden Generationen. Und weil die Alten nach und nach abtreten, läuft nun alles auf die biologische Lösung hinaus. Das ist bitter. „Freunde geht, das Fest ist aus, bleibt zusammen...“ heisert mir Monster noch nach, als ich schon die Flucht zum Ausgang antrete. Merkt er wenigstens, dass dieser Kreis immer kleiner wird? Und dass es höchste Zeit wäre, die Stimme an den Nagel zu hängen? Wie gesagt: Jegliches hat seine Zeit. Die von Renft als zeitgemäßes Live-Ereignis ist definitiv vorbei.

P.S. Monster hatte gestern auch Geburtstag, wirklich. Die Rotweinflaschen häuften sich auf der Bühne. Die alle in Ruhe auszutrinken wäre doch auch eine schöne Lebensaufgabe, wenn anderes vorüber ist…

... link (2 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 9. Mai 2013
Über Nessi, Maiböcke und die Himmelfahrt der SPD
Hoppla, habe ich was verpasst? Ein paar Wochen verschlafen vielleicht? Oder haben nur die ersten warmen Tage die SPD dazu verführt, bereits den Sommer auszurufen?! Und damit das obligate Sommerloch. Und gleich noch eines der neben dem Ungeheuer vom Loch Ness beliebtesten Sommerloch-Themen hervorzuholen, mit denen man die Zeit trefflich totschlagen kann: Die Diskussion um eine Tempo-Limit auf Deutschlands Autobahnen…
Wie kann man nur, reibt man sich verwundert die Augen, wie kann man nur ein knappes halbes Jahr vor der Bundestagswahl noch so ein Fass aufmachen? Vielleicht hat die CDU ja doch einen Maulwurf in die Wahlkampfzentrale der Genossen eingeschleust, der nun ganze Arbeit leistet, nachdem er zuvor Peer Steinbrück schon einen Fauxpas nach dem anderen soufflierte: Nun tritt Parteichef Sigmar Gabriel auf und ein für Tempo 120! Ein politisch geradezu suizidaler Vorschlag, wie man weiß im einzigen Staate der Welt, in dem freie Bürger noch freie Straßen untern die Pneus nehmen dürfen. Damit mich niemand falsch versteht: Ich befürworte die Idee ausdrücklich und würde mich sogar weitgehend dran halten, zumal mein Auto bei diesem Tempo genau in Balance zwischen ruhig summendem Motor, gemütlicher Straßenlage und geringstem Verbrauch zu sein scheint. Aber ich weiß natürlich, dass das Illusion ist und – wenn überhaupt – dann dem individuellen Protest Einzelner gegenüber dem BMW-, Audi-, MB- oder Porsche-Gedröhne auf der linken Fahrspur vorbehalten bleibt (ohne die GTI-Piloten übersehen bzw. überhören zu wollen).
Nee, nee, lieber Sigmar, da macht kein Wahlvolk mit. Das besteht zum gefühlten Großteil aus Autofahrern und Autobauern und Autoverkäufern und somit also aus Experten, die alle nachweisen können, dass sowas überhaupt keinen Sinn macht (wenn man Sinn überhaupt machen kann, was wir hier mal sprachlich außer Acht lassen wollen). Womöglich würden Manager und Politiker künftig, statt ihren A8 quattro oder die E-Klasse in den Tiefflugmodus zu versetzen, auf die Bahn umsteigen? Dann müsste die ihre ICEs mit Tempo 400 ja womöglich pünktlicher (und deren Klimaanlagen wie Bremsen zuverlässiger) machen – nicht auszudenken! Oder man würde gar auf die eine oder andere Fahrt verzichten und Freiheit lieber auf Balkonien genießen?
Vielleicht ist alles nur eine Spontanreaktion von Gabriel auf seinen neuen Wohnort im Osten – die Autobahnen rund um Magdeburg sollte und kann man in alle möglichen Himmelsrichtungen ja eigentlich nur mit 120 befahren. Da schließt man schnell vom nahe liegend Konkreten aufs große Ganze; ein induktives Verfahren, wie man aus der Logik weiß. Oder der Sigmar von der SPD ist auch nur ein Mann und hat sich gedacht, haue ich doch mal rasch noch vor Himmelfahrt so einen Bolzen raus, da haben die Jungs vorm Bollerwagen (Tempo 4 – 2 km/h) wenigstens ein Gesprächsthema, das bei allem Für und Wider immerhin mit uns zu tun. Wenn schon ein Bock geschossen wird, dann doch wenigstens ein Mai-Bock…
… meint der Zirkustiger!

... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 7. Juni 2012
Guter Rat in Sachen Geld
7. Juni

Freunde, überlegt euch das noch mal. Was? Na, das mit euren Anträgen. Genau: Den Anträgen zum Mitmachen in diesen TV-Shows, wo man Millionär werden kann. Oder Dschungelkönig. Oder Biggest Brother… Und sagt nicht, ihr hättet nicht jeder welche laufen!
Der große Anreiz ist ja nun weg, seit der Bundesfinanzhof entschieden hat, dass die erfolgreiche Teilnahme an derartigen Fernsehformaten als Arbeit zu werten sei. Schließlich sei man immer anwesend, werde durch Kameras beobachtet und müsse bestimmte Aufgaben erfüllen. Also fast wie ein deutscher Beamter, der zwar nicht genau weiß, wo die Wanzen in seinem Büro hängen, aber der eben auch ständig im Dienst ist. Allerdings hinkt der Vergleich mit dem Beamten, denn der zahlt ja gar keine Einkommenssteuer. Also nehmen wir lieber die Angestellten, die zahlen brav ihre Steuern (wie ich auch), und die (also die Steuern) will der Fiskus jetzt auch von den Siegern der Fernsehshows haben. Sascha Sirtl (nie gehört vorher den alliterativen Namen…) muss nun seine Mille kleinrechnen lassen. Und die anderen erfolgreichen C- bis X-Promis auch. Recht so, sage ich schadenfroh, denn mich hat auch nie jemand gefragt, ob ich mal in Australien vor laufenden Kameras lebende Käfer verspeisen will oder in gärendem Faulschlamm baden. Liegt wahrscheinlich an meinem Y-Z-Status, was Prominenz angeht, hat aber seine Vorteile, wie man nun sieht: Hätte ich die Million gewonnen, müsste ich mich jetzt dumm und dämlich zahlen. So müssen das nur andere Dumme und Dämliche…
Mein Tipp also: Leute, spielt Lotto! Diese Gewinne müssen nicht versteuert werden, weil das Setzen von zwei Mal drei Kreuzen nicht als Arbeit zu werten ist. Sagt der BFH. Das sind doch mal klare Maßstäbe.
Wie – ob ich auch, fragt ihr? Aber klar doch! Seit Jahren schon, im Abo…
Äh – gewonnen? Nee, außer neulich mal 9,85 Euro noch nix. Stört aber nicht weiter, denn ich tätige meinen Einsatz im guten Gefühl, damit soziale und kulturelle Projekte zu unterstützen, die ohne mich noch mehr darben müssten als ohnehin. Immer, wenn in der Zeitung steht, ein gemeinnütziger Verein dürfe sich über eine Spende aus Lotto-Toto-Mitteln freuen, freue auch ich mich. Und meinen Antrag auf die nächste Fernsehcontainer-Staffel ziehe ich auch zurück, versprochen. Lohnt sich ja eh nicht mehr…

P.S. Dieser Blog wird durch die Lottogesellschaft Sachsen-Anhalt NICHT gesponsert…!

... link (0 Kommentare)   ... comment